Während die Niederlage des Deutschen Reiches immer näher rückte, konnten sich die Siegermächte im Endeffekt nicht über die Frage der Reparationen, sowie der Demontage einigen. Das Problem ergab sich aus der politischen Konstellation. Während die Sowjetunion unter Stalin vor allem ihre wirtschaftlichen Verluste kompensieren wollte, konnten die westlichen Alliierten sich nicht darüber einigen, ob ein wirtschaftlich starkes Deutschland sinnvoll wäre, oder eine Gefahr darstellen würde. Grundsätzlich wurde der Anspruch auf Reparationen nie bestritten und bis heute erheben ehemals besetzte Länder aus unterschiedlichen Motiven ihre Forderungen.
Die Reparationsfrage während des Krieges bis zur Potsdamer Konferenz
Bereits während des Krieges einigten sich die Alliierten auf die Erhebung von Reparationsforderungen. Die für eine Einigung in dieser Frage vorgesehene Konferenz von Jalta konnte allerdings in diesem Punkt nicht erfolgreich abgeschlossen werden. Bereits sehr früh wurden deutsche Vermögenswerte im Ausland, sofern möglich, eingefroren oder direkt eingezogen. Auch deutsche Patente, oder aber Vermögenswerte des deutschen Staates wurden von den Siegermächten und ihren Verbündeten einbehalten. Das Pariser Reparationsabkommen vom 14. Januar 1946 legalisierte dieses Vorgehen nachträglich und regelte die jeweiligen Ansprüche auf diese Vermögenswerte. Mit dem Potsdamer-Abkommen vom 02. August 1945 wurde zudem die Demontage, sowie die grundsätzliche Frage der Reparationen in die Verantwortung der jeweiligen Besatzungsmacht gelegt. Man muss also die darauffolgenden Demontagen und Vermögensbelastungen des ehemaligen Deutschen Reiches und des Gebietes des damaligen Deutschlands unter dem Aspekt der künftigen Blockbildung im Zuge des Kalten Krieges betrachten.
Demontagen und Reparationsleistungen in den sowjetischen Besatzungszonen
Die Sowjetregierung unter Stalin unterließ es in Gänze eine gewisse Milde gegenüber Deutschland walten zu lassen. Von den hohen ökonomischen und humanen Verlusten angetrieben, wurde sämtliches Vermögen des Deutschen Reiches im Einzugsgebiet der sowjetischen Besatzungsmacht eingefroren und transferiert. Industrielle Anlagen, Gewerbebetriebe und Ressourcen wurden ausnahmslos akquiriert und in die Sowjetunion überstellt. Ziel war es, dass das ehemalige Deutsche Reich komplett in die Abhängigkeit der Sowjetunion geriet. Dieses Ziel wurde erreicht und so gut wie alle industriellen Anlagen in der DDR konnten nur mit der Hilfe der Sowjetunion aufgebaut werden. Bis zur Staatsgründung der DDR, und teilweise darüber hinaus, war die industrielle Kapazität in den sowjetischen Besatzungszonen nahe gegen null gesunken. Das galt auch für den landwirtschaftlichen Sektor, sowie die Dienstleistungsbranche.
Demontagen und Reparationsleistungen in den britischen und amerikanischen Besatzungszonen
Während die Sowjetunion die Politik der harten Hand fuhr, waren die Briten und die Amerikaner deutlich sanfter. Zwar verboten sie im Anfangsstadium den Betrieb von industriellen Anlagen und häufig wurden auch Teile der Anlagen demontiert. Allerdings waren die eigenen Verluste nicht so signifikant und bis auf Hochtechnologie waren die deutschen industriellen Anlagen für die westlichen Alliierten lediglich von geringem Wert. Die Landwirtschaft wurde weitestgehend belassen, wobei das Ziel einer eigenständigen Versorgung aufgrund der akuten Nahrungsmittelkrise nach dem Krieg stark in den Fokus rückte. Zwar wurde eine Demontage der Schwerindustrie am Anfang durchaus durchgeführt. Die weitere politische Entwicklung und der aufkeimende Kalte Krieg sorgten aber dafür, dass diese für Deutschland wichtigen Industriekomponenten für die Alliierten stark erhaltungswürdig wurden. Eine Ausnahme bildete hierbei lediglich die französische Besatzungszone. Auch hier spielten politische Hintergründe eine große Rolle und die innerfranzösische Fraktion der Revanchisten war zeitweise sehr stark. Allerdings beugten sich die Franzosen letztlich dem Druck der Amerikaner und der Briten und stellten die Demontagen, sowie die Beschlagnahmung von Kohle in Bälde ein.
