Der Donbass-Konflikt: Entstehung, Verlauf und Rezeption
Der Donbass-Konflikt beschreibt das Geschehen vor dem Krieg in der Ukraine. Er hatte verschiedene Ursachen und wurde in unterschiedlichen Phasen ausgetragen. Viele Menschen verwechseln den Donbass-Konflikt mit dem Krieg in der Ukraine. Das ist so nicht richtig, denn der Konflikt im Donbass konzentriert sich auf eine Region in der Ukraine und ist ein Konflikt, und kein Krieg. Es gab zudem offiziell keine Kampfhandlungen zwischen Truppen zweier existierender Staaten. Verdeckt ist allerdings davon auszugehen, dass die Russische Föderation die Separatisten im Donbass mit Truppen und Material versorgte.
Die Vorgeschichte zum Donbass-Konflikt
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden auch die bisherigen sicherheitspolitischen Strukturen in Europa neu verteilt. Die Ukraine wurde auf einen Schlag zu einer der größten Atommächte der Welt, da hier ein großer Teil des sowjetischen Atomwaffenarsenals gelagert wurde. Im Zuge der Aufgabe dieser Waffe, sowie den Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag, erhielt die Ukraine die Sicherheitsgarantien der USA und der Russischen Föderation. Die innenpolitische Lage in der Ukraine war damals kompliziert und das Land war stark von Korruption und wirtschaftlichem Niedergang betroffen. Die Russische Föderation konnte hier nicht helfen, weswegen die Europäische Union als Partner immer attraktiver wurde. Im Zuge der Euromaidan-Revolution trat der Konflikt zwischen der EU, der NATO und der Russischen Föderation erstmals offen zutage. Die Regierung der Russischen Föderation unter Wladimir Putin war stark nationalistisch orientiert und wünschte sich eine Rückkehr zum Großmachtstatus aus den Zeiten der Sowjetunion. Die Ukraine wurde und wird in dieser ideologischen Sicht als ein „natürlicher Teil“ Russlands betrachtet. Zudem betrachtet die Regierung der Russischen Föderation die NATO-Osterweiterung als sicherheitspolitisches Risiko und erklärte vor Beginn des Konflikts ihr Interesse an der Einrichtung einer Pufferzone. Die Halbinsel der Krim war ein weiterer gewichtiger Streitpunkt. Der dortige russische Flottenstützpunkt war und ist aus Sicht der Russischen Föderation unverzichtbar, befand sich allerdings seit einer Landschenkung durch Chruschtschow im Besitz der Ukraine. Die Regierung der Ukraine nutzte diesen Status häufiger, um aus ihrer Sicht größere Vorteile aus Handels- und Energieverträgen herauszuschlagen. So gesehen war es also nur eine Frage der Zeit, bis die Russische Föderation aus ihrer Sichtweise heraus reagieren musste.
Beginn des Konflikts und Besetzung der Krim
Im Zuge der Verschiebung der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU kam es in Kiew zur sogenannten Euromaidan-Revolution. Der ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch war ein von Russland geförderter Politiker und musste im Zuge der Revolution zurücktreten und fliehen. Die Russische Föderation begann umgehend mit der verdeckten Annexion der Halbinsel Krim. Dabei wurden unkenntlich gemachte Truppenteile in die Region geschickt, die Schlüsselpositionen in der Verwaltung besetzt und übernommen und anschließend eine gesteuerte Wahl über den Beitritt der Krim zur Russischen Föderation durchgeführt. Anschließend wurde die Krim zum Teil des Staatsgebietes der Russischen Föderation erklärt. Die Ukraine konnte aufgrund der instabilen innenpolitischen Lage keine Gegenmaßnahmen ergreifen und beschränkte sich auf die Unterbrechung der Versorgung der Halbinsel. Mitte April 2014 erwähnte Wladimir Putin die Region eines Staates „Neurussland“. Der historische Kontext weist darauf hin, dass damit die Ukraine gemeint ist. Diese wurde in der Zarenzeit als „Neurussland“ bezeichnet. Ab diesem Zeitpunkt war es offensichtlich, dass die Ansprüche der Russischen Föderation in der Region noch nicht befriedigt waren.
