Manfred Theisen: Ohne Fehl und Makel, München 2010
Im Mittelpunkt von Manfred Theisens Jugendroman Ohne Fehl und Makel steht der 14-jährige Fritz, dessen Vater als SS-Arzt ein Lebensborn-Heim leitet. Durch seinen Vater, einen überzeugten Nationalsozialisten, gewinnt Fritz Einblick in die Arbeit des Lebensborns. Erst als Fritz sich in Maria verliebt, die zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester im Heim arbeitet, wird ihm das Verbrecherische des Lebensborns klar. Die Erkenntnis, dass zur Konsequenz des Lebensborns die Ermordung von Menschen mit Behinderungen gehört, führt Fritz schließlich zum Bruch mit dem Vater.
Die Befreiung von der väterlichen Autorität im Zuge der Adoleszenz und die erste große Liebe als Offenbarung auch neuer Werte müssten als Katalysator genügen, um das Thema Lebensborn zu vermitteln. Doch Theisen traut seiner Idee nicht und überlädt die Geschichte mit anderen Themen: Das Lebensborn-Heim befindet sich im besetzten Luxemburg, dessen Bürger zwischen Kollaboration und Widerstand gespalten sind. Fritz ist Halbwaise. Aus Angst, seinen Sohn im Krieg zu verlieren, behauptet der Vater, Fritz sei behindert. Ein kriegsversehrter, beinamputierter SS-Mann vergewaltigt am laufenden Band junge Frauen.
Statt die Spannung aus der Personenkonstellation zu gewinnen und glaubwürdige Individuen zu entwickeln, setzt Theisen vornehmlich auf vordergründige Actionszenen, wenn Fritz durch das Heim schleicht, eine notdürftig im Garten verbuddelte Selbstmörderin ausgräbt oder in Schießereien zwischen Wehrmachtssoldaten und Angehörigen des Widerstands in Luxemburg gerät. Gelingt es dem Autor zunächst, diese Szenen spannend zu gestalten, so zeigen die Wiederholungen, dass Theisen stilistisch wenig variiert und die Grenze zur Stilblüte mehr als einmal touchiert. Nicht unproblematisch ist auch die Figur des kriegsversehrten SS-Mannes: Indem er eindeutig negativ besetzt ist, verführt er zugleich insbesondere jugendliche Leser möglicherweise dazu, das Verbrecherische im Handeln des SS-Arztes weniger eindeutig zu erkennen. Das 14-seitige Glossar und das 22 Seiten lange Nachwort belegen, dass Theisen zu seinem Thema recherchiert hat. Schade, dass er dies nur ansatzweise in eine schlüssige Romanhandlung umsetzt.
Autor: Tomas Unglaube
Manfred Theisen: Ohne Fehl und Makel: Ein Junge im Lebensborn-Heim, München: cbj 2010, 286 S., ab 13, € 7,99 (D), € 8,30 (A), sFr 14,50. ISBN 978-3-570-40029-6