Über den Umgang der Nationalsozialisten mit Künstlern am Schicksal Ernst Barlachs
Die Entartete Kunst ist bis zum heutigen Tage das Thema, welches in der Öffentlichkeit die geringste Aufmerksamkeit gefunden hat. Zwar finden immer wieder Veranstaltungen zu diesem Thema statt, doch für das breite Publikum existiert nur wenig allgemein zugängliches Material zur Information. Auch die wissenschaftliche Forschung hat dieses Gebiet bisher nur rudimentär gestreift. Doch was war eigentlich entartete Kunst? Für die Nationalsozialisten waren dies alles Kunstwerke und kulturellen Stilrichtungen, die mit ihrem Verständnis für Kunst und dem Schönheitsideal nicht in Einklang standen. Dazu gehörten u.a. Expressionismus, Impressionismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit, Surrealismus. Als „entartet“ galten u.a. die Werke von Max Pechstein, Paul Klee, Ernst Ludwig Kirchner, Max Ernst, Karl Schmidt-Rottluff oder Ernst Barlach. Dies traf alle Kunstrichtungen gleichermaßen, wie den Film, die Musik und die Literatur.
Nationalsozialistische Kunstpolitik
„Gequälte Leinwand – Seelische Verwesung – Krankhafte Phantasten – Geisteskranke Nichtskönner. Von Judencliquen preisgekrönt, von Literaten gepriesen, waren Produkte und Produzenten einer ‚Kunst‘, für die Staatliche und Städtische Institute gewissenlos Millionenbeträge deutschen Volksvermögens verschleuderten, während deutsche Künstler zur gleichen Zeit verhungerten. Seht Euch das an! Urteilt selbst! Besucht die Ausstellung ‚Entartete Kunst‘. Eintritt frei. Für Jugendliche verboten“. Diese Worte sprechen für sich selbst und sind eine deutliche Aussage für das Kunstverständnis der Nationalsozialisten. Sie lehnten die moderne Kunst kategorisch ab. Dabei handelt es sich um den Text, mit welchem im Juli 1937 für die Ausstellung „Entartete Kunst“ in München geworben wurde. Diese Wanderausstellung wurde vom Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste, Adolf Ziegler, geleitet und war bis 1941 in insgesamt 12 Städten zu sehen. Prominente Namen der Ausgestellten waren u.a. Marc Chagall, Wassily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, Emil Nolde, Oskar Kokoschka, Otto Dix, Oskar Schlemmer und Ernst Barlach. Nahezu zeitgleich beginnt die Beschlagnahmung von ca. 16.000 Werken der Moderne, die entweder verkauft und zu einem großen Teil auch zerstört wurden. 1938 kommt es zum „Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“. Somit wurde die Enteignung legalisiert. Zum Zwecke der Durchführung wurde eigens die „Kommission zur Verwertung der eingezogenen Produkte entarteter Kunst“ eingeführt. Allerdings wurde auch eine Liste mit „international verwertbaren“ Kunstwerken erstellt. Für zum Teil geringe Summen wurden die Kunstgegenstände ins Ausland verkauft, wo sie der drohenden Zerstörung entkamen. Am Vorabend des 19.07.1937, der Eröffnung der oben genannten Ausstellung, weihte Hitler das „Haus der Deutschen Kunst“ ein. Seine Rede enthielt den Satz: […] „Mit der Eröffnung dieser Ausstellung aber hat das Ende der deutschen Kunstvernarrung und damit der Kulturvernichtung unseres Volkes begonnen. Wir werden von jetzt ab einen unerbittlichen Säuberungskrieg führen gegen die Elemente unserer Kulturzersetzung.“ […] Diese Säuberung sei hier am Schicksal Ernst Barlachs beschrieben.
