Emigration während des Dritten Reiches
Die praktische Umsetzung der NS-Ideologie, die direkt nach der Machtergreifung Hitlers 1933 einsetzte, veranlasste viele im Deutschen Reich lebende Personen dazu, Deutschland zu verlassen, um ihrem Alltag und v.a. ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Restriktionen nachgehen zu können. Das traf im besonderen Maße für Politiker, Wissenschaftler, Kulturschaffende und Bürger jüdischen Glaubens zu. Dabei gab es für die Flucht zwei maßgeblich Motive, nämlich Flucht und Protest. War das erstgenannte bereits in der Frühzeit des „Dritten Reiches“ für Politiker der maßgebliche Beweggrund – viele von ihnen, v.a. Kommunisten, standen auf der Liste zu liquidierender Personen der NSDAP -, so stand für Emigranten aus dem kulturellen Bereich der Protest gegen das Regime im Vordergrund. Das gilt auch für jüdische Literaten, Publizisten, Musiker und Schauspieler, die sich als Teil einer kulturellen Elite sahen. Sie flohen nicht als Juden sondern als „Kulturaristokraten“ (Sebastian Haffner). Die Emigranten aus dem literarischen Bereich und den angrenzenden Gebieten des Journalismus, des Theaters und des Films waren unter den Flüchtlingen am stärksten vertreten. Darum ist der Verlust für das Deutsche Reich für diesen Bereich auch am höchsten zu bewerten. In den gewählten Exilländern erwarteten die Emigranten schwierige Bedingungen. Wurden Wissenschaftler noch relativ offenherzig empfangen (v.a. Atomphysiker !!!), hatten Publizisten ein für ihre Tätigkeit schwieriges Problem: die fremde Sprache. Alle Emigranten fanden eine eher ablehnende Haltung der einheimischen Bevölkerung vor, die ihre Gründe in der globalen wirtschaftlichen Krise, in der Fremdenangst und – was jüdische Flüchtlinge betrifft – in antisemitischen Tendenzen hatte. Ein unter Emigranten verbreiterter Witz macht das mit zunehmender Dauer der nationalsozialistischen Herrschaft größer werdende Dilemma des zu wählenden Exillandes deutlich: Ein Mann sucht auf dem Globus ein für die Emigration in Betracht kommendes Land und fragt danach: „Haben Sie noch einen anderen Globus?“ Wirkungsgeschichtlich betrachtet kann man eher von einzelnen deutschen Emigranten als von der deutschen Emigration sprechen. Ihre Wirkung erstreckt sich dabei eher auf den geistesgeschichtlichen Bereich. Zu nennen wären hier die Atomwissenschaftler, die durch ihre Tätigkeit für die USA die politische Entwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mitprägten, sowie die Soziologen der Frankfurter Schule und Psychoanalytiker. Politisch konnten die Emigranten keine große Wirkung entfalten, zumal besonders die Kommunisten in der Sowjetunion vereinnahmt oder verfolgt wurden. Trotzdem kam es nach Ende des Zweiten Weltkriegs seitens der „Daheimgebliebenen“ zu dem Vorwurf der Feigheit an die Emigranten und zur Forderung, sie hätten das Regime im Inland bekämpfen sollen. Dem sei die Frage entgegengestellt, in wieweit das in einem totalitären Staat möglich gewesen wäre und ob sich in der „inneren Emigration“ befindende Politiker, Wissenschaftler und Publizisten gegen die Aufwartungen der Nationalsozialisten hätten wehren können. Heinrich Mann charakterisierte die Emigrierten als „Stimme ihres stumm gewordenen Volkes“. Die ins Exil gegangenen deutschen Schriftsteller und Publizisten hatten v.a. mit der Sicherung ihrer Existenz und der ihrer Familien zu kämpfen. Als fundamentale Bedingung für ihre Tätigkeit im Ausland muss das Vorhandensein von Verlagen und Zeitschriften betrachtet werden. Die Möglichkeit bei Publikationen des Exillandes aktiv zu werden, bot sich in eher geringem Maße, was auf die bereits erwähnten Sprachbarrieren, die mangelnde Bereitschaft der ausländischen Verlagsleiter und Redakteure zur Einstellung von ausländischen Flüchtlingen sowie auf die Asylpolitik des jeweiligen Exillandes zurückzuführen ist. Darum ermöglichte die große Bandbreite von ca. 430 Exilpublikationen auf der einen Seite eine gewisse finanzielle Absicherung und auf der anderen Seite die Möglichkeit zur Kommunikation innerhalb des weit verstreuten deutschen Exils. Deshalb genehmigt die Exilpresse auch einen Einblick in die Lebenssituation der Emigranten, die sich nicht publizistisch betätigten. Aufgrund der großen Anzahl der Zeitungen und Zeitschriften sowie der Zersplitterung des deutschen Exils erscheint eine Systematisierung schwierig. Darum soll an dieser Stelle zunächst ein inhaltlich basierter Überblick gegeben werden, dem ein geographischer folgen soll.
