“Mitte März 2007 publizierte die slowakische Wochenzeitung „Plus 7 dni“ einen detaillierten Report über die Deportation von insgesamt 60.000 slowakischen Juden, die im März 1942 nach Auschwitz gebracht wurden. Die Slowakei hatte seit 1918 zur Tschechoslowakei gehört, war Mitte März 1939 auf Drängen Deutschlands aus der aber ausgeschieden, womit der Weg für die Bildung des deutsch dominierten „Protektorats Böhmen und Mähren“ frei war. Die Slowakei etablierte sich als „souveräner Staat“ (von Hitlers Gnaden), in der ein klerikal-nationalistisches Regime unter Jozef Tiso die Macht ausübte. Letzte Instanz im Lande war die faschistische Bewegung „Slowakische Volkspartei“ (L’udáci), die sich auf Gedeih und Verderb mit Hitlers Deutschland verbunden hatte. Die kleine Slowakei beteiligte sich an Deutschlands „Feldzügen“ und sie war das einzige besetzte und / oder verbündete Land, das für die Deportation und Vernichtung seiner Juden den Deutschen noch die Transportkosten bezahlte. Details enthält der Bericht von „Plus 7 dni“ (der leider keinen Verfassernamen aufweist). Shoa.de bringt eine deutsche Übersetzung, die Wolf Oschlies angefertigt hat.
Sehr bald hat das Tiso-Regime den Juden alle grundlegenden Menschenrechte und den ganzen Besitz weggenommen. So wurde eine große Gruppe von Mitbürgern zu einer Belastung des Staates und diese Situation musste geklärt werden. Einen Ausweg sahen die L’udáci in Zwangsarbeitslagern, den zweiten in der Deportation der Juden aus der Slowakei heraus. Nationalsozialistische Angebote wie auch der Druck der Radikalen in der Regierungspartei bewirkten, dass man sich für die zweite Möglichkeit entschied. Die entsprach vor allem den „Arisierern“ und Neureichen, die kein Interesse an einer Rückkehr der ursprünglichen Besitzer in „ihre“ Fabriken hatten. Die Deportationen der slowakischen Juden in die Konzentrationslager auf polnischem Gebiet begannen im März 1942.
Im Auftrag von Ministerpräsident Vojtech Tuka verhandelte Ende Mai 1941 Augustin Morávek, Präsident des Zentralen Wirtschaftsamts, mit den nationalsozialistischen Beratern D. Wisliceny und E. Gebert über die Möglichkeit einer Deportation der Juden ins Generalgouvernement. „Es ist klar, dass man ein Ventil finden muss, wenn man den Juden ihre Läden und ihr Eigentum fortnimmt. Ein solches Ventil wäre eine Vertreibung im großen Stil“, erklärte Morávek. Im Hochsommer 1941 reiste darum eine Gruppe von „Experten“ nach Polen, um die Lager zu besichtigen, in die die Juden aus der Slowakei gebracht werden sollten. Die Nationalsozialisten hatten sie sorgfältig ausgewählt und ihnen nur das zu sehen erlaubt, was sie auch sehen sollten. Dennoch waren deren Reaktionen größtenteils ablehnend. Július Pecúch, Regierungskommissar für jüdische Arbeitslager, befand sogar, die Bedingungen in den Lagern würden letztlich zur physischen Liquidation der Gefangenen führen. Izidor Koso, Ministerialrat im Innenministerium, bezeichnete den Umgang mit den Gefangenen als unmenschlich und unchristlich. Trotzdem wurde mit der Abschiebung begonnen. Schließlich standen nicht gerade kleine Besitztümer auf dem Spiel und die Deportation war nur die logische Konsequenz des Arisierungsprozesses.
