Im Dezember 1947 wird in Bratislava Hanns Ludin als Kriegsverbrecher verurteilt und am Strang hingerichtet. Er war Hitlers Gesandter und bevollmächtigter Minister des Großdeutschen Reiches für die Slowakei. Er gehörte zu den SA-Führern der ersten Stunde, befehligte bereits mit 28 Jahren ein Heer von 300.000 SA-Soldaten und überlebte die Beseitigung Ernst Röhms im Jahre 1934. Während des Krieges war er von 1941-1945 deutscher Gesandter in der Slowakei und damit verantwortlich für die Deportation der dort lebenden Juden.
Für seinen Sohn Malte Ludin, 5 Jahre alt zum Zeitpunkt der Hinrichtung seines Vaters, ist diese Biographie Dreh- und Angelpunkt seines Lebens. Der Politologe und Filmemacher hat mit einem Dokumentarfilm die Geschichte seines Vaters aufgearbeitet, da er endlich mehr wissen wollte, als die „2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß“.
Der Film berichtet von den letzten Stationen Hanns Ludins bis zur Vollstreckung des Todesurteils. Aber es ist auch die Suche nach der Schuld des Vaters, denn der Film wird zur persönlichen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit, mit der Verdrängung in der eigenen Familie, mit Schuld und dem bitteren Erbe, das der Vater seinen Kindern hinterlassen hat. Es wird deutlich, dass dieses Thema in Familien der Täter noch immer größtenteils unbearbeitet geblieben ist.
Bis zum Beginn der Dreharbeiten hat die Familie über den Vater, „das dunkle Kapitel der Familiengeschichte“ geschwiegen, für manche Familienmitglieder bricht er mit seiner Arbeit nicht nur das Schweigen, sondern auch ein Tabu. Mit diesem Film versucht er zu zeigen, wie der Mechanismus der Verdrängung funktioniert und bei den Betroffenen auch funktionieren will. Während die Schuld des Vaters sich für Malte aus den erhaltenen Dokumenten erschließt, klammern sich andere Familienmitglieder an die Hoffnung, dass Hanns Ludin zwar die ‚Umsiedlung‘ der Juden organisierte, nicht aber selbst Handlanger bei der Vernichtung vor Ort war und entsprechen in ihrer Haltung eher einem Brief des Vaters, in dem es heißt: „Ich kann mich nicht schuldig bekennen. Ich habe geschwankt, ich habe Irrtümer und Fehler begangen, aber kein Verbrechen!“ Eine Schwester des Filmemachers konstatiert: „Ich habe akzeptiert, dass ich nie 100% Klarheit haben werde.“
Ludin gelingt es, erstmalig eine ganze „Täter-Familie“ – über 3 Generationen und verschiedene Kontinente hinweg – zur gemeinsamen Aufarbeitung ihrer Geschichte zu bewegen und versucht damit eine Lücke in der bisherigen Geschichtsdarstellung zu füllen.
Neben seiner Familie, ehemaligen Nachbarn, Vermietern und Angestellten in Bratislava sucht sich Malte Ludin zudem auch Opfer als Interviewpartner. Insbesondere das Gespräch mit dem Schriftsteller Tuvia Rübner, dessen gesamte Familie dem Holocaust zum Opfer gefallen war, zeigt, dass auch Malte Ludin nicht völlig frei ist von familiärer Befangenheit. Er vermeidet es, direkte Bezüge herzustellen zwischen seinem Vater und dessen Funktion in der Slowakei. In der Konfrontation mit dem „Opferkind“ Rübner wird der reflektierte Regisseur zum emotional involvierten „Täterkind“.
Dieses Interview wird in zweierlei Hinsicht zu einer Schlüsselszene des Films. Erstens zeigt er an der Person Malte Ludins exemplarisch das Problem sogenannter „Täterkinder“. Sie sind Grenzgänger zwischen Innensicht und Außensicht, Subjektivität und Objektivität, zwischen ratio (dem faktischen Wissen, ‚ja mein Vater war an der Judendeportation beteiligt‘) und emotio (einem Selbsteingeständnis: ‚Ich, der Sohn eines Massenmörders‘) und vielleicht nicht zuletzt auch zwischen Schuld und Schuldlosigkeit. Und zweitens, dass sich der Filmemacher dieser Gratwanderung nicht entzieht.
Niemand kann seiner Herkunft und deren Folgen entrinnen. Eben diese Fesselung an die Familien der Opfer und Täter offenbart der Film. Während die Ludins geprägt und belastet wurden vom Wissen um die Taten ihres Vaters, verfolgt die Opfer die Erinnerung an ihre verlorenen Angehörigen. In beiden Fällen sind die Folgen auch noch 60 Jahre nach Kriegsende spürbar. „2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß“ ist hochemotionale Vergangenheitsbewältigung innerhalb familiärer Strukturen und gleichzeitig aktuelles Bild für die Erinnerungskultur einer Gesellschaft.
Originaltitel: 2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß
Regie: Malte Ludin
Drehbuch: Malte Ludin
Genre: Dokumentation
Land: Deutschland, 2004
Länge: 89 min
Premiere: 07. April 2005 / Deutschland
FSK: ab 12 Jahren
Verleih: Plan 7 Filmverleih / Central Filmverleih