Zwischen Trümmern, Explosionen und dem Älterwerden – die Dokumentation „My ne zgasnemo – We Will Not Fade Away“ von Alisa Kovalenko begleitet zwischen 2019 und 2022 eine Gruppe von fünf Jugendlichen, die in der ukrainischen Region Donbass aufwachsen. Dabei zeigt der Film, mit welchen Problemen sich die jungen Menschen in dem Krisengebiet beschäftigen und was für Träume sie haben – bis das Leben sich völlig verändert.
Andriy, Illia, Liza, Lera und Ruslan leben in der Donbass-Region, wo sie sich als Heranwachsende versuchen durchs Leben zu schlagen. Seit 2014 ist die Region umkämpft, weil russische Separatisten sich nicht der Ukraine angehörig sehen und sich stattdessen Russland anschließen wollen. Entsprechend gehören Geräuschkulissen von Gewehrschüssen, Explosionen und Bombeneinschlagen quasi zum Alltag der Jugendlichen. Aber abseits der Geschehnisse zeigt sich auch, dass es letztendlich fünf junge Menschen, die die gleichen Sorgen und Probleme wie andere Jugendliche haben. Sie überlegen, wie sie ihre Zeit verbringen können, was die Zukunft für sie bereithält und wie sie trotz ihrer Lage Spaß mit ihren Freunden haben können.
Der Dokumentarfilm liefert dabei Einblicke in das Leben der Menschen in einer Region, die auch schon vor dem russischen Angriffskrieg von Konflikten zerrüttet war. Um der Tristesse und den Ängsten zu entfliehen, planen die fünf Jugendlichen aber eine Reise, bei der sie buchstäblich die Hürden ihres Lebens überwinden wollen.
Eine Expedition zum Himalaya soll Andriy und seinen Freunden neue Perspektiven bringen. Mit der Hilfe eines Extremsportlers wollen sie versuchen, das höchste Gebirge der Welt zu erklimmen. Keiner der Fünf hat überhaupt schon einmal Erfahrungen im Bergsteigen sammeln können, aber sie glauben daran, dass eine Bezwingung des Berges ihnen auch symbolisch dabei helfen kann, die Dinge zu überflügeln, die sich ihnen in der Zukunft in den Weg stellen mögen. Die Reise nach Nepal ist für die Gruppe wie das Betreten einer völlig anderen Welt. Sie kennen ein Leben ohne Konflikte und Kämpfe kaum noch. Ihr Zuhause ist umkämpft und die ständigen Bedrohungen durch Gewehrsalven sind allgegenwärtig. Da ist es für die Jugendlichen fast schon unwirklich, an einen Ort zu reisen, an dem die Angst vor dem Krieg kein alltäglicher Begleiter ist. Die eigentliche Herausforderung kommt aber erst noch, als die Gruppe am Fuß des Himalaya-Gebirges steht und sich einem Aufstieg stellen muss, der ihnen alles an Kraft und Ausdauer abverlangen wird.
Auch wenn die Szenen aus Dombass erdrückend und traurig wirken möchten, ist es die Absicht der Regisseurin, mit ihrem Film eine hoffnungsvolle Botschaft zu vermitteln. Alisa Kovalenko möchte eigentlich darstellen, dass es auch in schwierigen Zeiten in Ordnung ist zu Träumen und dass Menschen auch Krisen überwinden können, selbst wenn die Umstände schwierig oder sogar aussichtslos erscheinen. Die Besteigung des Himalayas soll den jungen Menschen nicht nur Hoffnung machen, sondern ihnen auch vor Augen führen, welche Dinge sie aus ihrer eigenen Kraft herausschaffen können. Aus diesem Grund konzentriert sich „My ne zgasnemo – We Will Not Fade Away“ auch verstärkt auf die Einsichten und die Gefühlswelt von Ruslan, Lera und Co., statt nur die Bilder der umkämpften Donbass-Region aneinanderzureihen.
Eigentlich war für die Dokumentation ein hoffnungsvolleres Ende angedacht. Aber „My ne zgasnemo – We Will Not Fade Away“ ist – wie die ganze Welt – im Februar 2022 durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine geprägt worden. Mögliche Nachbearbeitungen oder Feinschliff-Möglichkeiten konnten deshalb nicht in den Film mit einfließen. Entsprechend wirkt die Dokumentation an manchen Punkten vielleicht etwas roh, aber spiegelt die Eindrücke der Jugendlichen in ihrem Zuhause umso deutlicher wider.
Die letzten Einstellungen sind in den ersten Tagen nach dem russischen Einmarsch gedreht worden und vermitteln somit einen sehr frischen und nahe an der Realität gelegenen Eindruck der Menschen, die vom Krieg überrollt wurden. Am Ende erfahren die Zuschauer außerdem, was mit den Jugendlichen passiert ist, die von der Kamera über drei Jahre begleitet worden sind und wie sie mit der aktuellen Situation zurechtgekommen sind.