Zur Absicherung des störungsfreien Ablaufs der Deportationen hatte die damalige slowakische Eisenbahn sechs spezielle Züge bereitgestellt. Hinter der Lokomotive befand sich immer der Dienstwaggon für den Arzt und den Sanitätsdienst. Dahinter folgten zehn Waggons für die erste Gruppe Deportierter, dann zwei Waggons für Gepäck, einer für Lebensmittel, ein Passagierwaggon für die Eskorte und fünfzehn weitere Waggons für Deportierte. Die Transportwaggons waren mit Kreide mit den Zahlen 1 bis 25 bezeichnet. Die Türen auf der einen Seite waren hermetisch verriegelt und ließen sich nicht von innen öffnen. Die anderen Türen, durch die die Wagen betreten wurden, konnten während der Fahrt um maximal zehn Zentimeter geöffnet werden. Das Ministerium für Verkehr und öffentliche Arbeiten hatte für die Ausstattung der Deportationszüge 150 Blechbehälter mit verbreitertem Oberrand angeschafft, die als Latrinen dienten, dazu weitere 150 Blechbehälter für Trinkwasser, Hunderte Schlösser und Gitter. Das Problem der Latrinen war generell höchst einfach dadurch gelöst, dass am Boden der Waggons Öffnungen eingeschnitten wurden.
Die Transporte gingen von März bis Oktober 1942 von fünf Orten aus. In Bratislava-Patrónka befand sich ein Lager für 1.000 Personen, dessen Kommandant Imrich Vašina war. Das Lager in Sered’ hatte eine Kapazität von 3.000 Personen und wurde von Jozef Vozár geleitet. Das größte Lager für 4.000 Personen stand in Nováky und wurde von Jozef Polhor geleitet. Jozef Petrík führte das Lager in Poprad, das für 1.500 Personen ausgelegt war. Schließlich bestand in Žilina noch ein Lager, wo Rudolf Marek über 2.500 Plätze gebot. Aufgabe der Lager war, die zu deportierenden Juden auf der Grundlage ausgearbeiteter Listen zu konzentrieren und sie auf die Abschiebung vorzubereiten. Der Lagerkommandant kontrollierte das Gepäck und nahm persönlich Stichproben vor, wobei ihm das Recht zustand, verbotene Sachen zu beschlagnahmen, was natürlich auch dem Lagerpersonal unbegrenzte Möglichkeiten gab, die Juden zu schikanieren. Die Deportierten durften bei sich nur einige einfache Kleidungsstücke, Toilettenartikel und Verpflegung für drei Tage haben. Das Gewicht des Gepäcks durfte 50 Kilo nicht übersteigen. Ein Transport umfasste in der Regel 1.000 Personen und wurde immer von 8 bis 10 Gendarmen oder Mitgliedern der Parteigarde bewacht. Zu jedem Zug war ein Bahnangestellter abgeordnet, der den Zug bis zur Zielstation begleitete und mit ihm zurück in die Slowakei fuhr.
Das Ministerium für Verkehr und öffentliche Arbeiten ließ seine Eisenbahnabteilung am 14. Januar 1943 einen Bericht über den Verlauf der Aktion David erstellen, also über die Abwicklung der Transporte slowakischer Juden im Jahr 1942. Danach verließen vom 25. März bis zum 20. Oktober 1942 57 Transporte mit zusammen 57.752 Juden die Slowakei. Nach Auschwitz gingen 19 Transporte mit 18.746 Personen ab, weitere 38 Transporte mit 39.006 Personen landeten in der Umgebung von Lublin. Die Gesamtaufwendungen der slowakischen Eisenbahn für den Abtransport slowakischer Juden in Konzentrationslager betrugen 15.362.483 Kronen. (Bild: Abtransport slowakischer Juden; das Zeichen SŽ am Waggon steht für „Slovenské Železnice“ (Slowakische Eisenbahn.)
Eine zweite Welle von Deportationen folgte später, nach der Niederschlagung des Slowakischen Nationalaufstands, von Ende September 1944 bis Ende März 1945. Allein aus dem Lager Sered’ gingen 11 Transporte mit zusammen über 11.000 Personen ab. Die meisten endeten in Auschwitz. (Anmerkung des Übersetzers: Bei der Publikation von „Plus 7 dni“ befindet sich als Illustration auch ein Dokument aus dem damaligen slowakischen Verkehrsministerium, in welchem in deutscher Sprache die „Da(vid)“-Transporte an Wisliceny gemeldet werden. Dieter Wisliceny (1911-1948) war von 1940 bis 1944 als „Judenberater“ bei der slowakischen Regierung tätig, worüber er nach dem Krieg am 3. Januar 1946 vor dem Nürnberger Prozess aussagte. Nach Prozessende wurde er an die Tschechoslowakei ausgeliefert, dort vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und am 27. Februar 1948 in Bratislava hingerichtet wurde.)
Autor: Wolf Oschlies