Das Leben und Schicksal des Ernst Barlach
Geboren wurde Ernst Barlach am 2. Januar 1870 in Wedel bei Hamburg. Mit 21 Jahren geht er von Hamburg nach Dresden und besucht dort die Unter-und Mittelklasse der Königlichen Akademie der bildenden Künste. Ab dem Jahre 1892 wird Ernst Barlach Meisterschüler von Robert Diez. Seine Abschlussprüfung an der Dresdener Kunstakademie besteht 1895 aus der im Vorjahr geschaffenen Plastik „Krautpflückerin“. Mit diesem Werk und einem Grabrelief beteiligt er sich 1898 an der „Großen Berliner Kunstausstellung“. Barlach arbeitet in einer Werkstattgemeinschaft mit dem Bildhauer und Freund Karl Gabers. Gemeinsam erschaffen sie das Giebelrelief des Altonaer Rathauses. Zu dieser Zeit entstehen auch seine frühen literarischen Versuche, in denen er seine Pariser Studienaufenthalte beschreibt. 1906 reist Barlach, in einer schweren Identitäts- und Lebenskrise, nach Russland. Er produziert eine große Anzahl von Skizzen und schreibt das „Russische Tagebuch“, welches im Jahre 1912 unter dem Titel „Eine Steppenfahrt“ mit 13 Lithografien illustriert erscheint. Ab 1906 wird er verstärkt literarisch tätig. Zwischen 1906 und 1938 entstehen, neben autobiografischen Arbeiten, u.a. die Dramen „Der tote Tag“ (1912), „Der arme Vetter“ (1917), „Die echten Sedemunds“ (1920), „Der Findling“ (1922), „Die Sündflut“ (1924), „Die gute Zeit“ (1929). Dazu kommen die Romane „Seespeck“ und „Der gestohlene Mond“ (beide posthum 1948 erschienen). 1924 erhält er den Kleistpreis. Ernst Barlach sieht sich verstärkt Angriffen völkischer und nationalsozialistischer Kreise ausgesetzt. Nur wenige Tage vor der so genannten „Machtergreifung“ hält er am 23.01.1933 die Rundfunkrede „Künstler zur Zeit“. Er protestiert gegen den Zwangsausschluss von Käthe Kollwitz und Heinrich Mann aus der Preußischen Akademie der Künste, aus welcher er selbst 1937 erzwungenermaßen austreten muss. Das Ehrenmal im Magdeburger Dom löst 1929 einen Sturm der Entrüstung unter der Bevölkerung aus. Allein das zeigt bereits, dass die Politik der Nationalsozialisten im Volke auf breite Zustimmung stieß. Mit dieser Skulptur schlägt sich Barlach auf die Seite der Opfer des Krieges. Genau das wird ihm verübelt. Die Zeit ist gegen ein Aufzeigen des Ist-Zustandes und das Volk will seine Kriegshelden glorifiziert sehen, wenn der Krieg schon verloren wurde. In der Folgezeit bekommt Barlach immer seltener öffentliche Aufträge. 1933 zieht er sogar einen Entwurf für ein Denkmal in Stralsund wieder zurück. Das Magdeburger Ehrenmal wird zur selben Zeit auch das erste Werk Barlachs, das von den Nazis entfernt und in die Berliner Nationalgalerie überführt wird. Als Bolschewist und Jude verunglimpft, beginnt eine ständig härter werdende Zeit für Ernst Barlach. Zunehmend werden alle seine Werke aus den Museen genommen und in den Magazinen, unsichtbar für das Publikum, gelagert. Dies alles hinterließ sichtbare Spuren bei Barlach. […] „Ernst Barlach hat sich verändert seit dem Abend im Ratskeller, der doch kaum drei Jahre zurücklag. Er sah nicht heiter aus, dicke Säcke unter den Augen, die diese, an sich schon groß, noch größer erscheinen ließen, gaben dem Antlitz, mitsamt der gefurchten Stirn und den abwärts gezogenen Mundwinkeln, einen Ausdruck tiefen Grams, der und beim ersten Anblick erschreckte.“ […] 1 Für Barlach wird der Druck zunehmend größer. 1936 kommt es zur Beschlagnahmung des Buches „Zeichnungen von Ernst Barlach“ im Verlag Piper. Seine Werke und die Käthe Kollwitz´ und Wilhelm Lehmbrucks werden in der Jubiläumsausstellung der Preußischen Akademie der Künste beschlagnahmt. Die Drangsale gehen allerdings weiter. 1937 werden über 370 seiner Werke beschlagnahmt und einige seiner Denkmäler entfernt. Die Reichskammer der bildenden Künste verhängt zudem ein Ausstellungsverbot gegen ihn. Eine Bewertung dieser Taten gegen den Künstler vorzunehmen obliegt mir an dieser Stelle nicht, doch sie sprechen für sich selbst! Ernst Barlach wurde der Nährboden für seine Arbeit entzogen. Schließlich lässt er über zwei Rechtsanwälte am 22. Juli 1937 seinen Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste erklären. Dies war ein Schritt, zu welchem ihm „geraten“ worden war. Nach der Zerstörung seines Hamburger Ehrenmals und dem „Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ vom 31. Mai 1938 scheint sein Lebenswille erloschen. Zeugen berichten Dramatisches über seine physische und psychische Verfassung. Am 24. Oktober stirbt Ernst Barlach in Rostock. Seine Besetzung findet vier Tage später in Ratzeburg statt. Dieses tragische Beispiel sei nur ein Beweis für den menschenverachtenden Umgang der Nationalsozialisten mit Künstlern. Auch oder gerade sie sind und waren in erster Linie Menschen, deren Unerschrockenheit in vielen Fällen beispielhaft ist.
Autor: André Krajewski
Literatur
Benz, Wolfgang / Hermann Graml /Hermann Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 1997.
Benz, Wigbert / Bernd Bredemeyer / Klaus Fieberg: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Beiträge, Materialien Dokumente. CD-Rom, Braunschweig 2004.
Kammer, Hilde / Elisabet Bartsch / Manon Eppenstein-Baukhage / Manon Eppenstein- Baukhage: Lexikon Nationalsozialismus, Berlin 1999.
Piper, Ernst: Nationalsozialistische Kunstpolitik. , Frankfurt 1987.
Piper, Ernst: Ernst Barlach und die nationalsozialistische Kunstpolitik. Eine dokumentarische Darstellung zur ‚entarteten Kunst‘. München 1983.
Wulf, Joseph (Hg.): Kultur im Dritten Reich. Berlin 1989.
Anmerkungen:
1 Schurek, Paul: Begegnungen mit Ernst Barlach, München 1959, Seite 8