Volker Schlöndorff kehrt in seinem neuen Film LA MER À L’AUBE zur deutsch-französischen Geschichte zurück. Sein Film spielt an dem Ort in der Bretagne, wo er zehn Jahre nach dem Krieg zur Schule ging und handelt von dem französischen Widerstandskämpfer Guy Môquet, der während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg dort getötet wurde.
Im Oktober 1941 ist Frankreich bereits anderthalb Jahre von deutschen Truppen besetzt, als junge kommunistische Widerstandskämpfer einen Offizier der Wehrmacht erschießen. Als „Vergeltung“ befiehlt Hitler den Tod von 150 Franzosen – vorwiegend junge Männer, die den Attentätern politisch nahestehen. Diese sollen aus einem Internierungslager für Gegner der Besatzungsmacht ausgewählt werden.
Der Film schildert die Vorgänge fast in einer Parallelwelt, sowohl aus der Perspektive des 17-jährigen französischen Kommunisten Guy Môquet als auch aus der Sicht eines fast gleichaltrigen deutschen Soldaten, der Teil des Hinrichtungskommandos ist. Môquet wurde Opfer der Vergeltungsaktion und erlangte später in Frankreich große Berühmtheit, vergleichbar mit dem Bekanntheitsgrad von Sophie Scholl in Deutschland. Oft sind es Bilder, die schwer auszuhalten sind. Intensiv gespielt und mit viel Feingefühl inszeniert gehört LA MER À L’AUBE zu den Highlights der Berlinale und zeigt, dass der Themenkreis Zweiter Weltkrieg bei weitem noch nicht auserzählt ist.
Bei Recherchen über Ernst Jünger, Oberst im, Zweiten Weltkrieg, war Schlöndorff auf das Schicksal Môquets gestoßen, der vor seiner Erschießung einen Brief hinterlassen hatte, den Jünger als Wehrmachtsoffizier in Paris in einem militärischen Geheimreport aufbereitete. Der deutsche Befehlshaber in Frankreich General Stülpnagel hatte Jünger, gespielt von Ulrich Matthes, beauftragt, den Bericht zu verfassen, der für den Fall einer deutschen Niederlage als Rechtfertigung dienen sollte. Nach dem Attentat vom 20. Juli verbrannte Jünger das Manuskript. Eine Kopie der Denkschrift „Über die Geiselfrage“ blieb jedoch erhalten und wurde für Schlöndorff zum Ausgangspunkt seiner Recherchen.
In Berlin feierte der Film „nur“ in der Sektion Panorama seine deutsche Premiere, denn zuvor wurde er bereits auf dem Filmfestival in Biarritz gezeigt. Beim französischen Publikum löste er dramatische Reaktionen aus: minutenlanges Schweigen gefolgt von stehendem Applaus. Der Kinostart von LA MER À L’AUBE in Deutschland ist mit Titel DAS MEER AM MORGEN für Herbst 2012 geplant.
Frankreich / Deutschland 2011 / 89 min
Französisch, Deutsch
REGIE: Volker Schlöndorff
DARSTELLER: Léo Paul Salmain, Ulrich Matthes, Martin Loizillon, Jacob Matschenz, André Jung