Rüdiger Hachtmann: Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront 1933-1945, Göttingen 2012.
Im kollektiven Gedächtnis der Bundesbürger blieb der Gedanke haften, dass die Deutsche Arbeitsfront (DAF) alleinig die Nachfolgeorganisation der vielfältig politisch und religiös ausgerichteten Gewerkschaften im Jahr der Machtübertragung an Hitler sei. Über (versuchte) ideologische Einflussnahme braucht heutzutage kein Wort mehr verloren zu werden. Kaum zur Kenntnis genommen wurde indes, dass nebenher ein Mischkonzern mit bis zu 200.000 Mitarbeitern und dem Umsatz von etwa zwei Milliarden Reichsmark entstanden war. In elf recht unterschiedlich umfangreichen Kapiteln stellt Rüdiger Hachtmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, das Wirtschaftsimperium der DAF vor. Seine Bestandteile sind zwischen Banken und Versicherungsgruppe angesiedelt. Gleichfalls wirft er den Blick auf dazugehörige Genossenschaften und das Personalwesen, um im Schlusskapitel deren „Spuren nach 1945“ zu verfolgen.
Die grundsätzliche und zentrale Aufgabe der DAF war nach Hitlers Willen der Aufbau einer „wirklichen Volks- und Leistungsgesellschaft aller Deutschen“. Adressat des Wunsches stellt die politisch heterogene Arbeiterschaft dar. Zum Teil hatte sie den Hauptfeind der NSDAP vor 1933 ausgemacht: Sozialdemokraten und Kommunisten. Zu entschärfen galt es die das System gefährdenden Einstellungen, um nun schrittweise nationalsozialistische Werte in den proletarischen Schichten zu verankern. Erklärtes Ziel waren pflichteifrige und leistungsstarke „Volksgenossen“, denen mit attraktiven Kultur- und Freizeitangeboten die oft triste Gegenwart schmackhaft gemacht werden sollte. Gute soziale Argumente stellten gesunde Wohnungen, Versicherungen oder Konten zu günstigen Konditionen, preiswerte Bücher, der Volkswagen und anderes mehr im Repertoire der DAF dar.
Mit den sozialen waren politische Zielstellungen verbunden. Mit annehmbaren Vermutungen argumentiert Hachtmann, dass die „Führung um Robert Ley die Arbeitsfront zu einem ‚Staat im Staate’ machen wollte, um das ‚Dritte Reich’ von innen heraus zu beherrschen“. Die Basis dafür entstand aus dem „übernommenen“ Vermögen der Vorgängerunternehmen.
Archivarische Überlieferungen sind mangelhaft, da der bedeutende Teil der Aktenbestände der DAF während der Bombardierung Berlins und Hamburgs verbrannte und vor Kriegsende Angestellte Dokumente bewusst vernichteten. Rüdiger Hachtmann konnte allerdings den Schriftwechsel mit Ministerien und anderen staatlichen und parteiinternen Dienststellen für seine Untersuchung heranziehen. So entstand ein kompetentes Sachbuch, welches die vielen Facetten zwischen wirtschaftlichen Unternehmungen und weltanschaulicher Einflussnahme für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 nahebringt.
Autor: Uwe Ullrich
Hachtmann, Rüdiger: Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront 1933-1945 (Geschichte und Gegenwart, Band 3); Göttingen 2012; 710 Seiten, zahlreiche Tabellen, 49,90 Euro