Wien im Ersten Weltkrieg
Krieg ist bedrohlich. Und seit dem Angriff der russischen Truppen auf die Ukraine ist diese Gefahr auch in Europa wieder gegenwärtig und verunsichert nicht nur Kinder und Jugendliche. Tagtäglich informieren vor allem die visuellen Medien mit Hilfe häufig drastischer Bilder über das unmittelbare Kriegsgeschehen in Gaza, in Kiew oder an anderen Orten der Welt. Deutlich seltener wird in den Medien – wie auch in Schulbüchern – dargestellt, wie Krieg das Leben der Zivilbevölkerung im Hinterland beeinflusst.
Hier setzt Kathrin Steinbergers Jugendroman Der Rosengarten an, in dem die Autorin das Alltagsleben in Wien in den Jahren 1916 bis 1918 zu schildern sucht. Im Mittelpunkt steht die anfangs 14-jährige Rosa, die nach dem Tod ihrer Eltern Hausmädchen bei der griesgrämigen Frau Gruber wird. Während der Mangel an Lebensmitteln und täglichen Gebrauchsgütern den Alltag der meisten Menschen bestimmt, hat Frau Gruber diese Probleme weniger. Bald erkennt Rosa, dass ihre Chefin Lebensmittel skrupellos auf dem Schwarzmarkt erwirbt und in einem Versteck hortet. Als Rosa in einem ungenutzten Nachbarhaus durch Zufall den jungen Deserteur Simon entdeckt, nutzt sie diese heimlichen Vorräte, um den Untergetauchten mit Lebensmitteln und anderen Alltagsgegenständen zu versorgen.
Ausführlich informiert der Roman über die Not der Zivilbevölkerung in den letzten beiden Kriegsjahren, thematisiert die Lebensmittelknappheit ebenso wie den Mangel an Brennstoffen, insbesondere Kohlen. Auch zeigt er, wie ausgeprägt damals die hierarchische Struktur der Gesellschaft war und wie Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in Teilen des Bürgertums Platz fanden. Schließlich vermittelt Der Rosengarten auch Einblicke in die Situation junger Frauen gegen Ende des Ersten Weltkriegs.
Literarisch ist Steinbergers Roman allerdings weniger überzeugend. Die sehr breit angelegte äußere Handlung dominiert, die innere Entwicklung der Protagonistin wird kaum geschildert. Ihre Bedenken und Ängste werden lediglich angedeutet. Rosa wie Simon bleiben uninteressant, berühren kaum. Hierzu trägt auch bei, dass Steinberger ihre Personen eindimensional anlegt, Spannung nicht entsteht und sich ein Happy End bereits mit dem ersten Auftauchen von Simon auch für ungeübte Leserinnen und Leser als unausweichlich abzeichnet.
Ein Glossar informiert zuverlässig über historische Hintergründe; zusätzlich hätte auch der eine oder andere nur in Österreich gebräuchliche Begriff erläutert werden mögen.
Autor: Tomas Unglaube
Kathrin Steinberger: Der Rosengarten. Rosa, der Krieg und das Niemandsland, Innsbruck: Tyrolia 2024, 288 S., ab 14 J.