Zur inhaltlichen und politischen Verortung der deutschen Exilpresse
Zeitschriften der politischen Emigration
Zunächst sollen Zeitschriften der politischen Emigration Erwähnung finden, zu den die Publikation der Exilorganisationen der deutschen Parteien zu zählen sind. Während der Dauer des nationalsozialistischen Regimes befanden sich ca. 30 bis 35.000 politische Flüchtlinge im Exil, von denen die Sozialdemokraten den größten Teil stellten. Der Vorstand der Sopade verstand sich als alleinige Sprecherin der sozialdemokratischen Partei, was insbesondere von sozialistischen Gruppen abgelehnt wurde. Triebfedern der sozialdemokratisch orientierten Exilpublikationen waren die Informationsverbreitung ins Deutsche Reich und ins Ausland sowie die Nutzung der Zeitungserzeugnisse als Kommunikationsmittel zur Aufrechterhaltung der Parteistruktur. Dafür sorgen insgesamt 51 von der Sopade oder ihr nahe stehende Gruppen herausgegebene Organe (u.a. „Neuer Vorwärts“, „Sozialistische Aktion“ und „Deutschland-Berichte der Sopade“). Auch die sozialistischen Gruppen wie Neu Beginnen (NB) oder die Sozialistische Partei Deutschlands (SAP) gaben in der Emigration Publikationen heraus. Sie befanden sich in mehr oder weniger starker Abgrenzung von der SPD bzw. Sopade. So ist anzumerken, dass NB in wie auch immer intendierter Anlehnung an die oben erwähnte Sopade-Zeitschrift in Prag die „Berichte über die Lage in Deutschland“ veröffentlichte. Die von der SAP herausgebrachte Zeitschrift „Neue Front“ diente als Kontakt- und theoretisches Organ der SAP-Mitglieder in Deutschland und im Ausland, während die „Marxistische Tribüne“ durch die Bereitstellung theoretischen Materials die Meinungsbildung der Parteimitglieder unterstützen sollte. Willy Brandt schrieb übrigens für beide Zeitschriften. Die 73 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zuzurechnenden Exilzeitschriften dienten wie bei anderen politischen Gruppierungen vornehmlich Kommunikations- und Propagandazwecken. Außerdem sollten sie natürlich die politische Haltung der KPD verbreiten. Zu nennen wären hier das Zentralorgan „Die rote Fahne“ sowie „Die Internationale“ und für die ab 1929 bestehende KPD-Opposition die Zeitschrift „Gegen den Strom“. Im national-konservativen Bereich bestand eine nur kleine Gruppe von Emigranten, was darauf zurückzuführen ist, dass sich die meisten Konservativen zum Regime bekannten oder zumindest seine Kontrollierbarkeit voraussetzten. Ins Exil gegangene Nationalkonservative traten daher auch eher als Einzelpersonen auf. Prominenter Vertreter des konservativen Exils war Otto Strasser, der sich mit Hitler überworfen hatte. Die mehrheitlich bürgerliche Freiheitliche Partei, die auch Kontakte zur Widerstandsbewegung im Deutschen Reich hielt, kann man als einzige wirkliche konservative Exilgruppe bezeichnen. Trotz der geringen Größe der genannten Exilgruppe wurden 28 Zeitschriften publiziert, u.a. das Organ von Strassers Schwarzer Front, „Die Deutsche Revolution“ und die von Hans Ebeling und Theo Hespers herausgegebene „Kameradschaft Schriften junger Deutscher“. Zu erwähnen sind auch noch die sechs Exilblätter anarcho-syndikalistischer Gruppen sowie 28 Publikationen der deutschen Gewerkschaften, letztgenannte hatten darüber hinaus noch die Gelegenheit in den Organen der ausländischen Gewerkschaftsorganisationen zu publizieren.
