Es war ein sonnig-warmer Tag – dieser 27. April 2008, als der an das kalte Grauen der Deportation jüdischer Kinder, erinnernde Zug in Cottbus Station machte. Es war beeindruckend, wie groß das Interesse von Cottbuser Bürgern doch war, um in den „Zug der Erinnerung“ einzusteigen. Nach ca. 2 Stunden in einer antifaschistischen Wartegemeinschaft konnte ich es auch: Einsteigen. Schon an der Wagentür waren Schrifttafeln angebracht die über verbrecherische bis ins absurde gehende Verbote und Vorschriften informierten, die alle das Ziel hatten, Juden zu demütigen, auszugrenzen und aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Schon das erschüttert. Drinnen wird einem das ganze Ausmaß des faschistischen Terrors noch deutlicher. Da sind zunächst die Zahlen aller in den von Hitlerdeutschland okkupierten Ländern gemordeter Juden und dann, dann folgt der berührendste Abschnitt der Ausstellung. Dort wird es persönlich. Leben werden vorgestellt. Schicksale werden erzählt. Letzte Grüße aus einem Viehwaggon und Sterbeurkunden machen es dann zur Gewissheit – wogegen sich der gesunde Menschenverstand wehrt! Sie waren auf dem Weg in die Todeslager, sie waren auf dem Weg zu ihrer Vernichtung. Nur selten gab es ein Entrinnen.
Wenn man davon spricht, das Bilder auch eine Sprache haben, die Sprache solcher Bilder, wie die von einem kleinen Mädchen einen Tag vor ihrer Deportation, das entzieht sich jedem menschlichen Verständnis. Aber noch mehr derartiger Bilder und den tragisch-traurigen Geschichten dazu, das gilt es in diesem Zug zu verkraften. Wer diese Kraft hat, geht weiter ins nächste Abteil und dann wird Wut daraus. Denn dort wird man mit einigen Beteiligten an diesen „bahnbrechenden“ Verbrechen und deren Werdegang konfrontiert. Vom Minister, Staatssekretär, SS – Offizier bis hin zum Fahrdienstleiter. Einen SS – Mann verurteilte ein DDR-Gericht zu lebenslanger Haft. Ein Fahrdienstleiter bekam nach mehreren Freisprüchen durch ein österreichisches Gericht 7 Jahre Haft. Der langjährige Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn und zuständige Minister Julius Dorpmüller wurde jedoch posthum (starb 1945) entnazifiziert. Die Deutsche Bahn übernahm bis 1991 seine Grabpflege. Bis 1985 gab es in mehreren Städten der BRD Straßen, die nach Dorpmüller benannt waren. Sein Nachfolger im Amt des Bahnchefs, Hartmut Mehdorn hatte ja von Beginn an so seine Schwierigkeiten in anständiger und angemessener Form mit dem „Zug der Erinnerung“ umzugehen. So musste trotz Proteste und mahnender Politiker-Worte, ein Halt auf dem Berliner Hauptbahnhof aus dem Fahrplan dieses Zuges gestrichen werden. Auch Rechnungen für die Trassennutzung und Haltegebühren hat die Deutsche Bahn weiter geschrieben. Auf derlei historische Kontinuität hätte die Deutsche Bahn besser verzichtet: So wie einst die Deutsche Reichsbahn am damals geschehenen Unrecht und millionenfachen Leid von Menschen zu profitieren!Das war pietätlos und zynisch, Herr Mehdorn! Ehe der Zug ganz abgefahren ist, jetzt wäre noch Zeit sich zu entschuldigen. Wir warten…
Autor: René Lindenau