Bei den Berliner Filmfestspielen sorgte der Film „Shidniy front – Eastern Front“ des Regisseurs Vitaly Mansky und des Filmemachers Jewhen Titarenko für Furore. Die filmische Darstellung des Ukraine-Kriegs ist emotional belastend, da ein unzensierter Blick auf die Frontlinie des Konflikts ermöglicht wird. Ausgebrannte Panzer, die verlassen auf einer einsamen Straße stehen, wecken Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. Ein Sieg ist nicht in Sicht. Mit ihrer Dokumentation wollen Vitaly Mansky, ein erfahrener russischer Filmregisseur und sein ukrainischer Regisseurkollege Yevhen Titarenko die Öffentlichkeit aufrütteln und für die kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten Europas sensibilisieren. Als freiwilliger Sanitäter im Sanitätsbataillon Hospitallers erlebte Jewhen Titarenko den grausamen Arbeitsalltag an der Ostfront (Shidniy Front) selbst mit. Der Film spiegelt die eigenen Erfahrungen eines Rettungssanitäters, der zwischen Bomben und Gewehrfeuer um das Überleben seiner schwerverletzten Patienten kämpft, wider. Für die Zuschauer ist die filmische Darstellung eines Abnutzungskrieges, der mittlerweile mehr als 1 Jahr dauert, teilweise schwer anzuschauen. Jewhen Titarenko glaubt, dass der Film die beste Möglichkeit ist, über die Brutalität des Kriegsgeschehens zu berichten.
Die gewaltsame Auseinandersetzung begann bereits im Jahr 2014. Dies erklärte Vitaly Mansky in seinem Kommentar zum Film. Von der Weltöffentlichkeit wurde die sich zuspitzende Krise jedoch erst seit dem Angriff der Ukraine durch russische Truppen im vergangenen Jahr wahrgenommen. Insgesamt 100 Stunden Filmmaterial hat Titarenko vor Ort aufgenommen und im Film verarbeitet. Dabei ist die Sanitätsbrigade, der er selbst angehört, zu sehen, wie sie sich vorsichtig entlang der Frontlinie bewegt. Es geht darum, Menschen zu erreichen, die dem Tod nahe sind. Im Heimaturlaub bei seiner Familie werden Gespräche geführt und Fragen gestellt. Die Unterschiede zwischen dem gemütlichen Zuhause und der Situation an der Front wirken beinahe surreal. Der Film „Shidniy front – Eastern Front“ schildert den Kriegsalltag sehr direkt und authentisch. Viele Szenen wirken verstörend, vor allem, wenn in Großaufnahme gezeigt wird, wie Menschen um ihr Überleben kämpfen.
Der Protagonist dieses Dokumentarfilms ist ein ukrainischer freiwilliger Sanitäter. In seinem grausamen Kriegsalltag muss sich der Lebensretter durch Schützengräben und über Schlachtfelder bis zu den Verletzten vorkämpfen. Die Zuschauer*innen werden mitgenommen auf haarsträubende Fahrten, die das Rettungsteam in einem alten Fahrzeug der britischen Armee bewältigen muss. Es wird gezeigt, welche Herausforderungen damit verbunden sind, verwundete Soldaten zu retten, während die Retter sich selbst vor feindlichen Granaten zu schützen versuchen. Bereits der Beginn des Film Eastern Front ist nervenaufreibend. Obwohl das Filmgeschehen zunächst ein wenig an eine Krankenhausserie erinnert, ist sofort klar, dass es hier um mehr geht als um halsbrecherische Fahrten in einer Ambulanz zum nächsten Krankenhaus. Das freiwillige Sanitätsbataillon befindet sich auf einer besonderen Mission. Dramatische Szenen, wie die Fahrten mit schwer verwundeten Soldaten durch Straßensperren und vermintes Gebiet, sind emotional belastend. Zu diesem Eindruck tragen auch die Bilder mutwilliger Zerstörung, die der Regisseur in der Gegend um Cherson und Charkiw aufgenommen hat, bei. Ausgebrannte Wohnblöcke, Ruinen und zerstörte Straßen vermitteln deutliche Eindrücke über die Schrecken des Krieges.
Während sich die Fernsehnachrichten auf sachliche Berichterstattung konzentrieren, wird im Film „Shidniy front – Eastern Front“ die Realität der Menschen in einem von Krieg gezeichneten Land gezeigt. Im krassen Gegensatz zur grausamen Wirklichkeit stehen die seltenen Momente der Zweisamkeit, die Mediziner und Sanitäter manchmal, wenn auch nur für kurze Zeit, genießen dürfen. Romantische Szenen spielen in idyllischer Umgebung am See sowie beim Picknick mit der Familie auf einem Feld im Westen der Ukraine. Gefeiert wird die Taufe eines Sohnes. Im Zeitraffer-Tempo bewegt sich der Dokumentarfilm zwischen der heiß umkämpften Front im Osten des Landes und dem Zuhause des Sanitäters im ruhigen Westteil der Ukraine. Die persönlichen Geschichten, mit denen das Schicksal der Mitglieder des Sanitätsteams dargestellt werden, lassen den Zuschauer aufgewühlt und ratlos zurück. Inmitten der Gräueltaten des Kriegsgeschehens an der Front hält die Kameradschaft und die Zuversicht, dass der Krieg eines Tages vorbei sein wird, die Sanitätstruppe zusammen. Die Hoffnung auf ein nahes Kriegsende ist in einer Szene besonders deutlich spürbar. Der Friseur, der auf die Bezahlung für einen Haarschnitt verzichtet, erklärt dem Sanitäter: „Wenn Sie das nächste Mal wiederkommen, werden wir auf den Frieden trinken“. Der abendfüllende Dokumentarfilm wurde für alle Menschen geschaffen, die sich einen Eindruck vom Kriegsgeschehen in der Ukraine verschaffen wollen.