In Westberlin treffen sich Ende der 1970er Jahre Exilanten wie Antonio Skármeta, der vor der Pinochet-Diktatur in Chile geflohen war, gleichzeitig Griechen, die Dimitrios Ioannidis, Portugiesen, die António Salazar und Iraner, die dem Regime des Schahs Mohammad Reza Pahlavi entkommen konnten. Auch Verfolgte des spanischen Franco-Regimes sind darunter, ebenso Flüchtlinge aus Uganda, wo seinerzeit der Militärdiktator Idi Amin regiert hatte. Doch es gibt Hoffnung, denn Franco ist schon seit 1975 Geschichte, die Herrschaft von Amin und dem persischen Schah endet jeweils 1979. Das feiern die Exilanten durch fröhliche Abschiedspartys, bevor sie ihren Rückflug in die Heimat antreten. Dabei malen sie Pappbilder ihrer Diktatoren und lassen diese dann stürzen. Sie spielen Fußball vor dem Schloss Bellevue und tanzen im Tiergarten, doch für die meisten von ihnen ist der Alltag trist. Das Sujet zum Film liefert ihr Gang auf das Ordnungsamt, wo sie in regelmäßigen Abständen von einem sehr mürrischen Beamten ihre Aufenthaltserlaubnis verlängern lassen. Während der Stempel rhythmisch auf und nieder auf die Pässe kracht, zeigt eine Einstellung die Fotos der Kinder, die in den Pässen der Exilanten auftauchen. Es folgt ein Schwenk auf die Gesichter der Kinder in der dargestellten Gegenwart: Inzwischen sind einige von ihnen schon etliche Jahre älter. Allein diese stummen Blicke zeigen, wie lange ein Exil dauern kann. Dazu ertönt aus dem Off das Exilantengedicht des chilenischen Dichters und Pinochet-Verfolgten Pablo Neruda:
- „Die Verbannung ist rund
- Ein Kreis, ein Ring
- Deine Füße machen die Runde
- Du durchquerst die Erde
- Und es ist nicht deine Erde.“
Eine weitere Einstellung zeigt die Freude der heimkehrenden Exilanten, in deren Heimat die Diktatur endlich vorbei ist. Sie umarmen am Flughafen Tegel ihre Freundinnen und Freunde mit grenzenlosem Glück im Gesicht. Antonio Skármeta war leider nicht unter diesen Glücklichen. Augusto Pinochet blieb mit seiner Militärjunta in Chile noch bis 1990 an der Macht. Erst dann erfüllte sich die trotzige Hoffnung, die sie in Westberlin schon Ende der 1970er Jahre als Pappfigur über die Straßen getragen hatten.
General Augusto Pinochet (1915 – 2006) hatte sich in Chile 1973 an die Macht geputscht. Er setzte die Regierung des demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende ab und regierte anschließend bis 1990 als Diktator. Seinen Putsch hatten die USA maßgeblich gefördert, denen die sozialistisch-marxistische Orientierung von Allende ein Dorn im Auge war – sie befürchteten in Lateinamerika ein zweites Kuba. Während der Pinochet-Diktatur wurden mehrere Tausend Regimegegner ermordet, viele von ihnen gleich in den ersten Tagen des Putsches während einer Säuberungswelle. Allende nahm sich das Leben. Viele Chilenen verschwanden auch, ihr Schicksal ist teilweise bis heute unbekannt. Die Weltöffentlichkeit reagierte schockiert. Antonio Skármeta (*1940) verließ unmittelbar nach dem Militärputsch 1973 das Land und lebte fortan im Westberliner Exil. Er arbeitete als Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur, unter seinen vier Filmen wurde „Mit brennender Geduld“, im Original schon 1983 gedreht, als Remake „Il postino“ (1994) weltberühmt. Ein Hauptprotagonist des Films ist der chilenische Literaturnobelpreisträger Pablo Neruda, der wenige Tage nach dem Putsch von Pinochet verstarb und vermutlich von dessen Schergen ermordet wurde, auch wenn das nie bewiesen werden konnte. Die offizielle Todesursache soll ein Krebsleiden gewesen sein.
Noch vor dem Ende der Pinochet-Diktatur kehrte Antonio Skármeta 1989 nach Chile zurück, ab 2000 war er drei Jahre lang der chilenische Botschafter in Deutschland. Er ist ein Kosmopolit, seine Eltern waren kroatische Einwanderer. Mit seiner chilenischen Heimat verbindet ihn die innigste vorstellbare Liebe, was die Tiefe des Films „Aufenthaltserlaubnis“ ausmacht. Exilanten leiden unter der Trennung von ihrer Heimat, in die sie während ihres Exils aus politischen Gründen unter keinen Umständen zurückkehren können. Gleichzeitig sind sie auf die Gnade ihres Gastlandes angewiesen, eben auf dessen „Aufenthaltserlaubnis“. Skármeta wurde 2014 mit dem chilenischen Premio Nacional de Literatura ausgezeichnet.
Niemand, der je unfreiwillig im Exil gelebt hat, kann sich in die Situation dieser Personen wirklich hineinfühlen. Dabei gibt es zahllose Berichte von Exilierten, so den vielen deutschen und deutschsprachigen Emigranten, die ab 1933 vor dem deutschen Nazi-Regime fliehen mussten. Bertolt Brecht gehörte dazu, Johannes R. Becher, Walter Abish, die Österreicherin Vicki Baum, Bernard von Brentano, Lilly Becher, Susanne Bach und Erich Arendt. Sie haben alle vom Exil berichtet. Nun sind weltweit wieder große Fluchtbewegungen entstanden, mit denen wir uns ganz aktuell auseinandersetzen müssen. „Aufenthaltserlaubnis“ von Antonio Skármeta hilft uns dabei.