„Rassenbiologie“ im nationalsozialistischen Unterhaltungsfilm
Der Unterhaltungsfilm im Nationalsozialismus wurde lange Zeit als unpolitisch wahrgenommen, was anhand der Tatsache, dass 86% aller in der Zeit vom 30.1.1933 bis zum 8.5.1945 produzierten Filme in Deutschland Unterhaltungsfilme waren, verwundert (nachzulesen in: Winkler-Mayerhöfer, Andrea: Starkult als Propagandamittel.). [Zur Gleichstellung des Filmbetriebs ab 1933 siehe „Lichtspieltheater im dritten Reich“ und „Propaganda im Film des Dritten Reichs“] In dem Standardwerk „Nationalsozialistische Filmpolitik“ von Gerd Albrecht aus dem Jahr 1969 nimmt dieser noch eine Trennung zwischen politischen und unpolitischen Filmen vor. Stephen Lowry und Dora Traudisch sind Gegenbeispiele aus den 90er Jahren, die vom Einfluß der Politik auch im Unterhaltungsfilm ausgehen.
In der Aussage Adolf Hitlers die Masse sei ein Weib, „dessen seelisches Empfinden weniger durch Gründe abstrakter Vernunft bestimmt wird, als durch solche einer undefinierbaren, gefühlsmäßigen Sehnsucht nach ergänzender Kraft“ (Hitler, Adolf: Mein Kampf. Zitiert nach Albrecht) wird die Annahme des „unpolitischen Frauenfilms“ widerlegt. Keinesfalls ist eine Sache deshalb „unpolitisch“, weil sie „für Frauen“ gemacht wurde. Sie erscheint als „unpolitisch“, und zwar weil die Emotion – das „weibliche“ Fühlen, der Affekt, der Trieb, das Mitleid – das Gegenstück zum „männlichen“ Verstand bildet und diesen somit ausschließt. Das Volk selbst ist „das Weib“, das Hitler verführen will. Gemäß Goebbels‘ Lieblingssprichwort „Man merkt die Absicht und ist verstimmt“ (siehe Albrecht), jedoch so, dass die Wirkungsabsicht der Propaganda nicht erkannt wird. So sprach sich Goebbels schon 1933 dagegen aus, „daß unsere SA-Männer durch den Film oder über die Bühne marschieren. Sie sollen über die Straße marschieren.“ (siehe Albrecht)
Im nationalsozialistischen Unterhaltungsfilm spielt daher meist die Liebe und deren Verwicklungen die größte Rolle. Kein Hackenknallen, kein Hitlergruß. Über diese Filmstraßen gehen meist Paare ins Standesamt, d.h. ob es „Die große Liebe“, „Wenn wir alle Engel wären“, „Immensee“, „Opfergang“ oder „Die goldene Stadt“ ist: die Ehe ist stets das ersehnte, erreichte oder verfehlte Ziel und das Ende des Films. Das Geschlechterverhältnis bildet meiner Meinung nach einen zentralen Punkt der Ideologie des Dritten Reichs. Da der Nationalsozialismus sich auf eine extreme „Rassenpolitik“ stützte, von der Verfassung des Charakters auf „Rasse“ oder/und Geschlecht Rückschlüsse zog, mußte er, um die Basis des neuen deutschen und vor allem „arischen“ Volkes zu bilden, seine völkischen Vorstellungen auch immer wieder neu konstruieren. Das Geschlechterverhältnis wurde dabei als naturgegeben angenommen und eignete – und eignet sich auch heute noch – als Träger von ewigen Normen und Werten.
Diese enge Verknüpfung von Werten, Idealen und dem Geschlechterverhältnis ist durchaus nicht nur NS-spezifisch. Auch nach der sogenannten „Stunde Null“ konnten so Filme aus der Zeit des NS rezipiert werden, da die Werte an den Normenkatalog des Geschlechterverhältnisses gebunden waren und so oft gar nicht als nationalsozialistische erkannt wurden. Mit diesen Festschreibungen wurden und werden im Film Ideologien verhandelt und ausgetragen, die sich in ihrer Gesamtheit über die Analyse des Geschlechterverhältnisses nach und nach entschlüsseln lassen. Progressiv erscheinende Ansätze dienen einer Stabilisierung bei gleichzeitiger Modernisierung des Geschlechterverhältnisses ebenso, wie einem Ausgleich der Widersprüche zwischen Ideal und Realität des Nationalsozialismus.