Reparationen an die besetzten Länder
Weder Italien als ehemaliger Verbündeter, noch andere besetzte Staaten konnten ihre Forderungen direkt erheben und begleichen lassen. Da das Deutsche Reich vor allem in den Osten expandierte, und nun die neuen Ostblockstaaten unter der Sowjetunion vereint waren, nahm Russland die führende Stellung in den Verhandlungen ein und übernahm dabei auch die Rolle des Vertreters der Mitgliedsländer der Sowjetunion. Daraus resultieren teilweise Forderungen bis in die heutige Zeit hinein, welche von der Bundesrepublik Deutschland mit Verweis auf den „2+4“-Vertrag abgewiesen werden. Aus deutscher Sicht sind durch diesen Vertrag alle offenen Fragen gegenüber Reparationen geklärt und es gibt keine weitere Verhandlungsgrundlage. Da derzeit auch keine Klage an internationalen Gerichtshöfen zu diesem Zweck anhängig ist, kann dieser Zustand auch als wahr angenommen werden.
Reparationen an jüdische Überlebende und Zwangsarbeiter
Einen Sonderfall stellen die Reparationen an jüdische Zwangsarbeiter und Überlebende des Holocaust dar. Experten urteilen heute, dass sich die Bundesrepublik von sich aus nie viel Mühe machte, um deren Ansprüche zu befriedigen. Insgesamt, so die Sicht der Experten, ist die Bundesregierung sehr günstig weggekommen und hat inoffiziell eine Politik verfolgt, ausstehende Zahlungen so gering wie möglich zu halten. Das geschah in Verbindung mit der Hoffnung, dass die Überlebenden mit Sicherheit älter werden würden und so eventuelle Ansprüche erfolgreicher abgewehrt, oder aber nur kürzer zu zahlen wären. Unter dem Begriff „Wiedergutmachung“ bewilligte die Bundesrepublik Deutschland den Holocaust-Überlebenden und ehemaligen Zwangsarbeitern eine geringe Rente. Unrechtmäßig erworbene Vermögenswerte, sowie Kunst und andere Wertgegenstände wurden und werden nach Möglichkeit requiriert und dem Besitzer, oder dessen Nachfahren überstellt. In der Sowjetunion wurden ähnliche Vereinbarungen nicht getroffen, wobei Holocaust-Überlebende häufiger einen leichteren Zugang zur staatlichen Rente erhielten.
Endgültige Bewertung der Demontage und Reparationen
Die Demontage hat vor allem den Osten der heutigen Bundesrepublik besonders hart getroffen. Das politische Ziel Stalins, eine enge Anbindung der DDR an die Sowjetunion zu gewährleisten und eine Westanbindung zu verhindern, wurde erfolgreich durchgeführt. Der Westen profitierte von den wenigen Demontagen und konnte sich wirtschaftlich deutlich schneller erholen, ohne dabei auf große Aufträge an die Alliierten zurückgreifen zu müssen. Im Bereich der Reparationen war sehr schnell klar, dass eine ähnliche Belastung wie nach dem Ersten Weltkrieg seitens der Alliierten aus eigenem Interesse nicht erfolgen würde. Zwar leistete die BRD insgesamt eine Summe von knapp 71 MRD Euro an Wiedergutmachung und Reparationen. Im Vergleich zu den Leistungen aus den Versailler Verträgen ist das allerdings sehr wenig und fällt nicht sonderlich ins Gewicht. Die Politik gegenüber den ehemaligen Zwangsarbeitern und Holocaust-Überlebenden steht damals wie heute in der Kritik und wird seitens der Bundesbürger oft als Schande empfunden. Insgesamt sind von Deutschland geleisteten Kompensationen in keinem Verhältnis zu den entstandenen Schäden während des Krieges zu sehen, egal auf welchem Gebiet man diese Berechnung anstellen möchte.
Autor: Bernd Fischer
Literatur
Benz, Wolfgang: Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch. Berlin 1999.
Herbert Ulrich / Axel Schildt: Kriegsende in Europa. Essen 1998.
Weber, Jürgen: Das Jahr 1949 in der deutschen Geschichte. Die doppelte Staatsgründung. München 1997.
Weber, Jürgen: Der Bauplan für die Republik. Das Jahr 1948 in der deutschen Nachkriegsgeschichte. München 1997.