Erholung für die Arbeiter – Produktionssteigerung für den Staat
Die am 27. November 1933 gegründete Organisation „Kraft durch Freude“ war der Deutschen Arbeitsfront (DAF) untergeordnet und zuständig für die Freizeitgestaltung der deutschen Bevölkerung. Die KdF-Gemeinschaft galt als die massenwirksamste und populärste Organisation des NS-Regimes, da sie ein breites Erholungs- und Unterhaltungsprogramm anbot, das vor allem für die Arbeiterschaft bis dahin unerschwinglich gewesen war.
Vorbild für ihre Gründung war die faschistische italienische Freizeitorganisation „Dopolavoro“, nach der die deutsche Vereinigung zunächst auch benannt worden war. Da die Nationalsozialisten jedoch den italienischen Ursprung verbergen wollten, wurde aus dem Namen „Nach der Arbeit“ sehr bald „Kraft durch Freude“.
Gleichschaltung der Freizeit
Die KdF-Organisation gliederte sich in verschiedene Ämter, in denen etwa 100.000 Mitarbeiter im ganzen Deutschen Reich beschäftigt wurden, davon rund 97.000 auf ehrenamtlicher Basis. Das Amt „Feierabend“ organisierte Theaterveranstaltungen, Singgemeinschaften und Vereine für jede Art von Hobby, das man nach der Arbeit betreiben konnte. Obwohl es nicht so einfach war, die Arbeiter für die schönen Künste zu interessieren, hatten Kulturveranstaltungen doch ein Stammpublikum von etwa 10 Millionen Menschen.
Das „Sportamt“ war für die körperliche Ertüchtigung des deutschen Volkes zuständig. Sport war bereits vor der Gründung der KdF-Organisation ein beliebter Zeitvertreib gewesen und sollte nun durch die Gleichschaltung besser kontrollierbar werden. Gleichzeitig wurden teure Sportarten wie Reiten, Segeln oder Tennis den ärmeren Leuten zugänglich gemacht, die sich bis dahin die hohen Mitgliedsbeiträge nicht hatten leisten können. Im olympischen Jahr 1936 nahmen über 7 Millionen Menschen an Sportkursen teil.
Neben der Organisation der Freizeit war „Kraft durch Freude“ auch für die Gestaltung der Arbeitsstätten zuständig. Dort sorgte das Amt „Schönheit der Arbeit“ für saubere sanitäre Anlagen, neue Kantinen und Grünanlagen, um die Situation der Arbeiter im Betrieb zu verbessern.
Dies alles wurde durch die Mutterorganisation „Deutsche Arbeiterfront“ subventioniert, die sich bei der Auflösung der Freien Gewerkschaften deren Vermögen angeeignet hatte. Außerdem mußten alle Arbeiter zwangsweise in die DAF eintreten und Mitgliedsbeiträge leisten.
Urlaub für den deutschen Arbeiter –
Lediglich das Amt „Reisen, Wandern und Urlaub“ finanzierte sich weitgehend selbst und erwirtschaftete 80% des Umsatzes der KdF-Gemeinschaft. Es organisierte neben günstigen Kurz- und Wochenendreisen auch längere Ferien in ganz Deutschland. Außer den herkömmlichen Urlaubsgebieten in den Bergen oder an der See wurden zusätzlich touristisch nicht erschlossene Gegenden als Ferienorte ausgewählt, um dort die Wirtschaft zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen. Am werbewirksamsten waren jedoch die Seefahrten nach Norwegen, Italien, Griechenland und Madeira mit der KdF-eigenen Schiffsflotte. Alle Reisen fanden das gesamte Jahr über statt, um die Kapazitäten zu den Hauptreisezeiten im Sommer und zu Weihnachten nicht zu überlasten.
Die günstigen Reisen wurden von der Propaganda als „Geschenk des Führers“ an „seine“ Arbeiter gepriesen. Daher sahen die offiziellen Teilnahmebedingungen vor, daß nur diejenigen, die sich sonst keinen Urlaub leisten konnten, von der KdF-Organisation profitieren sollten. Dementsprechend durften nur Mitglieder der DAF mit ihren Ehefrauen sowie Kinder unter 18 Jahren an den Reisen teilnehmen. Außerdem teilnahmeberechtigt waren Eltern über 60 Jahre, sofern sie mit dem DAF-Mitglied im gleichen Haushalt wohnten. Die Anmeldung war sehr umständlich und bürokratisch, man mußte freiwillig Auskunft über seinen Bruttolohn sowie über die Zahl der unterhaltspflichtigen Personen geben, ehe die zuständige Dienststelle über die Bewilligung des Urlaubs entscheiden konnte. Eine Reise kostete im Durchschnitt 35 RM. Dieser niedrige Preis resultierte vor allem aus hohen Teilnehmerzahlen, Preisnachlässen der Reichsbahn und privater Unterbringung am Urlaubsort. Eine Ausnahme bildeten dabei die Seereisen, die sehr viel teurer waren. Eine Schiffsreise nach Madeira kostete zum Beispiel 120 RM, das Monatseinkommen eines Arbeiters betrug dagegen nur rund 150 RM. Daher gehörte bei diesen Reisen auch nur jeder siebte Urlauber der Arbeiterschicht an. Doch auch bei den Landreisen lag der Arbeiteranteil lediglich bei 25-35%.
