Rezension über: |
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Hans Georg Hiller von Gaertringen (Hrsg.): Das Auge des Dritten Reiches. Hitlers Kameramann und Fotograf Walter Frentz. Mit Beiträgen von Katrin Blum [u. a.]. Deutscher Kunstverlag, München [u. a.] 2006, 256 Seiten, ISBN 3-422-06618-7, EUR 39,90. |
Das Dritte Reich war eine Mediendiktatur, und das in doppeltem Sinne: Eine Diktatur über die Medien, in der nur veröffentlicht werden konnte, was das NS-Regime wünschte. Vor allem aber waren es die Medien, insbesondere Film und Fotografie, mit denen sich die Diktatur der Bevölkerung präsentierte. Ohne diese Bilder wäre es dem NS-Regime niemals gelungen, eine derart hohe Zustimmung in der Bevölkerung zu bekommen, wie sie es zeitweise hatte.
Der für das Regime so wichtige Führermythos etwa ist vor allem ein durch Bilder erzeugter: Hitler wurde aus der Froschperspektive gefilmt und zum Übermenschen stilisiert – oder geschickt beleuchtet zur Lichtgestalt bei nächtlichen Aufmärschen inszeniert. Kriegswochenschauen, ohne die noch heute keine Dokumentation zum 2. Weltkrieg auskommt, wirken authentisch – und doch sind Ton, Bilder und Perspektiven genauestens arrangiert. Dabei waren die Propagandisten des Dritten Reiches darauf bedacht, die Inszenierung selbst zu verbergen.
Umso wertvoller für Historiker sind Bildzeugnisse, die Einblick in diese Inszenierung der Realität im Dritten Reich geben, in die Technik und Methodik der Kameramänner um Hitler.
Walter Frentz (1907–2004) war einer dieser Kameramänner, Fotograf und „Filmoperateur“ bei der Deutschen Wochenschau. Zwischen 1933 und 1945 hat Frentz, selbst überzeugter Nationalsozialist, Tausende von Bildern von Hitler und seiner Umgebung geschossen. Während des Krieges gehörte er zum engeren Umfeld des „Führers“ und begleitete ihn praktisch ständig, auch in den Führerhauptquartieren. Hitler selbst soll Frentz persönlich sehr geschätzt haben. Er filmte auch den berüchtigten Freudenausbruch Hitlers im Sommer 1940, als dieser von dem Kapitulationsersuchen Frankreichs erfuhr.
Insgesamt über 20.000 Fotografien aus der Zeit bis 1945 umfasst der Nachlass von Frentz. In dem von Hans Georg Hiller von Gaertingen herausgegebenen Band werden etwa 300 davon veröffentlicht. Darunter einige sehr berühmte und vielfach publizierte, wie dieses vom Februar 1945 als Hitler – Deutschland lag längst in Trümmern – gebeugt vor einem monumentalen Modell der Stadt Linz im Keller der Reichskanzlei sitzt.
Interessanter sind aber die zahlreichen bisher noch nicht gezeigten Aufnahmen, die Einblick in die Inszenierung der medialen Wirklichkeit geben. Da sieht man beispielsweise, wie Hitler bei Frontbesuchen und Autofahrten beständig von der Kamera begleitet wurde. Natürlich weiß man das, aber auf vielen dieser Fotos wird schlagend deutlich, wie sehr Hitlers Handeln, Reden und Gestik immer auch auf die mediale Wirkung berechnet war.
Insgesamt versammelt der Band zehn Beiträge verschiedener Historiker, die unterschiedliche Aspekte beleuchten. Mathias Struch beschäftigt sich mit der Person und der Karriere Walter Frentz, Jürgen Trimborn mit der Arbeit von Frentz unter Leni Riefenstahl, Ludger Derenthal mit den Trümmerbildern, die Frentz zwischen 1939 und 1947 von zerstörten Städten gemacht hat. Besonders hervorzuheben ist dabei der Beitrag von Kay Hoffmann über die Filmaufnahmen von Walter Frentz für die Wochenschau. Frentz filmte dabei nicht nur Hitler in den üblichen Sujets: Staatsempfänge, Reden, Frontbesuche usw., sondern er versuchte gezielt ein Bild des menschlichen Hitlers zu zeigen. Dabei spielte auch die spezifische Technik der subjektiven Kamera eine große Rolle. Dem Zuschauer in der Wochenschau wurde so der Eindruck vermittelt, unmittelbar am Geschehen teilzunehmen und die Entscheidungsprozesse des „Führers“ direkt zu beobachten.
Die Fotos von Frentz zeigen natürlich nicht die Verbrechen der Nationalsozialisten, sondern eine Art nationalsozialistisches Idyll: Da sieht man fröhliche junge Frauen unter dem mit Hakenkreuz beflaggten Brixen spazieren gehen, eine friedlich wirkende Szene mit sommerlichen Fahrradfahrern im besetzten Dänemark oder beinahe familiär wirkende Bilder von NS-Führern auf dem Obersalzberg. Selbst die Bilder aus dem KZ Dora, wo unter unmenschlichen Bedingungen gegen Ende des Krieges die V2-Rakete gebaut wurde, wirken beinahe beschaulich.
Frentz’ Bilder, lange verschollen, werden nun immer wieder in Zeitungen und Zeitschriften von Spiegel bis Stern gedruckt und haben so eine beachtliche Nachkriegskarriere erfahren. So authentisch sie, schon aufgrund der Farbe für den modernen Betrachter wirken mögen, sie zeigen den nationalsozialistischen Blick auf die Wirklichkeit. Eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Bildquellen ist daher mehr als überfällig. Dieser Band leistet dazu einen wichtigen Beitrag.
Autor (Rezensent): Dr. Bernd Kleinhans M.A.