Mit ihrer Ohrfeige für Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger auf dem CDU-Parteitag im November 1968 wurde Beate Klarsfeld zu einer Ikone der 68er-Bewegung in Deutschland. Ziel ihrer Aktion war es, darauf hinzuweisen, dass Kiesinger, wie viele führende Politiker der Bundesrepublik Deutschland der 50er und 60er Jahre, Nationalsozialist gewesen war. Was zumindest in Deutschland weniger bekannt sein dürfte: Das Leben von Beate Klarsfeld und ihrem französischen Mann Serge, einem Pariser Rechtsanwalt, war und ist bis heute bestimmt von dem Kampf gegen alte und junge Nazis. Und das mit zwei Schwerpunkten: der Dokumentation der Biografien von jüdischen Kindern aus Frankreich, die im Rahmen der Shoa deportiert und ermordet wurden, und dem Aufspüren von NS-Tätern, die in Frankreich während der deutschen Besatzung an der Verfolgung der Juden beteiligt waren. So bemühten sich die Klarsfelds u. a., die Gestapo-Männer Kurt Lischka und Klaus Barbie vor ordentliche Gerichte zu bringen.
Wer mehr wissen möchte, kann jetzt zu der Graphic Novel Beate und Serge Klarsfeld. Die Nazijäger von Bresson und Dorange greifen, die auf der Autobiografie der Klarsfelds basiert. In Vor- und Rückblenden werden geschickt die Handlungsmotive der Protagonisten herausgearbeitet. Anschaulich wird dabei, wie stark der politische Kampf auch mit persönlichen Entbehrungen und Gefahren verbunden war, wenn etwa der für die NS-Massaker in Lyon und die Ermordung des Führers der Résistance Jean Moulin verantwortliche Klaus Barbie in Bolivien aufgespürt wurde. Ebenso wird gezeigt, dass alte NS-Seilschaften und CIA-Verbindungen, die nach 1945 NS-Tätern zur Flucht verhalfen, nicht nur in Deutschland und Lateinamerika, sondern auch in Frankreich die Arbeit der Klarsfelds zu sabotieren suchten.
Das Buch von Bresson und Dorange ist nicht nur ein überaus spannendes Geschichtsbuch. Es ist auch eine gelungene Graphic Novel. Überzeugend variieren die Autoren die Größe der Panels, um wichtige Details authentisch zu zeigen oder Spannung zu erzeugen. Durch unterschiedliche Farbgebung und zusätzliche Zeitangaben wird es möglich, die zeitlichen Sprünge gut nachzuvollziehen. Insbesondere jüngeren und nicht ganz geschichtsaffinen Leserinnen und Lesern würde die Lektüre dieses lesenswerten Buchs erleichtert, wenn es um eine Zeittafel sowie ein Lexikon ergänzt würde.
Autor: Tomas Unglaube
Pascal Bresson / Sylvain Dorange: Beate & Serge Klarsfeld. Die Nazijäger, Hamburg: Carlsen 2021