Die Kenntnis der Vergangenheit ist Mahnung für die Zukunft
Die Fürstlich Castell`sche Bank und Credit-Casse veröffentlicht eine in der kritischen deutschen Bankengeschichte bisher einmalige Dokumentation, die ihr Verhalten gegenüber jüdischen Kunden und deren Schicksal in der Zeit des Nationalsozialismus ohne Schönfärberei, Larmoyanz und ohne den Versuch einer Rechtfertigung beschreibt: Die „jüdischen Konten“.
In dem Buch wird ein Kuvert gezeigt mit dem Hinweis: „Verzogen nach Lublin, weitere Adresse unbekannt. 24.6.42“. Ein solcher Vermerk wurde im Zweiten Weltkrieg tagtäglich auf nicht zustellbare Briefe geschrieben und wäre eigentlich keiner Erwähnung wert, würde sich dahinter nicht das Ende der Lebensspur eines der beiden Brüder Alfred und Fritz Feldhahn verbergen, die beide nach Polen deportiert und dort in Vernichtungslagern ermordet wurden und die Kunden der Bank waren.
Auch wenn die Bilanzsumme dieser regional tätigen Privatbank 2004 nur etwa 0,2% der Bilanzsummen der drei Deutschen Großbanken ausmachte, auf gleicher Augenhöhe kann die Castell`sche Bank ihnen allen begegnen, wenn es um die Aufarbeitung der jeweiligen Vergangenheit im Dritten Reich geht.
Erst Ende der 80er Jahre begannen die Deutsche Bank, die Dresdner Bank und die Commerzbank, ganze Stäbe von angesehenen Wissenschaftlern damit zu beschäftigen, ihre Rolle vor und während des Nationalsozialismus untersuchen zu lassen. Bekanntermaßen nicht ganz freiwillig. Zum einen nahm der öffentliche Druck zu, die Archive endlich zu öffnen, aber vor allem drohten Prozesse vor amerikanischen Gerichten, in denen es um die Enteignung („Arisierung“) jüdischer Vermögen während des Dritten Reiches und Entschädigungs-Forderungen in Milliardenhöhe ging.
Ganz anders die wissenschaftlichen Ressourcen und die Motive der Castell Bank in Würzburg. Der Historiker Jesko Graf zu Dohna, seit vierzehn Jahren Leiter des Fürstlich Castell`schen Archivs, hat mit geringer externer Unterstützung jahrelang recherchiert und eine Dokumentation vorgelegt, die sich mit dem Schicksal „kleiner“ jüdischen Bankkunden und der „Arisierung“ ihrer Konten, ihrer Handelsgeschäfte und ihrer Immobilien befasst. Alle anderen deutschen Privatbanken – ausgenommen das Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim – gehen mit ihrer Vergangenheit so um wie mit der einer schönen Frau: Sie fragen nicht danach.
Initiator dieser umfassenden Recherche war Albrecht Fürst zu Castell-Castell, heute Aufsichtsratsvorsitzender der Castell Bank, zu dessen achtzigstem Geburtstag die Arbeit erschienen ist. Wie es dazu kam, beschreibt er sehr offen und persönlich in seinem Vorwort.
Er berichtet, dass er in einer Familie mit streng konservativ-deutsch-nationaler Gesinnung aufgewachsen war, für die Ehre, Treue, Pflichterfüllung und die Einhaltung von Gesetzen und Regeln in allen Lebenslagen oberstes Gebot war. Im sog. „Jungvolk“ marschierte der junge Graf als Trommler durchs heimische Dorf und machte die Geländespiele und Aufmärsche der Hitlerjugend begeistert mit. Nicht gerade verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sein Vater bereits am 1. Mai 1933 in die NSDAP eingetreten und zwei Jahre später zum Reiterführer der SA-Gruppe Franken avanciert war. Das Familien-Oberhaupt bewunderte bis weit in den Zweiten Weltkrieg hinein das perfekte Funktionieren von Hitlers Staatsmaschinerie. Er befürwortete die aggressive Außenpolitik des Regimes und für ihn waren Juden etwas Befremdliches, man identifizierte sich nicht mit ihnen – sein Sohn bezeichnet das heute als Antisemitismus. Als er 1939 als Reserveoffizier eingezogen wurde, wünschten sich seine beiden Söhne, der Krieg möge nicht ohne ihren Dienst an der Waffe zu Ende gehen. Ihr Wunsch ging in Erfüllung, aber nur der Jüngere kehrte im Sommer 1945 als Neunzehnjähriger unversehrt zurück. Sein Bruder und der Vater fielen.
