
Alexei Nawalny (2011)
Alexej Nawalny ist ehemaliger Rechtsanwalt, Politiker, Aktivist, Publizist und Dokumentarfilmer. Der breiten Öffentlichkeit ist er in erster Linie als russischer Oppositioneller bekannt. Er gilt als Wladimir Putins größer Kritiker. Ein einsamer Publizist, der allein und furchtlos das derzeit an der Macht befindliche russische Regime zu Fall bringen möchte. David, der gegen Goliath kämpft? In der Tat passt dieses Bildnis auch in diesem Kontext – zumindest in groben Zügen. Für Nawalny gibt es trotz wiederkehrender massiver Rückschläge keine Alternative zum politischen Protest. Er versteht sich als russischer Patriot, der gegen einen bis an die Zähne bewaffneten korrupten Machthaber aufbegehrt, um sein Land zu befreien. Der Rückzug in sein Privatleben hätte die Aufgabe seines Lebensziels – „ein gerechtes Russland“ – zur Folge. Bevor er diese Vision aufgibt, nimmt er lieber seinen eigenen Tod in Kauf, der durch einen Giftanschlag im August 2020 bereits beinahe eingetreten wäre.
Zu seiner Person und Politikkarriere
Alexej Nawalny wurde am 4. Juni 1976 in Butyn, im Großraum von Moskau, geboren. Während seine Mutter gebürtige Russin ist, stammt sein Vater aus der Ukraine. Nach seiner Schulzeit studierte Nawalny Jura und Finanzwissenschaften. Er begann schon früh mit seiner Karriere als politischer Aktivist und systemkritischer Blogger.
Parteimitgliedschaft in der Partei Jabloko
Mit 23 Jahren trat er der demokratisch-linksliberalen Partei Jabloko bei und beteiligte sich aktiv an der Moskauer Lokalpolitik. Seine ultranationalistischen Anschauungen sorgten aber wiederholt für Skandale. Er soll unter anderem kaukasischstämmige Parteimitglieder im Streit als „Schwarzärsche“, deren Rolle auf dem Basar sei, beleidigt haben. Diese sowie vergleichbare andere rassistische Beleidigungen haben nach acht Jahren Parteimitgliedschaft im Jahr 2007 zu seinem Parteiausschluss geführt.
Rechtsextreme Positionen
Anschließend inszenierte sich Nawalny öffentlich als russischer Nationalist. Bereits ab dem Jahr 2006 nahm er an dem jährlich stattfindenden rechtsextremen „Russischen Marsch“ teil. Dabei trat er mit dem russischen Neonazi, Holocaustleugner und Hitlerbewunderer Dmitri Djomuschkin, Organisator des Russischen Marsches und Gründer der verbotenen rechtsextremen Vereinigung Slawjanski Sojus (SS) auf. Die in dieser Zeit von Nawalny gegründete Bewegung „Volk“ arbeitete mit der mittlerweile verbotenen fremdenfeindlichen „Bewegung gegen illegale Immigration“ (DPNI) zusammen.
Seine rassistischen und homophoben Äußerungen erregten in den Jahren ab 2007 weiter Aufmerksamkeit. Homosexuelle beschimpfte er als „Schwuchteln“, die zu ihrer eigenen Sicherheit nur in geschlossenen und eingezäunten Stadien demonstrieren sollten.
Der Kampf gegen Korruption
Später ging Nawalny auf Distanz zu ultranationalen Kräften und Bewegungen. Er distanzierte sich teilweise von seinen rechtsextremen Positionen. 2011 bezeichnete er sich selbst in einem Interview mit dem Magazin „The Economist“ als „nationalistischen Demokrat“. Fortan konzentrierte er sich mit Antikorruptionsvideos und seiner Stiftung zur Korruptionsbekämpfung auf den Kampf gegen die russische Elite und Wladimir Putin. Auf seinem Youtube-Kanal mit mehr als sechs Millionen Abonnenten veröffentlicht er Videos, mit denen er die russische Elite und erstmals auch Putin direkt angreift. Im Jahr 2019 beteiligte sich Nawalny samt seiner Anhängerschaft aktiv an den Protesten in verschiedenen Städten in Russland. Anlass waren lokale Korruptions- und Umweltskandale sowie der Verdacht auf Wahlbetrug bei den Regionalwahlen.
Seine Politikerkarriere
Daneben hat er zwischenzeitlich auch eine Politikerkarriere in Russland angestrebt. Im Jahr 2013 erreichte er als Kandidat für den Posten als Bürgermeister in Moskau 27 Prozent und machte sich damit einen Namen als Oppositioneller. Bei den russischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2018 kandidierte Nawalny ebenfalls. Er wurde aber von der Wahlkommission bei der Wahl ausgeschlossen.
Die Wahrnehmung seiner Person in der russischen Bevölkerung
Besonders die jungen Menschen unterstützen die Positionen von Nawalny und halten ihn für glaubwürdig. Das liegt besonders daran, dass Jugendliche und junge Erwachsene soziale Medien stark nutzen und damit der Content von Nawalny sie eher erreicht. Das hat auch Nawalny erkannt, der sich besonders häufig einer Jugendsprache bedient. Für die jungen Menschen wirkt er wie ein moderner Robin Hood, der für mehr Umverteilung steht. Ein anderer Teil der Gesellschaft sieht ihn als narzisstischen Selbstdarsteller. Die russische Regierung setzt gezielt darauf, Nawalny als ausländischen Agenten zu inszenieren, der die Interessen des Westens vertritt. Bei der latent antiwestlich eingestellten Bevölkerung geht dieses Konzept auf.