Politisch-kulturelle Zeitschriften
Die politisch-kulturellen Zeitungen und Zeitschriften repräsentierten im Gegensatz zur politischen Exilpresse die parteiunabhängigen übergeordneten politischen Grundhaltungen. Daher kann man bei diesen Publikationen von einem breitgefächerten Spektrum sprechen, dessen Antagonismen zunächst durch die Volksfrontbewegung übertüncht werden konnte. Das Spektrum reichte von „Der Aufruf“ der Liga für Menschenrechte über die Zeitschrift „Das wahre Deutschland“ der Deutschen Freiheitspartei bis hin zu kommunistisch orientierten Publikation sowie im Deutschen Reich verbotenen Tageszeitungen, die teils unter anderem Namen im Exil weitergeführt wurden. Einflussreiche Presseerzeugnisse in dieser Kategorie waren „Das Neue Tage-Buch“ (als unabhängig definiert), „Die Neue Weltbühne“ (zunächst unabhängig, dann mit KPD-Orientierung), die „Pariser Tageszeitung“ und „Pariser Tageblatt“ (beide unabhängig-demokratisches Selbstverständnis). Alle politisch-kulturellen Zeitschriften und Zeitungen waren maßgeblich durch die politische Einstellung ihrer Herausgeber bestimmt. Trotzdem weichen die in den Artikeln einer Zeitschrift zu Tage tretenden Meinungen oft von der redaktionellen Vorgabe ab. Als Mitarbeiter bei den gerade beschriebenen Zeitungen und Zeitschriften wirkten u.a. Heinrich und Thomas Mann, Johannes R. Becher und Robert Leonhard.
Kulturell-literarische Zeitschriften
Zu den kulturell-literarische Zeitschriften kann man insgesamt 27 Exilpublikationen zählen. Die Titel „Welt im Wort“, „Maß und Wert“ (Herausgeber: Thomas Mann und Konrad Falke), „Sammlung“ (Herausgeber: Klaus Mann) sowie „Neue deutsche Blätter“ – letzterer stand für das im Exil entstandene Genre der „Volksfrontzeitschriften“ – sollen hier exemplarisch erwähnt werden. Es gab allerdings nur wenige, die ausschließlich Themen aus Kunst und Literatur aufgriffen. Der Unterschied zu den kulturell-politischen Zeitschriften liegt in dem essayistischen Stil der veröffentlichten Artikel, was auch darin begründet liegen kann, dass in dieser Sparte viele Schriftsteller als Autoren fungierten. Das waren u.a. Walter Benjamin, Franz Kafka, Arnold Zweig und Lion Feuchtwanger.
Weitere Zeitschriften
Darüber hinaus wurden auch Zeitschriften von der kirchlichen Opposition im Ausland und wissenschaftliche Zeitschriften von den 3120 im Exil lebenden deutschen Wissenschaftlern veröffentlicht.
