Eva Feldmann/ Oliver Hofmann: Erinnern, begegnen, Zukunft gestalten. Evaluation des Förderprogramms „Begegnungen mit Zeitzeugen – Lebenswege ehemaliger Zwangsarbeiter“, München 2006.
Wie nachhaltig wirken Begegnungen zwischen Zeitzeugen und Jugendlichen? Welche emotionale und pädagogische Qualität haben sie? Das Programm „Begegnungen mit Zeitzeugen – Lebenswege ehemaliger Zwangsarbeiter“ der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ finanziert mit dem Fonds „Erinnerung und Zukunft“ Begegnungen zwischen Jugendlichen und ehemaligen Zwangsarbeitern. Die Forschungsgruppe Jugend und Europa des Centrums für angewandte Politikforschung evaluiert dieses Programm zur Förderung der Erinnerung und des demokratischen Verständnisses in dem vorliegenden Band. Die Forschungsgruppe folgt somit ihrem Selbstverständnis, politische Bildungsarbeit wissenschaftlich zu begleiten.
Die untersuchten Veranstaltungen verbanden zumeist offizielle Termine, Gedenken an den Orten früherer Zwangsarbeit und die Begegnung mit den Jugendlichen. Der Verarbeitung des Schreckens für die ehemaligen Zwangsarbeiter diente oft die Rückkehr an den Ort der Zwangsarbeit oder der Dialog mit den Jugendlichen. Sie wollten die eigene Geschichte erzählen, um für verantwortungsbewusstes Handeln in der Zukunft aufzurufen. Die Jugendlichen schätzten die Chance der „erlebten Geschichte“ und sich auf persönlicherer Ebene mit dem Nationalsozialismus beschäftigen zu können.
Ist eine Begegnung intensiv, ist sie nicht zwangsläufig nachhaltig. Die Forschungsgruppe Jugend und Europa folgert, dass Projekte mit Vor- und Nachbereitung in den Dimensionen Organisation, Inhalt, Emotion sehr wirksam sind. Die Jugendlichen erleben einen hohen Mehrwert bei größerem Vorwissen und mehr Partizipation bei der Planung und Durchführung der Begegnung. Die Zeitzeugen seien emotional besser vorbereitet und Missverständnisse könnten vermieden werden. Eine Nachbereitung mache für beide Gruppen psychologisch Sinn.
Begegnungen würden emotionale, sachliche, persönliche und gesellschaftliche Ebenen aufweisen und verschiedene Zeitdimensionen tangieren. Je reflexiver und partizipativer diese Ebenen mit den Jugendlichen bearbeitet würden, desto nachhaltiger könne eine solche Beziehung sein. Gerade mit dem Transfer der erzählten Vergangenheit auf die Gegenwart seien die Jugendlichen überfordert. Die Untersuchung der Projekte habe gezeigt, dass eine pädagogische Begleitung hierbei die Chance ermögliche, einem zentralen Wunsch der Zeitzeugen nachzukommen: Der Jugend als Zukunftsressource der Gesellschaft kann gezeigt werden, wie sie die in der Begegnung erlernte Sensibilisierung, Toleranz und Empathie im Sinne der Demokratie nutzen könne.
So könnte, wie der Titel anmahnt, die Erinnerung durch die Begegnung bereichert werden und auf dieser Grundlage Zukunft gestaltet werden. Insofern hat Wolfgang Thierse Recht, wenn er im Vorwort schreibt, die Publikation solle „Lektüre für all diejenigen werden, die sich mit zukünftiger Erinnerungsarbeit beschäftigen.“
Autor: Jonas Dreger
Eva Feldmann/ Oliver Hofmann: Erinnern, begegnen, Zukunft gestalten. Evaluation des Förderprogramms „Begegnungen mit Zeitzeugen – Lebenswege ehemaliger Zwangsarbeiter“, 139 Seiten, 14,80€, ISBN 3-933456-36-3.