In den Fragebögen für Prominente hat vermutlich noch nie jemand die Frage, „Welche militärische Leistung bewundern Sie am meisten?“, mit der Erwähnung von Jan Karski beantwortet. Vielleicht ist das auch gut so: Karski war Militär, handelte militärisch und vollbrachte eine der größten Heldentaten des Zweiten Weltkriegs – die er freilich selber nur als humanitäre Selbstverständlichkeit gewertet sehen wollte. Der Pole Karski ließ sich in NS-Ghettos schleusen, beobachtete dort alles und schlug sich später bis in die USA durch, um den Alliierten darüber zu berichten und sie zur Rettung der Juden zu bewegen. Niemand wollte ihn hören.
Auch wenn es viele schriftliche Zeugnisse zu jenen unglücklichen Geschehnissen gibt, so gehört die filmische Fassung durch Claude Lanzmann zu den eindrücklichsten Überlieferungen.
Zwei Tage lang hatte Claude Lanzmann Karski 1978 in seinem Haus in Washington interviewt. Das meiste Material floss in seinen Film Shoah (1985) ein. Aber wo „Shoah“ seinen Bericht wiedergab, ist „Der Karski-Bericht“ eine 2010 entstandene Fußnote zu „Shoah“, bestehend aus den damals nicht verwendeten Passagen des Gesprächs.
Hier geht es vor allem um Karskis Zusammentreffen mit den Führern der westlichen Welt, insbesondere mit dem amerikanischen Präsidenten Franklin Delano Roosevelt und der politischen Elite der USA. Für den amerikanischen Präsidenten ist das Schicksal der Juden nur ein Detail im Rahmen viel größerer Kriegsfragen. Aber er sorgt dafür, dass Karski die Möglichkeit erhält mit einer langen Reihe von amerikanischen Politikern zu sprechen. Darunter einflussreiche Juden wie Supreme Court-Richter Felix Frankfurter.
Wo Roosevelt allgemein und ausweichend geantwortet hatte, gibt Frankfurter Karski eine deutliche Antwort: Er glaubt ihm nicht, ohne gleichzeitig behaupten zu wollen, Karski lüge. Er könne es sich nur nicht vorstellen; weder „Herz, noch Verstand“ würden es ihm erlauben, diesen Ausführungen Glauben zu schenken. Zu unvorstellbar waren Karskis Berichte.
Damit ist Lanzmanns Film ein Werk über ein im wahrsten Sinne „unglaubliches“ Zeugnis, das gehört aber nicht verstanden werden konnte und ein ebenso eindrückliches wie tragisches Zeugnis für die unlösbare Frage, ob die Shoah hätte verhindert werden können.
Frankreich 2010, 48 Min
Englisch
Regie: Claude Lanzmann