Fast fünfzig Jahre später war Fürst Albrecht dann in Auschwitz. Da war er bereits neunundsechzig Jahre alt. Und hier am Ort des Todes, so schreibt er, habe er gespürt, dass es auch ihn etwas angehe, was dort geschehen sei. Die Deutschen hatten diesen Tötungsplan ausgedacht, organisiert und durchgeführt mit dem Ziel der totalen Auslöschung allen jüdischen Lebens. Er fragte sich, was seine Eltern wohl angesichts brennender Synagogen, zerstörter jüdischer Wohnungen, geplünderter Geschäfte und der Verhaftung und Deportation von Juden empfunden habe mochten. Und es wurde ihm erstmals ganz bewusst: Da war kein Mitfühlen, kein Betroffensein oder gar Empörung vom Schloss ausgegangen. „Wir haben uns schuldig gemacht durch Lieblosigkeit, Gleichgültigkeit und Unterlassung.“
Er begann, die Begegnung mit überlebenden Juden zu suchen und seine Hilfe anzubieten. Erinnern, Erkenntnis und Bereuen standen am Anfang. Für die Erfahrung von Vergebung war er dankbar. Interesse, Zuwendung und Liebe sind daraus erwachsen. Und der Wunsch, das Schicksal jüdischer Bankkunden und den Umgang der Castell Bank mit ihnen zu erforschen und öffentlich zu machen.
Die Fürstlich Castell`sche Bank und ihr Verhalten gegenüber ihren jüdischen Kunden
Auf elf Seiten, die die 144seitige Dokumentation immer wieder unterbrechen, sind die Namen von 163 jüdischen Kunden der Bank in fast allen Fällen mit Namen, Geburtsdatum und Geburtsort aufgelistet – und mit ihrem Verbleib: deportiert, ermordet, verschollen, emigriert, im Dritten Reich oder danach gestorben. Nur wenige haben in Deutschland überlebt.
Bekanntermaßen spielten die Banken bei der Verfolgung von Juden und der „Arisierung“ ihres Vermögens eine bedeutende Rolle. Um ihrem verbrecherischen Handeln den Anschein der Rechtsstaatlichkeit zu geben, erließ das nationalsozialistische Regime ein ausgefeiltes Regelwerk von Gesetzen und Verordnungen, griff damit auch massiv in die Geschäftstätigkeit der Geldinstitute ein und machte sie so zum meist willfährigen verlängerten Arm der Administration. Bereits 1935 wurden die „Nürnberger Gesetze“ verabschiedet, die den Juden alle staatsbürgerlichen Rechte absprachen. Am Anfang überwogen – unter dem Druck der politischen Verhältnisse – „freiwillige“ Verkäufe jüdischer Geschäfte. Nach der „Reichskristallnacht“ 1938 fand dann die zwangsweise „Entjudung der deutschen Wirtschaft“ statt. Von diesen Säuberungsaktionen waren nicht nur die großen jüdische Unternehmen und Handelshäuser betroffen, sondern gleichermaßen Einzelhändler, Kleingewerbetreibende und Freiberufler, also die typische Klientel der Castell Bank.
Dazu gehörte auch der oben erwähnte Fritz Feldhahn, der von seiner Mutter ein Haus mit einer auf die Bank eingetragenen Hypothek geerbt hatte. Als er wegen dramatisch zurückgehender Geschäfte die Zinsen nur noch sporadisch bezahlen konnte, übernahm sein Bruder Alfred einige Jahre lang diese Verpflichtung. Als auch er nicht mehr zahlen konnte, erhielt die Fürstlich Castell`sche Bank die lapidare Nachricht, Alfred „Israel“ Feldhahn (wie er sich jetzt wegen seines „arischen“ Vornamens nennen musste) sei „evakuiert“ worden, seine Adresse nicht bekannt und sein gesamtes Vermögen an das Deutsche Reich gefallen. Heil Hitler!
Eine Anfrage über den Verbleib seines Bruders Fritz kam mit dem Vermerk zurück: „Verzogen nach Lublin, weitere Adresse unbekannt. 4.6.42“. Auch sein Haus gehörte inzwischen dem Deutschen Reich. Und so sind zahlreiche weitere Schicksale fränkischer Juden in diesem Buch dokumentiert.
Am Ende kommt der Autor zu folgendem Ergebnis: Die Fürstlich Castell`sche Bank fügte sich in das neue politische und wirtschaftliche System ein, verhielt sich gegenüber ihrer jüdischen Klientel unter Einhaltung der gesetzlich geforderten Maßnahmen sachlich, „zeigte aber in einigen Fällen auch wenig Einfühlungsvermögen für deren bedrängte Lage …. Es konnte aber in keinem Fall eine aggressive „Arisierung“ oder eine persönliche Bereicherung durch die Inhaber oder die leitenden Angestellten festgestellt werden. Eine den verfolgten Juden freundlich zugewandte Haltung, wie sie vereinzelt bei anderen Bankiers vorkam, war bei der politischen Haltung von Inhabern und Geschäftsleitung nicht zu erwarten.“
Autorin: Brigitte Sträter. Erstveröffentlichung des Beitrages in: „The Atlantic Times“ Oktober 2005.
Literatur
Jesko Graf zu Dohna Die „Jüdischen Konten“ der Fürstliche Castell`schen Credit-Cassen und des Bankhauses Karl Meyer KG, mit einem Vorwort von Fürst zu Castell-Castell, 2005, 144 Seiten, ISBN: 3-86652-045-X, Preis 16.- Euro (Veröffentlichung der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Neujahrsblätter Bd. 45)
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