Es gibt Dinge, die drängen sich immer wieder auf. Dazu gehören bestimmte Ereignisse in unserem Leben oder dem unserer Vorfahren. Aber auch ein Buch oder ein Film, die sich mitunter tief in das Gedächtnis eingraben und prägend für das künftige Handeln sind – es jedenfalls so sein sollte: wie beim fünfteiligen DDR-Spielfilm „Gewissen in Aufruhr, der 1961 das Licht der Filmwelt erblickte. In den Hauptrollen, dem Ehepaar Petershagen waren die bekannten Schauspieler, Erwin Geschonneck und Inge Keller zu sehen. Schon die beiden im filmischen Miteinander zu erleben ist bis heute ein Genuss.
Sei uns die dem Film zugrunde liegende Handlung in Erinnerung gerufen.
Der Protagonist von „Gewissen in Aufruhr“ beginnt sein „Spiel“ als Oberst der Wehrmacht in der Hölle Stalingrads, eingekesselt mit der 6. Armee des General Paulus. Er selbst entkam dem Kessel als Verwundeter noch mit einer der letzten Maschinen. Ob während der Kampfhandlungen an der Wolga, Erlebnisse bei seinem Urlaub daheim, Begegnungen im Lazarett mit einem SS-Offizier – das ließ den Oberst zunehmend über Sinn und Unsinn dieses Krieges nachdenken. Auch das sein einstiger Fahrer und Mitbewohner in seinem Wohnhaus, sich zum Nationalkomitee „Freies Deutschland“ abgesetzt hatte, musste er erleben. Als er 1945 als „Kampfkommandant“ seiner Heimatstadt Greifswald eingesetzt wurde, ging er angesichts der Aussichtslosigkeit der Lage daran, eine kampflose Übergabe der Stadt an die Rote Armee vorzubereiten. Denn was und wofür lohnte es sich zu kämpfen. Die Bürger der Stadt dankten es ihm und machten ihn zehn Jahre später zu ihrem Ehrenbürger, während die (ohn)mächtigen Uniformträger ihn in Abwesenheit zum Tode verurteilten.
Dann folgte der Gang in die sowjetische Kriegsgefangenschaft. Hier musste er viel Ausgrenzung und Häme durch seine vermeintlich früheren Kameraden erfahren. Petershagen machten sie die Übergabe Greifswalds an die Rote Armee und seine inzwischen sehr kritische Haltung zum vergangenen Krieg zum Vorwurf. Doch auch das, selbst einen Mordanschlag jenes SS-Offiziers aus dem Lazarett, auf den er später noch einmal treffen sollte, sollte er überstehen.
Dem folgte ein kurzes „verwaltungstechnisches“ Zwischenspiel. Das sozialistische Aufbauwerk konnte beginnen – der frühere Wehrmachtsoberst als Kreisrat der Insel Usedom. Doch als Petershagen einer Einladung von alten Kameraden folgend 1950 auf „Westreise“ ging, verfängt der sich in einem Netz aus Intrigen westlicher Geheimdienste. Als es ihnen nicht gelang den DDR-Bürger, auch mit schäbigen Erpressungsversuchen für ihre mindestens genauso schäbigen Ziele, einer Wiederbewaffnung Westdeutschlands einzuspannen, da hängte man ihm eine fingierte Anklage wegen Menschenraubs an den Hals. Nach einem Prozess lautete das Urteil: sechs Jahre Zuchthaus in der „freien Welt“. Und wieder war er eingesperrt, erneut lange getrennt von seiner Frau. Aber was strafverschärfend auf Petershagen wirken musste war sicher, das man ihn mit einer Reihe von Wehrmachtsgenerälen und SS-Schergen in das Kriegsverbrechergefängnis Landsberg schickte. Bezeichnend für das neue Denken der Adenauer-Republik; die zu Kriegsverbrechen verurteilten hohen Herren von Wehrmacht und SS durften das Gefängnis eher verlassen, als derjenige, der letztlich von Ihresgleichen in den letzten Kriegstagen noch zum Tode verurteilt wurde. Und der schon erwähnte SS-Offizier aus einem Lazarett, der stand eines Tages als Mitarbeiter des bayerischen Justizministeriums in Landsberg vor seiner Zellentür.
Nur wegen seiner schlechten Gesundheit hatte der Spuk drei Jahre vor Ablauf der ursprünglichen Haftdauer ein Ende.
Die letzte Szene zeigen die Peterhagen´s. Er geht durch die damals noch offene Grenze am Brandenburger Tor auf sie zu, sie rennt auf ihn zu, und ihm in seine Arme – wiedervereint!
Schließlich nach Hause gefahren werden sie vom damaligen Fahrer des Obersten, da selbst nun General der bewaffneten Organe der DDR.
Inzwischen ist die DDR jedoch auch Geschichte, deren Ende er – Rudolf Petershagen – aufgrund seines Todes 1969 nicht erleben musste. Er wäre nur Zeuge weiterer trauriger, teils verbrecherischer Kapitel mehr, in seinem ohnehin schon von harten Prüfungen durchzogenen Leben geworden. Dann noch ein Land begleiten müssen, das bedingt durch das Vertun von Chancen und dem Verbauen von Möglichkeiten – vor der Geschichte wieder nur ein Urteil zuließ: Untergang!
Wie viel kann ein Menschenleben davon aushalten, wann ist genug?
Das Film-Ehepaar Peterhagen, Geschonneck/Keller, konnte dem jedenfalls nicht entrinnen, das für die „graue DDR“ 1989/90 die letzte Klappe fiel: Sie starben 2008 und 2017.
Doch wozu mahnt ein solcher Film seine Zuschauer noch heute?
Kadavergehorsam, Geheimdienste , Kriege sind schlecht, um nicht das andere Wort mit SCH… zu gebrauchen. Der einzige Unterschied mag ihr Klassenauftrag (gewesen) sein, das macht sie aber nicht besser. Also weg damit! Ein Hoch auf die Courage, aber Krieg den Geheimdiensten und Krieg dem Kriege! Ferner macht er deutlich, wer mit Blindheit durch die Geschichte geht ist dumm dran. Er läuft Gefahr die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Auch hierfür könnte diese DEFA-Serie stehen: Verstehen wir sie als dauerhaften Aufruf aufrührerisch zu sein, wenn Geschichtsvergessenheit und Geschichtsklitterung Einzug in den öffentlich Diskurs halten wollen.
Autor: René Lindenau