Zu den Bedingungen für Emigranten und den Charakteristika der deutschen Exilpresse in den Exilländern
Die Gründe zur Wahl eines bestimmten Exillandes waren vielfältig. Freundschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen, Publikationsmöglichkeiten, politisches Klima und die Nähe zu Deutschland sind sicherlich die wichtigsten. Darum waren Österreich, die Schweiz, Skandinavien, Frankreich und die Tschechoslowakei ab 1933 beliebte Ziele. Prag, Paris und Amsterdam entwickelten sich vor 1938 zu Exilzentren. Spätestens mit Beginn des Zweiten Weltkrieges fielen die meisten europäischen Optionen weg und v.a. die USA wurde zum Ziel vieler Emigranten. Im Anschluss sollen die Bedingungen für Emigranten und die Exilpresse exemplarisch am Beispiel der Schweiz, Frankreichs, Skandinaviens und der USA dargestellt werden.
Übersicht über Exilpublikationen in verschiedenen Exilländern
Schweiz
Die Schweizer Regierung übte eine restriktive Flüchtlingspolitik aus. So wurden Emigranten staatlich überwacht und mit einem Berufsverbot belegt. Ab 1940 wurden Flüchtlinge in Arbeitslagern interniert. Hintergründe waren dabei die Befürchtungen vor einer durch die Emigranten verursachten weiteren wirtschaftlichen Rezession sowie die Angst vor „Überfremdung“ im Allgemeinen und „Überjudung“ im Besonderen. Außerdem wurde die restriktive Asylpolitik mit dem Verweis auf die traditionelle Schweizer Neutralität begründet. Die Zahl der Emigranten ist für die Schweiz zumindest für die Zeit bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges gut belegt. So befanden sich im Herbst 1933 ca. 2000 deutsche Emigranten in der Schweiz. Diese Zahl vergrößerte sich bis 1938 v.a. durch den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich auf ca. 12.000. Mit Beginn des Krieges ersuchten viele Flüchtlinge die Schweizer Behörden um die Erlaubnis zur Weiterreise, sodass sich im Herbst 1939 noch 5000 deutsche und österreichische Flüchtlinge auf Schweizer Territorium aufhielten. Durch das Berufsverbot, das natürlich auch für Publizisten galt, erschien in der Schweiz nur die relativ geringe Zahl von zur Exilpresse zu zählenden 31 Titeln. Darüber hinaus gab es aber auch für wenige Privilegierte die Möglichkeit, bei insgesamt 52 Schweizer Publikationen mitzuwirken. Gerade in sozialdemokratisch regierten Kantonen wurde das Berufsverbot in diesen Fällen nicht so streng gehandhabt. Die publizistische Tätigkeit, auch die illegale, konzentrierte sich auf grenznahe Städte wie Basel, Zürich oder St. Gallen. Aber auch in der übrigen, v.a. der deutschsprachigen Schweiz, erschienen deutsche Emigrantenzeitschriften.
Frankreich
Der größte Anteil der in Frankreich erscheinenden Exilperiodika wurde in Paris herausgegeben. Die Masse an Publikationen liegt zum einen in der politischen Heterogenität der Flüchtlinge und zum anderen in der französischen Gesetzgebung begründet. Diese verbot zwar grundsätzlich die ausländische Lohnarbeit, was sich aber nicht auf die intellektuelle Arbeit von Journalisten und Publizisten erstreckte. Diese eher entgegenkommende Behandlung von anerkannten Asylanten stand im Gegensatz zur restriktiven Handhabung der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen. Nach den Attentaten auf den jugoslawischen König Alexander und den französischen Außenminister Jean Louis Barthou verschärfte sich die französische Fremdengesetzgebung. Viele Emigranten wurden verhaftet und ausgewiesen. Während der zweijährigen Regierungszeit der Volksfront erhielten die deutschen Emigranten einen Fremdenpass, ohne dass sie einen Nachweis über die legale Einreise erbringen mussten. Nach dem Ende der Volksfrontregierungen kam es zu einer erneuten Verschärfung der französischen Asylpolitik, die zu einer Ausklammerung der Flüchtlinge vom rechtlichen Kanon der französischen Bürger und zudem zu einer sozialen Trennung führte. Darüber hinaus entfaltete sich in der französischen Presse ab 1938 eine Kampagne gegen deutsche Flüchtlinge, die während des so genannten deutsch-französischen Scheinkrieges mehr gegen die Emigranten als das nationalsozialistische Regime hetzte. In der Beurteilung der Wirkung der deutschen Exilpresse auf die französische Bevölkerung sind sich die damals wirkenden Publizisten einig. Die Franzosen hätten kein Verständnis für die Einschätzung der Nationalsozialisten durch die antifaschistischen Emigranten gehabt und sich im Allgemeinen für die politische Entwicklung im Deutschen Reich, dem Hauptthema der deutschen Emigrantenpresse, nicht interessiert.