Das Melodrama spielt hier insofern eine wichtige Rolle, als es eine „Verinnerlichung und Personalisierung von primär ideologischen Konflikten“ vollzieht (siehe Cargnelli). Das Zentrum des Melodramas bildet die Familie. „Gut“ und „Böse“ werden hier von Personen, meist als Konflikte innerhalb der Familie, dargestellt. Diese Vereinfachung der Konflikte wurde schon von Adolf Hitler eingefordert: „…der Film bringt in der Gegenüberstellung von Gut und Böse die Konflikte des Lebens künstlerisch zur Darstellung“ (siehe Albrecht). Das Mißtrauen gegenüber Intellektuellen und abstrakter Gesellschaftstheorie führte dazu, den Konflikt in die Familie und damit auf eine „private“ Ebene zu verlagern. Das Potential der Ausgleichung, die Wiederherstellung des Urzustandes (das Melodrama endet, wie es begonnen hat), das Ausgleichen von Widersprüchen ist auch den Nazis bewußt gewesen. Die große Welt des Pathos in der kleinen Welt der Familie läßt keine Rückschlüsse auf gesellschaftlich veränderbare Möglichkeiten zu.
„Die goldene Stadt“ – „Ein Großerfolg des deutschen Films“ (Titelblatt des Film-Kuriers, 4. September 1942. Nr. 207, Seite 1.)
Der Film „Die goldenen Stadt“ wurde als zweiter deutscher Farbfilm begeistert gefeiert. Kristina Söderbaum erhielt als beste Schauspielerin den Volpi-Pokal. Der Film wurde mit dem Prädikat „künstlerisch besonders wertvoll“ ausgezeichnet. Veit Harlan (Regie), Kristina Söderbaum (sie spielt die weibliche Hauptfigur) und Eugen Klöpfler, der wiederholt ihren Vater spielte, hatten in gleicher Konstellation zuvor schon Erfolge mit „Jud Süß“ verbucht. Auch nach dem Krieg war „Die goldene Stadt“ laut Lowry (siehe Lowry: Pathos und Politik) überdurchschnittlich populär. Er wurde jedoch zunächst – wie alle anderen Harlan-Filme – von den Alliierten verboten. Aber schon 1954 kam es zur Wiederaufführung. Der Inhalt des Films wird in der bereits oben zitierten Ausgabe des Film-Kuriers wie folgt wiedergegeben:
„Ein junges Mädchen geht nach Prag, weil sie die Sehnsucht nach der „goldenen Stadt“ als unliebsames Erbteil ihrer Mutter übermächtig spürt. Die Stadt zerstört ihr junges Leben. Sie sucht, von ihrem Vater verstoßen, an der gleichen Stelle im Moor den Tod, an der man der Mutter einen Denkstein gesetzt hat.“
Der Grund für ihren Tod ist ihre Schwangerschaft: sie spürt ihre Zugehörigkeit zu ihrem Kind, wohingegen das ungeborene Kind zu niemandem außer ihr gehört. Das „Erbteil“ der Mutter steht im Vordergrund. In diesem Zusammenhang ist es von Wichtigkeit zu bemerken, dass der Schluss des Films von Goebbels geändert wurde. In der ersten Fassung findet ihr Verlobter Anna im Dorf, während alle anderen sie im Moor vermuten und dort suchen. Anna aber gibt ihm zu verstehen, dass sie schwanger ist und nicht vorhabe, sich das Leben zu nehmen. Annas Vater stirbt, Anna heiratet.
