„Gute“ Nazis sind immer für einen Film gut. Das muss sich auch Volker Schlöndorff gedacht haben, als er die Geschichte von General Dietrich von Choltitz entdeckt. Der stramme Soldat hatte sich im Nationalsozialismus die Karriereleiter des Militärs hochgedient, in Russland am Vernichtungskrieg mitgewirkt und Landstriche von jüdischer Bevölkerung „gesäubert“. Nur Paris wollte er bei absehbarem Kriegsende nicht in Schutt und Asche legen, weil ihm die Alliierten eine klare Warnung zukommen ließen, dass man ihn als Kriegsverbrecher dafür behandeln würde. Und weil alle froh waren, dass der Eiffelturm stehen blieb, wurde aus ihm der „Retter“ von Paris und einer der Vorreiter der deutsch-französischen Freundschaft. Eine etwas polemische Zusammenfassung wohlgemerkt, aber nur zu typisch für Vergangenheitsbewältigung und Mythenbildung.
Im Sommer 1944 verfügt Hitler, dass die französische Hauptstadt dem Feind „nicht oder nur als Trümmerfeld“ in die Hände fallen dürfe. Verantwortlich für die Durchführung dieses barbarischen Plans ist der Wehrmachtsbefehlshaber für Groß-Paris, General Dietrich von Choltitz, der bereits den Eiffelturm, den Louvre, Notre-Dame und die Brücken über die Seine verminen lässt. Nichts soll mehr an die alte Pracht erinnern. Er übergibt die Stadt schließlich nach hinhaltendem Widerstand in einigen Vororten nahezu unversehrt am Nachmittag des 25. August 1944 an General Leclerc als Repräsentanten der regulären französischen Streitkräfte.
In Schlöndorffs Film ist es ein seltsamer Besuch, der Choltitz von der Zerstörung der französischen Hauptstadt abhält. Im Morgengrauen des 25. August schleicht sich der schwedische Generalkonsul Raoul Nordling durch einen unterirdischen Geheimgang ins deutsche Hauptquartier ein und versucht, Choltitz von dem Vorhaben abzubringen. Nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Cyril Gély inszeniert Volker Schlöndorff ein psychologisch ausgefeiltes Duell der Worte zwischen zwei völlig verschiedenen Charakteren. Während sich Choltitz hinter dem unbedingten Gehorsam des Militärs verschanzt, setzt Nordling alles daran, die sinnlose Zerstörung von Paris mit einem Appell an Vernunft und Humanität zu verhindern. Dabei changiert das filmische Kammerspiel zwischen Realität und Fiktion, denn das geschilderte Treffen der beiden Männer hat in dieser Form nie stattgefunden.
Das Zusammentreffen der beiden Charaktere inszeniert Schlöndorff kammerspielig und intensiv. Nach und nach werden alle Fragen von Moral, Gehorsam und dem „richtigen“ Handeln abgehandelt. Das ist oft eindringlich und durchgehend unterhaltsam. Dass er aber am Ende einen Nazi-General zum Helden macht, kann man ihm vielleicht aber gar nicht vorwerfen. An Choltitzs Grab standen 1966 zur Beerdigung sowohl französische als auch deutsche Offiziere in trauter Einigkeit und gedachten dem „Retter von Paris“.
Berlinale Special Gala
Frankreich / Deutschland 2014
85 Min Französisch, Deutsch
REGIE: Volker Schlöndorff
DARSTELLER: André Dussollier, Niels Arestrup, Robert Stadlober, Burghart Klaussner, Charlie Nelson, Jean-Marc Roulot, Stefan Wilkening