Parallel zur verdeckten Annexion der Krim drangen ebenfalls verdeckte Einheiten in den Donbass ein und sorgten für eine Destabilisierung der Region. Bereits im Mai und im April 2014 wurden die Volksrepubliken Donezk und Luhansk durch prorussische Separatisten etabliert und mit der Hilfe einer fingierten Volksbefragung legitimiert. Auch wenn kein Beitritt in die Russische Föderation erfolgte, wurden seitens der Volksrepubliken vermutlich mit Einverständnis der Regierung in Moskau die Grenzen der Staaten festgelegt. Die Ukraine antwortete auf dieses Vorgehen mit der Entsendung eigener Truppenteile, was wiederum eine erstmalige offizielle Reaktion der Russischen Föderation verursachte. Russland schickte einen „Hilfskonvoi“, der offiziell Lebensmittel und Hilfsgüter transportierte. Inoffiziell flossen schon länger hochwertige Militärgüter über die Grenzen und unterstützten die Bestrebungen der Separatisten. Nachfolgend mischten sich die europäischen Staaten als Vermittler stärker in das Geschehen ein. Die internationalen Abkommen Minsk I und Minsk II gingen maßgeblich auf die Vermittlung der Europäischen Union zurück und resultierten auch aus dem Entsetzen der Kriegsbilder, sowie des Abschusses des Fluges MH17. Letzterer verursachte starke internationale Reaktionen, weswegen Russland einlenken musste. Allerdings wurden die Abkommen beidseitig nie eingehalten und müssen als gescheitert bezeichnet werden. Letztlich mündete das Geschehen in den Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022.
Einordnung des Donbass-Konflikts in die Denkweise Russlands in Bezug auf die europäische Sicherheitsarchitektur
Um den Konflikt zu verstehen, muss man auch die Psychologie der russischen Bevölkerung verstehen. Denn geostrategisch hat aufgrund der Reaktion des Westens, sowie der hohen Kosten und der Undurchführbarkeit einer dauerhaften Besetzung der Ukraine, der Konflikt nur wenig Sinn. Die russische Bevölkerung bejubelte die Annexion der Krim und steht auch den Volksrepubliken durchaus positiv gegenüber. Das liegt auf der einen Seite natürlich an der Propaganda der russischen Staatsmedien. Allerdings hat der Zusammenbruch auch das Selbstwertgefühl des Volkes erodieren lassen und dafür gesorgt, dass jeder außenpolitische militärische Erfolg gefeiert wird. Experten vergleichen die Situation gerne mit Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Der starke Nationalismus der russischen Bevölkerung nährt sich aus der Geschichte des Landes und spielt eine gewichtige Rolle. Man darf davon ausgehen, dass sicherheitspolitische Interessen der Russischen Föderation nur eine gewisse Rolle bei der Entscheidung für den Konflikt spielen. Vielmehr geht es dem Präsidenten Wladimir Putin um den Erhalt seiner Macht. Denn weder verändern sich die Flugzeiten der interkontinentalen Atomraketen, noch sind die Regionen reich an Ressourcen. Da die Regionen weitestgehend zerstört sind, ist ein wirtschaftlicher Vorteil aus der Vereinnahmung der Volksrepubliken durch die Russische Föderation ebenfalls nicht ersichtlich. Das Narrativ der derzeitigen Außenpolitik der Russischen Föderation zielt auf die Wiederherstellung des Status als Weltmacht ab. Allerdings beweist die Führung bei der Führung des Donbass Konflikts, sowie bei der Durchführung des Krieges bisher eher ein ungeschicktes Verhalten. Es ist zudem davon auszugehen, dass der Konflikt die Russische Föderation nachhaltig schwächen könnte und die Verbindung zum Westen, sowie zu den ehemaligen Verbündeten komplett abreißen lassen wird. Mittelfristig und langfristig ist der Konflikt, bis auf die Einnahme der Krim, für Russland wenig ergiebig.
Autor: Michael Schmidt
Weitere Informationen unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Russisch-Ukrainischer_Krieg#Euromaidan_und_Annexion_der_Krim_2014
https://www.swp-berlin.org/en/publication/donbas-konflikt-schwieriger-friedensprozess
https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine/333468/statistik-konflikt-im-donbas/