Der Transnistrien Konflikt: Im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion entstanden 15 unabhängige und souveräne Staaten. In den meisten dieser Staaten verlief der Übergang relativ reibungslos. Hingegen im Kaukasus und in Moldawien war dies nicht der Fall. Moldawien, auch bekannt als Republik Moldau, liegt heute zwischen Rumänien und der Ukraine. Vielen Westeuropäern ist vermutlich noch nicht einmal die bloße Existenz dieses Landes geläufig, obwohl es doch mitten in Europa liegt.
Im Zuge des russisch-türkischen Krieges 1787-92 war das Territorium des heutigen Moldawien bereits umstritten und fiel schlussendlich durch den Berliner Kongress 1878 in weiten Teilen an das Russische Reich. Während der Oktoberrevolution 1917 bildeten sich ein Landesrat, welcher die Moldauische Demokratische Republik ausrief, welche wiederum als föderatives Mitglied Teil des Russischen Reiches bleiben wollte. Jedoch wurde bereits ein Jahr später das Gebiet durch Rumänische Truppen besetzt, welche der Entente angehörten und den Niedergang des Zarenreiches ausnutzten. Die neu konstituierte Sowjetunion betrachtete Moldawien trotz allem als integralen Bestandteil ihres Staatsgebietes und forderte ab 1920 Rumänien zu dessen Rückgabe auf. Die Gebiete östlich des Flusses Dnister (Transnistrien) waren während des Ersten Weltkriegs von den Mittelmächten besetzt und wurden schlussendlich im Zuge der Entstehung der Sowjetunion in die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik eingegliedert. 1940 entstand die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik, welche erstmals identisch mit dem heutigen Staatsgebiet Moldawiens war. Während des Zweiten Weltkriegs wurde diese erneut von Rumänien besetzt und in das eigene Staatsgebiet eingegliedert. Die währte wiederum nicht lang und der Sieg der Sowjetunion beendete diesen Zustand schlussendlich. Die Häufigkeit der Kämpfe um die besagten Gebiete machen die strategische Bedeutung dieses Landstrichs deutlich und sind ein erster Hinweis auf die weiteren Entwicklungen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte sich die Moldauisch sprechende Bevölkerung im westlichen Landesteil, wohingegen in Transnistrien überwiegend russisch und ukrainisch sprechende Menschen dominierten. Die Sowjetunion bemühte sich um eine Russifizierung des Territoriums, um Konflikte der Volksgruppen zu unterbinden und die Regierungsgewalt zu wahren. Hinzu kam, dass vor allem auch Arbeiter und Ingenieure aus Russland in den Betrieben Transnistriens beschäftigt wurden und sich naturgemäß mit ihren Familien dort niederließen, sodass sie eine zunehmend eigenständige Bevölkerungsgruppe bildeten.
Im Rahmen des Zerfalls der Sowjetunion erklärte sich Moldawien 1990 für unabhängig. Nachdem sich bereits seit den 1980er Jahren eine zunehmende Nationalbewegung gebildet hatte, wurde nach der Unabhängigkeit die moldauische Sprache (de facto Rumänisch) als einzige Amtssprache der neuen Republik eingeführt und dem Russischen keine Rolle mehr beigemessen, obgleich ein großer Teil der Bevölkerung russischsprachig war.
Letzteres führte wiederum dazu, dass der transnistrische Landesteil seine Rechte und seine Zukunft bedroht sah und sich nun ebenfalls um Unabhängigkeit bemühte. Da jedoch ein Großteil der Industrie des Landes in diesem Gebiet lag, war eine Unabhängigkeit Transnistriens für Moldawien nicht akzeptabel.
