Rezension über: |
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Sharon E. McKay: Die letzte Haltestelle. Aus dem Englischen von Bettina Obrecht. München: cbj 2017, 176 Seiten, ISBN 978-3-570-17250-6, 14,99 EUR. |
Dass auch Kindern im Grundschulalter die Zeit des Nationalsozialismus nahegebracht werden muss, kann angesichts der zahlreichen Fragen, die bereits sie stellen, nicht bestritten werden. Ebenso ist es natürlich richtig, dass es hierzu besonderer kindgerechter Zugänge bedarf. Der kanadischen Jugendbuchautorin Sharon E. McKay ist dies in Die letzte Haltestelle hervorragend gelungen.
Im Mittelpunkt des Romans steht Beatrix, die als Sechsjährige im von Deutschland besetzten Amsterdam 1942 erleben muss, wie ihre jüdische Mutter am helllichten Tag während einer Straßenbahnfahrt im Zuge einer Razzia verhaftet wird. Während ihre Mutter abgeführt wird, bleibt Beatrix zunächst alleine im Waggon zurück. Lars und Hans, zwei ältere, etwas skurrile Brüder, der eine Straßenbahnführer, der andere Straßenbahnschaffner, nehmen das Kind schließlich mit zu sich nach Hause. Unterstützt von zwei Nachbarinnen verstecken sie Beatrix in den kommenden Jahren bei sich.
Anschaulich schildert die Autorin das Leben in den besetzten Niederlanden: die Furcht vor Entdeckung, das Misstrauen angesichts der vielen Kollaborateure, den Hunger, die unterschiedlichen Formen des Widerstands, die Solidarität, die Angst vor Bomben. Dabei gelingt es McKay, auch Nebenpersonen differenziert zu beschreiben. Zugleich beschreibt die Autorin detailliert und äußerst liebevoll, wie sich die Beziehung zwischen Beatrix und ihren über 60-jährigen Rettern entwickelt, die im Großelternalter und bislang allein lebend plötzlich die Verantwortung für eine Sechsjährige übernehmen. Diese teilweise auch witzigen Schilderungen und der märchenhafte Schluss stellen eine sinnvolle Balance zur Darstellung der NS-Gräuel dar und verdeutlichen die humanistische Botschaft dieses Buchs. Dank der Gliederung in viele kurze Kapitel und die gelungenen Illustrationen eignet sich Die letzte Haltestelle auch bestens zur gemeinsamen Lektüre von Eltern und Kindern. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn der Roman durch einen Anhang mit der Erläuterung zentraler historischer Daten ergänzt worden wäre.
Autor: Tomas Unglaube