Gerade dieses ungeborene Kind veranlaßte Goebbels, Harlan zu sich zu zitieren, um den schon gedrehten Schluß abzuändern. Es könne nicht sein, dass ein „Bauernhürchen“ nun ein „Tschechenbalg“ in die Welt setze, das womöglich noch den Hof erben würde, so beschreibt Harlan Goebbels‘ Wortwahl in seinem Buch „Im Schatten meiner Filme.“ Obwohl zusätzliche Dreharbeiten mit hohen Kosten verbunden waren – 180 000 RM kostete das neue Ende – wurde der Schluss geändert. An dieser von Goebbels bevölkerungspolitisch begründeten Maßnahme erkennt man eindeutig die nationalsozialistische Wirkungsabsicht des Films. Die gleichgeschaltete Presse rückte bei den Besprechungen des Films das „Erbgut“ der Mutter in den Vordergrund, um das Schicksal der Bauerntochter als tragisch, weil ausweglos und unschuldig zeigen zu können. Die gesellschaftlichen Verhältnisse werden so schon im Vorfeld ausgeblendet. Ihr Tod ist Reinigung und Strafe von ihrer Mutter, so dass der erzieherische Moment des Identifizierens und Mitleidens eintreten kann, da es immer noch einen „positiven Schluss“ gibt: den Selbstmord, der sie und ihre Mutter in „reinem“ Licht erscheinen läßt: „Im übrigen ist die Inhaltsmöglichkeit des „happy ends“ vielfältiger als man denkt; es kann beispielsweise in dem Kuß eines Liebespaares bestehen oder im Tod der „Annelie“, die sich mit ihrem Mann wiedervereint, auf der anderen Seite aber auch im Aufhängen des „Jud Süß“ u.a.m.“ (Dr. Fritz Hippler: Betrachtungen zum Filmschaffen, Berlin 1942, S.102-107. In: Albrecht).
„Das Volk ist die große deutsche Familie.“
Gemäß der (nicht nur) nationalsozialistischen Auffassung des Geschlechterverhältnisses, in der „die Frau“, „die Mutter“ „der Lebensquell des Volkes“ ist, gruppiert sich die Filmhandlung der „goldenen Stadt“ um die verstorbene Frau und Mutter Maria Jobst. Die Erde, der Mutterleib ist gemäß matriarchaler Vorstellungen nach Bachofen – ein auch in der NS-Zeit gern zitierter Matriarchatsforscher – zugleich Grab und Wiege der Menschen. Dies korrespondiert mit der ideologischen Überhöhung des Bauerntums in der NS-Zeit: Grab und Wiege sind hier das „Stirb und werde“, das Aufgehen in der Tradition, in der Generation, d. h. in der Sippe. Dem Inzest kommt hier eine besondere Bedeutung zu, der in der „goldenen Stadt“ sowohl positiv (symbolisch), als auch negativ (real) benutzt wird. Bei der Betrachtung des Inzests ist folgendes für die Zeit des NS von Wichtigkeit: Die Nazis definierten mit den Nürnberger Rassegesetzen den Begriff der Blutschande komplett um: Bedeutete „Blutschande“ bis dahin den sexuellen Verkehr (bzw. Fortpflanzung) mit Blutsverwandten, stand er jetzt für die Zersetzung, Zerstörung des „reinen“ / „arischen“ Blutes durch Verkehr mit dem „fremden“, nicht blutsverwandten Menschen. Eine solche Umwertung konnte sich auf Gedankengebäude aus dem um die Jahrhundertwende einsetzenden Diskurs in den Naturwissenschaften stützen (siehe zahlreiche Beiträge im „Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie. Hrsg. Dr. med. A. Ploetz. Leipzig und Berlin.“). Inzucht als Wiederauffrischung der „guten Rasseneigenschaften“ war in diesen Kreisen Konsens. Die Blutsverwandtschaft der Eheleute galt schon damals als „rasseveredelnd“. Dieser Thematik hat sich Veit Harlan in der reinen Liebe in „Opfergang“ angenommen.
Wagner hatte in seinem Nibelungenzyklus diese Form der „reinen Rasse“ in der Zeugung Siegfrieds durch ein Geschwisterpaar publikumswirksam einer breiten Masse zugänglich gemacht. In der „goldenen Stadt“ wird anhand von zwei handlungstragenden Inzesten deutlich, dass der Film diese „Rassegedanken“ vorführt. In der Vereinigung Annas mit der Mutter auf dem Acker, der zuvor unkultiviertes Land, Moor, war, in dem beide den Tod suchten, ist der Inzest Annas mit ihrem Vater enthalten. Dieser wird durch vielfältige Symboliken im Film dargestellt: sei es im Kuss des Vaters auf den Mund der Tochter oder im schwungvollen Tragens seiner in Weiß gekleideten Tochter über die Schwelle. Real vollzieht sie den Inzest mit ihrem in der Stadt lebenden Cousin Toni, der aus der Familie ihrer Mutter stammt. Die aus dieser Verbindung hervorgehende Schwangerschaft ist der Grund für Annas Selbstmord. Anna, die den Hofknecht heiraten soll, der vom Vater wie ein Sohn behandelt wird und der zu guter Letzt auch den Hof erhält, durchlebt noch einmal das Leben ihrer Mutter. „Männlichkeit“ wird durch ihr Leben und Sterben bestätigt und „Weiblichkeit“ schlußendlich vollständig negiert. Das inzestuöse Verhältnis zu ihrem Vater wird als positiv, weil „feindabweisend“ bewertet, wohingegen ihr Verhältnis zu Toni – ihrem Cousin – als degenerativ, negativ bewertet wird. Annas Weg von ihrer Mutter zu ihrer Mutter bezieht sich auf ähnliche Vorstellungen wie die der großen Erdmutter. Die Symbolik des Moors als zu kultivierender Natur spielt dabei eine große Rolle. Am Ende ihres Leides und des Films steht das Bild des zu Ackerland gewandelten Sumpfes. In ihm steht der Gedenkstein für Anna Jobst und ihre Mutter.