Die Teilnahmebedingungen scheinen also nicht sehr streng gehandhabt worden zu sein, so daß auch die gutsituierte Mittelschicht am KdF-Programm teilnehmen konnte. Häufig stifteten die Wohlhabenderen Patengelder, um so auch armen Leuten einen Urlaub zu ermöglichen. Ohne reichere Teilnehmer wären insbesondere die teuren Seereisen nicht finanzierbar gewesen.
Ziele der KdF-Organisation
Vordergründige Aufgabe aller KdF-Programme war es, soziale Ungleichheiten zu beseitigen und eine große deutsche Volksgemeinschaft zu schaffen, in der jeder unabhängig von Schicht und Einkommen dieselben Rechte auf Erholung und Entspannung haben sollte. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl war notwendiger Bestandteil, um die weitgesteckten Ziele Hitlers durchführen zu können.
Nicht weniger wichtig war die Volksertüchtigung und die Volkserziehung im Sinne des Nationalsozialismus. Der Sport sollte die Wehrkraft der Menschen stärken und sie auf „kommende Aufgaben“ vorbereiten, das Unterhaltungsprogramm und die Reisen dienten vor allem der Propaganda. Besonderer Wert wurde dabei auf die Stärkung des Heimatgefühls gelegt und daher Traditionen wie zum Beispiel Trachtenabende sorgfältig gepflegt. Außerdem steigerten sich durch die besondere Pflege der Arbeiter ihre Leistungen in den Betrieben und die Produktion von wichtigem Kriegsmaterial ging schneller voran.
Das vermeintlich so uneigennützige und idealistische Programm der KdF-Organisation war letztlich eine raffinierte Strategie, um das deutsche Volk von der Rechtschaffenheit von Hitlers Plänen zu überzeugen und es vor allem zum Mitwirken zu bewegen. Im Gegenzug ermöglichte die Organisation bis 1939 über 43 Millionen Menschen, günstig in die Ferien fahren zu können. Vor allem unter den Arbeitern war dies oft der erste wirkliche Urlaub ihres Lebens.
Das wahre Gesicht des KdF-Programms veranschaulicht folgendes Beispiel: Ab 1938 übernahm es zusätzlich die Aufgabe der Massenmotorisierung der deutschen Bevölkerung und gab Sparkarten für den eigens entwickelten sehr günstigen Volkswagen aus. Keiner der 336.000 Besteller erhielt jedoch seinen Wagen, die Menschen finanzierten stattdessen mit ihren Spargroschen den Bau des „Kübelwagens“ für den Kriegseinsatz.
Vom Freizeitprogramm zum Kriegshelfer
Im Zuge der erhöhten Kriegsvorbereitungen wurden im Sommer 1939 Seereisen und Bahnfahrten eingestellt, um die Schiffs- und Bahnkapazitäten für Kriegstransporte freizuhalten. Stattdessen wurden verstärkt Wanderungen und Feierabendveranstaltungen angeboten.
Ebenso abgebrochen wurden die Bauarbeiten an der seit 1935 geplanten monumentalen Erholungsanlage in Prora, die Platz für über 10.000 Urlauber bieten sollte. Noch heute zieht sich der Bau 4 km am Strand von Rügen entlang, was eindrucksvoll verdeutlicht, in welchen Dimensionen das KdF-Programm ursprünglich geplant war.
Die eigens für die KdF-Organisation gebauten Kreuzfahrtschiffe wurden zu Truppentransportern und Lazaretten umgewandelt und gegen Ende des Krieges dazu benutzt, Flüchtlinge aus den östlichen Gebieten über die Ostsee zu retten. Tragisches Beispiel hierfür ist die „Wilhelm Gustloff“, die am 30.1.1945 durch sowjetische Torpedos versenkt wurde und bei deren Untergang über 5000 Flüchtlinge, Marinehelferinnen und Soldaten ums Leben kamen.
Das Amt für Reisen, Wandern und Urlaub wurde schließlich im Februar 1943 gänzlich aufgelöst und die restlichen Ämter wurden zusammengefaßt zum „Amt für KdF-Truppenbetreuung und Betreuung der Werkschaffenden“. Das ehemalige Freizeitprogramm wurde letztlich zu einer Hilfsorganisation, die den Krieg mit unterstützte und den Durchhaltewillen der deutschen Bevölkerung stärkte.
Autorin: Claudia Schneider
Literatur
Appel, Susanne: Reisen im Nationalsozialismus. Eine rechtshistorische Untersuchung. Schriften zum Reise- und Verkehrsrecht; Baden-Baden 2001.
Buchholz, Wolfhardt: Die Nationalsozialistische Gemeinschaft „KdF“ – Freizeitgestaltung und Arbeiterschaft im Dritten Reich; München 1976.
Frommann, Bruno: Reisen im Dienste politischer Zielsetzungen. Arbeiterreisen und „Kraft durch Freude“ – Fahrten; Stuttgart 1992.
Grass, Günter: Im Krebsgang; Göttingen 2002.
Kammer, Hilde / Elisabet Bartsch / Manon Eppenstein-Baukhage / Manon Eppenstein- Baukhage: Lexikon Nationalsozialismus, Berlin 1999
Rostock, Jürgen/Zadnicek, Franz: Paradiesruinen. Das KdF-Seebad der Zwanzigtausend auf Rügen; Berlin 2001.
Schön, Heinz: Hitlers Traumschiffe. Die „Kraft durch Freude“-Flotte 1934-1939; Bremen 2000.