Als mit dem gescheiterten Augustputsch in Moskau der Zerfall der Sowjetunion endgültig war, traten offene Konflikte zwischen beiden Territorien, Transnistrien und dem Moldauischen Kernland zutage. Ein Schlüsselproblem war die 14. Gardearmee der ehemaligen Roten Armee, welche weiterhin auf dem Territorium der einstigen Sowjetrepublik stationiert und deren rechtlicher Status nun umstritten war. Beide Seiten versuchten ihrerseits Zugriff auf die Waffen und Fahrzeuge dieser Armee zu erhalten. Schlussendlich wurde dies jedoch verhindert und die 14. Armee offiziell durch international anerkannte Verträge dem Oberkommando der russischen Föderation unterstellt. Sie zog 1993 ab. Trotz allem brach 1992 nun endgültig ein offener Bürgerkrieg zwischen Moldawien und Transnistrien aus.
Der Transnistrien Konflikt von 1992 bis heute
Beide Seiten verfügten über größere Mengen sowjetischen Militärgeräts, bis hin zum Kampfpanzer. Die genaue Herkunft und die Umstände der Überlassung sind umstritten. Da das taktisch höherwertige Gerät vorwiegend dem transnistrischen Teil überlassen wurde, hatten die transnistrischen Kämpfer einen strategischen Vorteil und es gelang den Moldauischen Streitkräften nicht, den überlegenen Gegner militärisch zu besiegen. Während der Kampfhandlungen starben 1.000 Menschen. Im Juli 1992 wurde der Konflikt durch einen Friedensvertrag beigelegt und die Kampfhandlungen beendet. Teile der Russischen 14. Armee unter ihrem Kommandeur Alexander Lebed und Soldaten der jeweiligen Konfliktpartei überwachten gemeinsam die Einhaltung des Waffenstillstands. Seitdem herrscht der Status quo und der Konflikt ist als „eingefroren“ zu betrachten. Eine friedliche Lösung ist durch die Eskalation im Nachbarland Ukraine ab 2014 zusätzlich in weite Ferne gerückt. Die mehrheitlich russischsprachigen Transnistrier betrachten sich als unterdrückte Minderheit und suchen offen den Schutz Moskaus. Kein Land der Welt, nicht einmal Russland, hat jedoch die Unabhängigkeit und Souveränität Transnistriens offiziell anerkannt. Da es sich völkerrechtlich somit weiterhin um das Territorium der Republik Moldau handelt, ist dieser wiederum eine positive politische und wirtschaftliche Entwicklung verwehrt. Länder mit schwelenden innenpolitischen Konflikten dieser Art ist der Weg in NATO und EU versagt, sodass sich diese Fragen beispielsweise nicht stellen, solang der Konflikt andauert. Im Wissen dessen, hat der russische Präsident Putin ein starkes Interesse daran, den Konflikt in der aktuellen Form laufen zu lassen und bei Bedarf gezielt zu eskalieren. Die Nichtanerkennung der Souveränität ist möglicherweise genau in diesem Umstand begründet.
Letzteres ist im Zuge des Ukrainekrieges im Frühjahr 2022 zu beobachten. Vermehrt gibt es Medienberichte, welche daraufhin deuten, dass Putin den Vorwand des Schutzes der „unterdrückten Russen“ in Transnistrien ebenso wie zuvor in der Ostukraine, ausnutzen könnte, um in Moldawien militärisch zu intervenieren. Ebenso wie die Ukraine, Belarus und Georgien betrachtet Putin Moldawien als Einflusssphäre Moskaus und wird einen Westbindung des Landes mit allen Mitteln verhindern wollen. Derzeit bleibt es zu beobachten, wie sich der Konflikt weiter entwickelt. Was allerdings außer Frage stehen dürfte ist der Umstand, dass die transnistrischen Separatisten Anweisungen aus Moskau erhalten und diese bereitwillig umsetzen.
Autor: Bernd Fischer
Weitere Informationen unter:
Hanne, G. (1998). Der Transnistrien-Konflikt: Ursachen, Entwicklungsbedingungen und Perspektiven einer Regulierung. (Berichte / BIOst, 42-1998). Köln: Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien.
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/moldau-node/transnistrien-konflikt/2138338
https://www.deutschlandfunk.de/russlands-doppeltes-spiel-im-transnistrien-konflikt-100.html