Skandinavien
Schweden war bereits vor 1940 das Zentrum der deutschen Emigration in Skandinavien. Nach 1940 boten sich deutschen Exiljournalisten hier bessere Bedingungen als in Dänemark oder Norwegen, da es nicht am Krieg beteiligt war. Deutsche Emigranten hatten die Möglichkeit für deutsche Exilpublikationen zu schreiben oder sogar für schwedische Presserzeugnisse als Autor bzw. Korrespondent tätig zu werden. Allerdings muss auch festgehalten werden, dass es während des Krieges zur Internierung deutscher Emigranten kam, die erst nach der Schlacht um Stalingrad – also bei einer sich abzeichnenden deutschen Niederlage – aufgehoben wurde. Trotz des Aufenthalts Willy Brandts spielte Norwegen zahlenmäßig und – bezogen auf den publizistischen Bereich – qualitativ eine unbedeutende Rolle. Gleiches gilt für Dänemark. Das Nachbarland hatte zwar liberale Einwanderungsbestimmungen, galt aber als zu klein und militärisch schwach. Außerdem war die dänische Regierung darauf bedacht, sich gegenüber dem mächtigeren Nachbarn keinen Affront zu leisten, was zu einer strikten Überwachung besonders der kommunistischen Exilgruppe führte.
USA
Die amerikanische Presselandschaft der 1930er Jahre war durch eine Konsolidierung und Konzentration der Presseverlage im Zuge der Weltwirtschaftskrise gekennzeichnet. Allerdings waren Journalisten trotzdem von Arbeitslosigkeit bedroht, weswegen sie emigrierte Publizisten eher als Bedrohung empfanden. Außerdem hatte sich die gesamte Branche mit aus der Krise von 1929 erwachsenen neuen technologischen, juristischen und gewerkschaftlichen Fragen zu beschäftigen, sodass sie keine Veranlassung zu einer Öffnung zu den emigrierten Publizisten sah. Die Einsatzmöglichkeiten für deutsche Journalisten bestand eigentlich nur auf dem Papier: rechtlich gab es keine Berufsbeschränkungen. Falls sie für amerikanische Zeitschriften und Zeitungen tätig wurden, waren dies eher untypische – nämlich intellektuelle und liberale – amerikanische Presseerzeugnisse. Das eigentliche Berufsfeld für deutsche Journalisten waren in den USA erscheinende deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften, die sich aber zumeist der politischen Stellungnahme in Bezug auf die Nationalsozialisten enthielten. Insgesamt sind daher die beruflichen Möglichkeiten für emigrierte Publizisten in den USA als sehr begrenzt anzusehen. Nachweisbar ist eine Tätigkeit von 130 Journalisten und Publizisten, die in den USA tätig waren.