Der Giftanschlag auf Alexej Nawalny
Am 20. August 2020 ereignete sich ein Giftanschlag auf Alexej Nawalny. Der Putin-Kritiker klagte während seines Flugs von Tomsk nach Moskau über Unwohlsein und verlor kurz darauf das Bewusstsein. Erst wurde er zwei Tage in Omsk behandelt und dann auf Bestreben seiner Familie nach Deutschland verlegt, wo er in die Berliner Charité eingeliefert wurde. In Deutschland stellten Ärzte eine Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok fest. Nawalny macht Putin für die Vergiftung verantwortlich. Im Dezember 2021 veröffentliche er auf Youtube den Mitschnitt eines Telefonates mit dem mutmaßlichen FSB-Agenten, der seinen Giftanschlag verübt haben soll. Nawalny gab sich in dem Telefonat mit dem FSB-Agenten als Assistent des Chefs des russischen Sicherheitsrats aus, um das Vertrauen des Agenten zu erschleichen. Während des Gespräches sagte der mutmaßliche FSB-Mann aus, den Kampfstoff Nowitschok sei an der Innenseite von Nawalnys Unterhose angebracht zu haben. Nawalny habe laut Aussagen des Mannes nur deshalb überlebt, weil der Flug nicht lange genug gedauert habe und Sanitäter ihn so schnell versorgt hätten. Der FSB vermeldete nach der Veröffentlichung des Videos, dass es sich hierbei um eine Fälschung handele. Nichtsdestotrotz äußert die EU in ihrer Sanktionsliste, dass die Verwendung von Nowitschok die Schlussfolgerung zulasse, dass die Vergiftung von Nawalny nur mit der Zustimmung des Präsidialamtes möglich war. Alexei Nawalny konnte das Krankenhaus nach 32 Tagen Behandlung verlassen. Er war aber weiterhin auf medizinische Betreuung angewiesen.
Die Zeit im Gefängnis
Bereits im Jahr 2013 war der Kremlkritiker wegen vermeintlicher Unterschlagung bei Geschäften mit einer Holzfirma zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, das später in eine Haftstrafe auf Bewährung umgewandelt worden ist. Im November 2017 kassierte das Oberste Gericht das Urteil, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Prozess als unfair eingestuft hatte. Er wurde an eine untere Instanz zur Neuverhandlung zurückgewiesen. In einem neuen Prozess hat dieses Gericht Alexej Nawalny wieder für schuldig gesprochen und zu fünf Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. Erfolglos kündigte Nawalny damals an, in Berufung zu gehen, um 2018 bei der Präsidentenwahl antreten zu können. Nach seiner Genesung von seinem Giftanschlag in der Charité in Deutschland wurde Nawalny am 17. Januar 2021 noch am Flughafen in Moskau wegen angeblicher Verstöße gegen Bewährungsauflagen zu mehr als zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. Er verbringt seine Haftstrafe in einer Strafkolonie östlich von Moskau. Von ehemaligen Insassen wird berichtet, dass die Bedingungen im Lager sehr hart seien. Isolationshaft und physische Gewalt an Insassen gehöre zum Alltag. Nawalny gab selbst an, dass er bislang keine Gewalt erleben musste, aber immense Schikanen. Außerdem sehe er die Angst der Häftlinge vor Gewalt täglich. Im April 2021 trat Nawalny in den Hungerstreik, um auf seine unrechtmäßige Inhaftierung aufmerksam zu machen. Insgesamt drei Wochen hielt Nawalny den Hungerstreik aus bis er schließlich im Krankenhaus behandelt werden musste.
Seit Mitte Februar 2022 wird nun erneut ein Prozess gegen Alexej Nawalny geführt. Die Staatsanwaltschaft fordert weitere 13 Jahre Gefängnis wegen angeblicher Veruntreuung von Geldern für seine inzwischen verbotene Antikorruptionsstiftung und Beleidigung einer Richterin. Amnesty International verurteilt den Prozess als Farce. Es handele sich um ein Scheinverfahren, mit dem die russischen Behörden sicherstellen wollen, dass Nawalny das Gefängnis nicht so bald verlassen werde.
Autor: Michael Schmidt
Quellen
Der Spiegel: Kremlkritiker Nawalny soll 13 weitere Jahre ins Gefängnis, https://www.spiegel.de/ausland/alexej-nawalny-kremlkritiker-soll-13-weitere-jahre-ins-gefaengnis-a-633a33de-1555-4c8d-a719-6656bf4548cc
Goncharenko, Roman: Nawalny in Haft: Drill, Druck und Demütigung, in: DW, https://www.dw.com/de/nawalny-in-haft-drill-druck-und-dem%C3%BCtigung/a-56890146.
Kunze, Dr. Thomas: Demonstrationen in Russland; in: Länderbericht – Auslandbüro Russland der Konrad-Adenauer-Stiftung vom Februar 2021.
RP-Online: Russischer Agent soll Gift-Anschlag auf Nawalny zugegeben haben; in: https://rp-online.de/politik/ausland/nawalny-russischer-fsb-agent-soll-gift-anschlag-zugegeben-haben_aid-55325887.
Stern: Mithäftlinge berichten: Diesen Terror muss Alexej Nawalny in Haft ertragen, in: https://www.stern.de/politik/ausland/alexej-nawalny–diesen-terror-muss-er-in-haft-ertragen-30893330.html.
Thier, Clara: Wer ist Alexej Nawalny?; in: Handelsblatt, https://www.handelsblatt.com/politik/international/putin-kritiker-wer-ist-alexej-nawalny/28126384.html.
Zeit-Online: Bewährungsstrafe für russischen Oppositionellen, in: https://www.zeit.de/gesellschaft/2017-02/alexej-nawalny-russland-oppositioneller-gericht-schuldig.