Rezension über:
Petra Maria Schulz: Ästhetisierung von Gewalt in der Weimarer Republik (= Theorie und Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft; Band 21). Westfälisches Dampfboot, Münster 2004, 283 Seiten, ISBN 3-89691-121-X, EUR 35,00.
Gewalt prägte die politische Kultur der Weimarer Republik seit ihrer Gründung. Ihre Gegner versuchten mehrfach gewaltsam durch einen Putsch die Demokratie abzuschaffen. Paramilitärische Organisationen von Parteien, darunter die SA, bestimmten das Bild der Straße. Gewaltsame Auseinandersetzungen auf politischen Veranstaltungen der Parteien gehörten in den 1920er- und 1930er-Jahren zum Alltag der Republik. Vor allem die Nationalsozialisten schufen ein Klima der Angst und der Gewalt. Jahr für Jahr gab es Tote auf den Straßen. Mehr noch: Die politische Sprache der Parteien, und nicht nur die der Nazis, war von Gewalt geprägt. Politische Plakate, damals eines der modernsten Massenmedien, zeigten vielfach militärische Sujets: Bewaffnete Soldaten, germanische Krieger oder Arbeiter mit Faust und Hammer. Selbst die die Republik stützenden Parteien wie die Sozialdemokraten arbeiteten in ihren Wahlkämpfen mit solchen martialischen Bildern.
Diese verbreitete Gewaltbereitschaft wird meist auf eine allgemeine Brutalisierung der Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg zurückgeführt: Die Erfahrung von millionenfachem Leid und Tod, die über Jahre hin zur Gewohnheit gewordene Einteilung der Welt in Freund und Feind habe die Menschen gegen die jede Form der Gewalt abstumpfen lassen.
Die Arbeit von Petra Maria Schulz – 2001 als Dissertation an der Universität Münster eingereicht – fragt genauer nach den Mustern gesellschaftlicher Gewaltakzeptanz und verbreiteter Gewaltfaszination. Den Schwerpunkt legt sie auf die politische Propaganda, insbesondere auf die der NS-Bewegung. Dort bekannte man sich ganz offen zur Gewalt. „Propaganda und Gewalt sind niemals absolute Gegenpole. Die Gewaltanwendung kann Teil der Propaganda sein“, so der Nationalsozialist Eugen Hadamovsky.
In einem ersten Abschnitt setzt sich Schulz mit der „Ästhetisierung von Gewalt in der Philosophie Nietzsches“ auseinander. Ohne eine direkte Linie von Nietzsche zum Nationalsozialismus zu ziehen, sieht sie ihn doch als einen Repräsentanten und Wegbereiter eines Klimas der Gewalt. Seine Ideen vom „Übermenschen“, vom Prinzip des Lebens als Kampf hätten von den Nationalsozialisten leicht für ihre Zwecke instrumentalisiert werden können. Weitere Abschnitte thematisieren die Theorien der Massenpsychologie, Gewaltdarstellungen auf Plakaten und die nationalsozialistische „Inszenierung von Gewalt.“
Petra Maria Schulz unterscheidet dabei zwei Aspekte der Gewalt. Zum einen den Diskurs um den heroischen Männlichkeitskult, der direkt im Zusammenhang mit dem Weltkrieg stand. In der Verarbeitung der Niederlage wurde der Frontkämpfer, der sich für sein Vaterland opferte, zu einer Idealfigur, die für die Propaganda der Rechten konstitutiv wurde. In ihren zahlreichen Totenfeiern und Verkultungen der für die Bewegung gefallenen Kämpfer gelang es der NSDAP symbolisch eine Verbindung zum Heldenideal der Kriegszeit herzustellen. Öffentlich konnten sie sich so als Fortführer des deutschen Frontkämpfertums präsentieren. „Nationalsozialist. Oder umsonst waren die Opfer“ warb ein NS-Plakat, das einen Weltkriegssoldaten zeigt.
Auch im subjektiven Erleben der NS-Aktivisten spielte diese Verbindung eine große Rolle. Die Mehrzahl der SA-Mitglieder war nach 1900 geboren, hatte selbst also keine Kriegserfahrung. Im Idol des SA-Kämpfers konnte eine unmittelbare Anknüpfung an das Kriegerideal getroffen werden.
Der zweite Aspekt des Gewaltdiskurses ist – für Heutige schwer verständlich – mit der Idee des vitalistischen Aktionismus verbunden. In der Gewalt drückt sich demnach jugendlicher Lebenswille aus. Gewalt und Kampf werden Selbstzweck, zur höchsten Form des Lebens überhaupt. Nur wer sich ständig der Lebensgefahr aussetzt, lebt nach dieser Logik wirklich. Gewaltanwendung erscheint in dieser Perspektive wie eine jugendliche Befreiung von verkrusteten bürgerlichen Zwängen. Zahlreiche Berichte von SA-Angehörigen aus dieser Zeit belegen wie stark Saal- und Straßenschlachten als positives Erlebnis begriffen wurden.
Petra Maria Schulz gelingt es in ihrer Arbeit hervorragend, die enge Verbindung von Gewalt und Propaganda im Nationalsozialismus in den Kontext zeittypischer Diskurse zu stellen. Eine Einbeziehung der Gewaltpropaganda innerhalb der völkischen Bewegung und des völkischen Diskurses seit der Kaiserzeit hätte diesen Befund noch ergänzen können. Hier wurde schon vor dem Ersten Weltkrieg das Ideal des opferbereiten – meist germanischen – Helden propagiert, das bis in die Bildsprache der Weimarer Parteiplakate weiterwirkte.
Die Studie von Petra Maria Schulz ist ein wichtiger Beitrag zur politischen Kultur Weimars, ein gegenüber verfassungsrechtlichen und politischen Fragestellungen noch immer zu wenig bearbeitetes Feld in der Geschichtswissenschaft.
Autor (Rezensent): Dr. Bernd Kleinhans M.A.