Die Reaktion der Nationalsozialisten
Die Emigrantenpresse bewirkte zwar nicht den Sturz des Regimes, dennoch traf sie mit ihren publizistischen Äußerungen die nationalsozialistische Führung ins Mark. Bereits am 2. März 1932 befasste sich das Reichskabinett mit den Äußerungen der Auslandspresse zur politischen Entwicklung in Deutschland. Im Folgenden wurden Gespräche mit den Vertretern der internationalen Presse und der Nachrichtenbüros geführt und am 4. März 1933 die Zeitschriften „Neue Weltbühne“ und „Das Tage-Buch“ verboten. Am 23. März 1933 wandten sich Hitler und Göring in Reichstagsreden gegen die ausländische Kritik. Am 27. März 1933 erörterten Hitler und Göring die „Abwehr der von jüdischen Kreisen in England und Amerika entfesselten Greuelpropaganda gegen das neue Deutschland“. Die „Nationalsozialistische Parteikorrespondenz“ rief zum Boykott jüdischer Geschäfte und zum „Abwehrkampf“ auf. Am 28. März 1933 rief die NSDAP zur Bildung von „Boykottkomitees“ auf. Damit hatte man den Gegner ausgemacht. Von diesem Moment an wurden fortlaufend die wahlweise als „bolschewistisch“ oder „plutokratisch“ bezeichneten „jüdischen Emigrantenzentralen im Ausland“ als Verantwortliche für die „Greuelhetze“ (Göring) gebrandmarkt. Flankiert wurden diese Maßnahmen durch das „Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“ mit dem zwischen dem 9. November 1918 und dem 30. Januar 1933 vorgenommene Einbürgerungen rückgängig gemacht werden konnten, wenn diese Einbürgerungen im nationalsozialistischen Sinn als nicht erwünscht angesehen wurden. Außerdem konnten auch im Auslande lebende Deutsche ausgebürgert werden, „sofern sie durch ein Verhalten, das gegen die Pflicht zu Treue gegen Reich und Volk verstößt, die deutschen Belange geschädigt haben.“ In der Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz vom 26. Juli 1933 wurde dieses Verhalten näher definiert. Ganz besonders lag dieses dann vor, „wenn ein Deutscher der feindseligen Propaganda gegen Deutschland Vorschub geleistet oder das deutsche Ansehen oder die Maßnahmen der nationalen Regierung herabzuwürdigen versucht hat.“ Zunächst sollte diese Möglichkeit der Ausbürgerung auf Prominente beschränkt sein. Dies kann allerdings nur bis 1936 gelten, da in den Jahren danach bis 1944 im Reichsanzeiger über 300 Listen mit über 10.000 Namen von Ausgebürgerten abgedruckt wurden. Festzuhalten ist dabei jedoch, dass es im letztgenannten Zeitraum nicht mehr um bekannte Persönlichkeiten ging, sondern um vor der Verfolgung ins Ausland geflohene Juden. Die zunächst im Reichsanzeiger veröffentlichten Ausbürgerungslisten, die mit zusätzlichen Begründungen und Kommentaren versehen waren, wurden auch in der Tagespresse veröffentlicht, um eine propagandistische Wirkung zu erzielen. Da diese aber erwiesenermaßen nicht eintraf wurde davon ab 1937 wieder Abstand genommen.
Autor: Guido Schorr
Literatur
Arendt, Hannah: Vor Antisemitismus ist man nur noch auf dem Monde sicher. Beiträge für die deutsch-jüdische Emigrantenzeitung ‚Aufbau‘ 1941-1945 (hrsg. von Marie L. Knott), München 2000
Hardt, Hanno/Hilscher, Elke/Lerg, Wilfried B. (Hg.): Presse im Exil – Beiträge zur Kommunikationsgeschichte des deutschen Exils 1933-1945 (=Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung Bd 30), München/New York/London/Paris 1979
Huß-Michel, Angela: Literarische und politische Zeitschriften des Exils 1933-1945 (= Sammlung Metzler Realien zur Literatur Bd 238), Stuttgart 1987
Maas, Lieselotte: Handbuch der deutschen Exilpresse 1933-1945, 4 Bde, Frankfurt 1976-1990, bes. Bd 4 Die Zeitungen des deutschen Exils in Europa von 1933 bis 1939 in Einzeldarstellungen.
Roussel, Hélène/Winckler, Lutz (Hg.): Deutsche Exilpresse und Frankreich 1933-1940, Bern 1992
Shedletzky, Ittla (Hg.) Deutsch-jüdische Exil- und Emigrationsliteratur im 20. Jahrhundert, Tübingen 1993