Roman Frister: Die Mütze oder Der Preis des Lebens, München 1998.
Roman Frister wurde 1928 in Bielsko/Bielitz (Polen) geboren. Er überlebte als junger Erwachsener Konzentrationslager und Märsche. Er lebt heute als Journalist und Schriftsteller in Tel Aviv. Sein Werk umfasst Romane, Theaterstücke und Sachbücher und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.
Roman Fristers Erinnerungsbuch ist eines der sehr spät erschienenen Bücher, es wurde erst 1993 in Tel Aviv zum ersten Mal publiziert. Es steht in einer Reihe der „Überlebensbücher“, die das Leben, Sterben und Überleben in den Konzentrationslagern des deutschen Nationalsozialismus schildern. Unter den vielen dieser Berichte, die ich las, ist er einer der erbarmungslosesten, schonungslosesten. Fristers Sprache ist elaboriert, gekonnt. Umso erschütternder der Inhalt. Zugleich dokumentiert die späte Veröffentlichung auch die langen Jahrzehnte, in der Frister über seine Erlebnisse und Erfahrungen reflektieren konnte.
Frister geht es nicht nur um die Frage: Was ist tatsächlich geschehen? Ihm geht es auch um die Frage, was das bestialische System der Nationalsozialisten aus ihm gemacht hat, und wie er in diesem System überlebt. Das System ist nicht nur krank, es macht auch krank – nicht nur körperlich, sondern auch, indem es die Seele deformiert. Gerechtigkeit wird vor diesem Hintergrund, „im Reich des Bösen“, zur leeren Hülse ohne Belang, wie Frister schreibt. Das reine physische Überleben auch zum Preis des Todes anderer wird zum absoluten, einzigen Fokus. Nicht die besseren, nicht die schlaueren oder skrupellosesten überleben – obwohl letztere deutlich mehr Chancen haben. Der Zufall entscheidet über das Überleben, manchmal nur eine scheinbare Bagatellentscheidung. Jegliche Heroisierung der Überlebenden bzw. ihres Überlebens lehnt er als Verzerrung der Wirklichkeit in den Konzentrationslagern ab. Gleichzeitig erwähnt er durchaus Momente, die ihm als Individuum halfen, die Shoa zu überleben, etwa Gedichtsrezitationen bei den Todesmärschen.
Der Schluss des Buches ist dann bei aller Härte doch hoffnungsvoll. Als eine Krankenschwester Fristers Glied wäscht und es bei dieser Berührung nicht steif wird, zitiert er sie so: „Keine Angst. Es wird der Tag kommen, wo dein Schwanz bei der Berührung einer Frau hart wird. Das wird ein wichtiger Tag in deinem Leben sein, denn erst dann wirst du merken, wie schön das Leben ist.“ Aus dem Wesen, das um jeden Preis um sein Leben kämpft, ist wieder ein Mensch geworden.
Autorin: Kathrin Kiss-Elder
Roman Frister: Die Mütze oder Der Preis des Lebens: Ein Lebensbericht, München 1998.