„Das Blut der Mutter… wirkt auch in der Tochter allzu stark.“ (Film-Kurier. 25. November 1942, Nr.277)
„Die goldene Stadt“ bildet ein Beispiel für den antinatalistischen Aspekt des Dritten Reiches. Obwohl die Nationalsozialisten die Werte der Mutterschaft für die Frau in den Mittelpunkt stellten, zeigt der Film die Tötung des Fötus durch Selbstmord als positiv. Das Kind, deren Eltern Anna und ihr intriganter Cousin wären, würde die „schlechten“ Eigenschaften beider, die diese wiederum von ihren Eltern erbten, weitertragen. Wie an der Figur Anna gezeigt wird, konnte schon sie sich nicht gegen das ihr durch das Blut der Mutter auferlegte Schicksal wehren, obwohl sie doch noch einen guten Erbteil – den ihres Vaters nämlich – ihr eigen nennen konnte. Einzig im Tod lag ihre Befreiung.
Dies scheint ein Widerspruch zu Aussprüchen und Forderungen Hitlers wie folgendem zu sein: „Das Ziel der weiblichen Erziehung hat unverrückbar die kommende Mutterschaft zu sein.“ (zitiert nach Starkult S. 122). Jedoch wird der Unterschied zwischen „arischen“ und „nicht-arischen“ Frauen dabei außer Acht gelassen. Spätestens mit den Nürnberger Rassegesetzen war klar, dass eine positive Mutterschaft an Bedingungen geknüpft war. Dabei wurden religiöse und rassistisch/nationalsozialistische Elemente vermengt: „Heilig ist jede Mutter guten Blutes.“ und: „Die deutsche Nation bleibt ewig, wenn die deutsche Mutter ihre Sendung in ihren Kindern erfüllt.“ (beides siehe Poley)
Konsequenterweise stand deshalb Abtreibung bei „arischen“ Frauen ab 1942 unter Todesstrafe. An „rassisch Minderwertigen“ – wie nach NS-Definition beispielsweise Sinti und Roma – wurden hingegen Zwangssterilisationen durchgeführt. In „Die goldene Stadt“ wird die Reinerhaltung des Blutes mit der Erkenntnis und Einsicht in die patriarchale Ordnung verbunden. Neben der „Blutideologie“ des Dritten Reiches behandelt der Film auch die Domestizierung der Frau, d.h. das erzieherische Potential der Selbstdomestizierung. Die Bedeutung des Blutes und die daraus resultierende Unabwendbarkeit des Schicksals steht zwar im Vordergrund, jedoch zeigt der Film auch eine Warnung vor den Freiheitsforderungen „der Frau“. Letztendlich ist Anna auch deshalb eine positive Figur, weil sie ein Einsehen in die patriarchale Ordnung hat. Da sich „die Frau“ nach Bachofen dem ersten Besten hingibt, weil sie „dem Erdstoff gleicht, der sich nach immer erneuter Befruchtung sehnt“, muss ausgeschlossen werden, dass sie sich mit dem „Falschen“/dem „Fremden“ verbindet. Das Volk beruht auf „der Frau“, die Reinheit des Volkes auf dem selbstbeherrschten Umgang mit Sexualität, wenn der Schutz durch die Männer nicht gewährleistet ist.
Vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges ist der Schutz des eigenen „Mutterwertes“ von größter Wichtigkeit. Letztendlich haben Anna und ihre Mutter bewiesen, dass sie sich selbst bezähmen konnten. Beider Selbstmorde zeigen die Unerbittlichkeit und Verinnerlichung des Patriarchats, unter dessen Herrschaft sie stehen. Annas Tod ist eine Wunscherfüllung, er ist eine männliche Projektion, die durch den Kitsch der Fackel, die Musik und die märtyrerhafte Übersteigerung der Hinnahme ihres Schicksals, ohne Rebellion gegenüber ihrem Ende, eine maßlose Frauenfeindlichkeit darstellt – über die jedoch auch und gerade Frauen weinen können. Das Geschlechterverhältnis in „Die goldene Stadt“ dient der Stabilisierung einer Gemeinschaft, die sich gegen Feinde verteidigen kann, Habsucht und Machtgier ausgrenzt, ohne die Machtverhältnisse innerhalb der Gemeinschaft in Frage zu stellen. Die enge Bindung der einzelnen Figuren an einen Mann oder eine Frau zeigt die Abhängigkeiten und Macht des „Teile und Herrsche“ des Geschlechterverhältnisses überdeutlich. Indem Anna am Ende allen vergibt und „die Schuld“ auf sich nimmt, wird hier die christliche Vorstellung des Erlösers, der für uns gestorben ist, auf eine Frau übertragen, die durch ihren Tod das Blut ihrer Gemeinschaft „rein“ hält und ihren Vater erlöst. Wir hören Annas Stimme aus dem „Off“: „Vater, vergib mir, dass ich die Heimat nicht so liebte wie du.“ Der Vater ist hier religiös überhöht. Das Kind hat keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Herrschaft (den Regeln) des Vaters. Gründete der „Heiland“ mit seinem Tod eine neue Religion, so wurde dies Transzendente von den Nationalsozialisten in Blut und Heimat, das heißt rein Irdisches übertragen. Die Säkularisierung des Christentums hatte bereits früher begonnen. Der NS vollzog hier – paradoxerweise – die Annäherung an das Judentum, indem er die Deutschen an die Stelle des auserwählten Volkes setzte.
Die Vorstellung des weiblichen Opfertodes für einen (männlichen) anderen hatte bereits zu dieser Zeit eine lange Tradition, zeigt jedoch noch einmal eindringlich die Säkularisierung des Christentums und den Eingang religiös, mystischer Vorstellungen in die Ideologie des Nationalsozialismus, der vor allem Frauen eine „starke“ Position versprach. Dies mag ein Grund für die Rezeptionsfähigkeit dieses Films nach 1945 gewesen sein. Die Verlagerung der NS-Ideologie in das Geschlechterverhältnis macht es erforderlich, der Rolle der Frau im Dritten Reich besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Inzestmythos, Selbst- und Fremddomestizierung und Erlöserrolle der Frau sind die Faktoren, die „Die goldene Stadt“ zu einem nationalsozialistischen Film machen.
Autorin: Konstanze Hanitzsch
Film
Die goldene Stadt, 1942. DVD Version 2002.
Literatur
Albrecht, Gerd: Nationalsozialistische Filmpolitik. Eine soziologische Untersuchung über die Spielfilme des Dritten Reichs. Ferdinand Enke Verlag Stuttgart, 1969.
Bechdolf, Ute: Wunsch-Bilder? Frauen im nationalsozialistischen Unterhaltungsfilm. Tübinger Vereinigung für Volkskunde E.V. Schloss, Tübingen, 1992.
Cargnelli, Christian/Palm, Michael [Hrsg.]: Und immer wieder geht die Sonne auf. Texte zum melodramatischen im Film. PVS Verleger, Wien, 1994.
Kanzog, Klaus: >>Staatspolitisch besonders wertvoll< . Diskurs Film Verlag, München, 1994.
Lowry, Stephen: Pathos und Politik. Ideologie in Spielfilmen des Nationalsozialismus. Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen, 1991.
Poley, Stefanie [Hrsg.]: Rollenbilder im Nationalsozialismus – Umgang mit dem Erbe. Verlag Karl Heinrich Bock, Bad Honnef, 1991.
Traudisch, Dora: Mutterschaft mit Zuckerguß? Frauenfeindliche Propaganda im NS-Spielfilm. Centaurus-Verlagsgesellschaft, Pfaffenweiler, 1993.
Winkel-Mayerhöfer, Andrea: Starkult als Propagandamittel. Studien zum Unterhaltungsfilm im Dritten Reich. Ölschläger, München, 1992.