Im Dezember des Jahres 1979 marschierten sowjetische Militäreinheiten über die Grenze in das Nachbarland Afghanistan ein. Gleichzeitig landeten rund 7.000 Elitesoldaten und Fallschirmspringer nahe der Stadt Kabul. Mit dieser Invasion begann ein grausamer Krieg, der Zehntausende Menschenleben forderte, die Sowjetunion international isolierte und Afghanistan für immer verändern sollte.
Historische und politische Hintergründe
Der Staat Afghanistan blickt auf eine lange, wechselvolle Geschichte voller Besetzungen und Eroberungen zurück. Seit seinen Anfängen stellte er immer wieder einen Kriegsschauplatz und das Ziel fremder Invasoren dar. Im Jahr 1919 erreichte der damalige Machthaber Emir Amanullah die staatliche Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Großbritannien. Im Gegenzug sicherten sich die Briten weitreichende territoriale Befugnisse, was lange für Konflikte in der Region sorgte. Im Laufe des 20. Jahrhunderts versuchten mehrere Herrscher das rückständige Land sozial und politisch zu modernisieren. In dieser Zeit pflegten Afghanistan und die Sowjetunion gute Beziehungen zueinander. So erkannten sie gegenseitig ihre Staatsgründungen zu einem sehr frühen Zeitpunkt an. Bis in die 1960er-Jahre unterstützte Moskau das Nachbarland durch Kredite und Ausbilder für die Armee. Nach dem Sturz des letzten Königs 1973 zeigte sich Afghanistan politisch und wirtschaftlich zunehmend instabil. Im Jahr 1978 folgten die Errichtung eines kommunistischen Systems und die Annäherung an den Ostblock. Bald wuchs dagegen eine breite Opposition in der Bevölkerung. Insbesondere die Säkularisierung, also die forcierte Abwendung von der Religion, stieß auf entschiedene Ablehnung. Die inneren Unruhen nahmen zu und mündeten in teils bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Führung in Moskau sah sich genötigt, zu reagieren. Vor Beginn der eigentlichen Invasion infiltrierten sowjetische Elitetruppen das Land und beseitigten potenzielle Widerstandskämpfer, vor allem populäre muslimische Geistliche. Als Reaktion auf einen weiteren Militärputsch marschierten im Dezember 1979 Truppen der UdSSR in Afghanistan ein. Sie wollten ihren Einfluss in der Region sichern und gleichzeitig gegen islamistische Strömungen vorgehen. Die Sowjets beriefen sich auf einen im Jahr 1978 unterzeichneten Freundschaftsvertrag beider Seiten. So begann der Feldzug der Roten Armee – und die erbitterte Gegenwehr der muslimischen „Mudschaheddin“-Kämpfer, die den Eindringlingen den „Heiligen Krieg“ erklärten.
“Guerillataktik“ gegen militärische Übermacht – das blutige Jahrzehnt
Der von den Sowjets eingesetzte Regierungschef Babrak Karmal, legitimierte den Einmarsch in den formal neutralen Staat nachträglich, indem er um „brüderliche Hilfe“ bat. Die Intervention schien anfangs den von der UdSSR erwarteten Verlauf zu nehmen. Das Land befand sich nach einer Woche zum großen Teil unter Kontrolle von 40.000 Soldaten der Roten Armee. Die Verluste der Mudschaheddin waren zunächst beträchtlich, ihre Ausrüstung hoffnungslos veraltet. Die Sowjetunion setzte im Vorfeld auf ein stillschweigendes Akzeptieren ihres Vorgehens durch die internationale Staatengemeinschaft. Doch zahlreiche Länder verurteilten den als „Aggression“ bezeichneten Einmarsch einmütig und isolierten den Angreifer. Dadurch wendete sich das Blatt. Vor allem die US-Regierung ergriff harte Straf- und Sanktionsmaßnahmen gegen die Invasoren. Historiker gehen allgemein davon aus, dass das amerikanische Verteidigungsministerium die Rebellen mit Waffenlieferungen unterstützte und durch Geheimoperationen ihren Gegner schwächte. Zudem schlossen sich etwa zwei Drittel des afghanischen Militärs dem Widerstand gegen die Rote Armee an. Zu den einschneidendsten Sanktionen gehörte ein weitreichender Boykott der Olympischen Spiele in Moskau 1980. Das Nachbarland Pakistan spielte eine zentrale Rolle im Verlauf der Kampfhandlungen. Obwohl offizielle Stellen es stets bestritten, fungierte der pakistanische Geheimdienst als Mittelsmann für Waffenlieferungen und die strategische Unterstützung der Mudschaheddin.
Krieg ohne Sieger: die sowjetischen Truppen auf dem Rückzug

Die letzten sowjetischen Soldaten verlassen Afghanistan über die Brücke von Termiz
Aus dem sowjetischen Krieg in Afghanistan entwickelte sich mit der Zeit eine Art „Stellvertreterkrieg“ gegen den Kommunismus. Trotz ihrer immensen Truppenstärke – zeitweise kämpften 115.000 Soldaten der Roten Armee in Afghanistan – gelang es den Sowjets nicht, die Rebellen zu besiegen. Beide Kriegsparteien gingen mit brutaler Härte gegeneinander vor. Folterungen waren an der Tagesordnung. So reagierten die Invasoren auf die Guerillataktik der afghanischen Befreiungskämpfer mit zunehmendem Terror gegen die zivile Bevölkerung. Der Widerstand gestaltete sich daraufhin umso erbitterter. Dank ihrer internationalen Unterstützer gelangten die Mudschaheddin in den Besitz moderner „Stinger-Raketen“. Mit diesen Flugabwehrwaffen ließen sich nun Hubschrauber und angreifende Kampfflieger effektiv bekämpfen. Daraufhin stiegen die Todeszahlen der Sowjetarmee sprunghaft an. Die Moskauer Regierung kam schließlich zu der Erkenntnis, dass ihre Armee den Krieg nicht gewinnen konnte. Als 1985 mit Michail Gorbatschow ein reformbereiter Machthaber in den Kreml einzog, suchte er nach Wegen, den Konflikt ohne größeren Gesichtsverlust zu beenden.
Im April 1988 besiegelt das „Genfer Abkommen“, unter Beteiligung Pakistans und der USA, formal das Kriegsende zwischen der UdSSR und Afghanistan. Am 15. Februar 1989 verließ der letzte sowjetische Soldat das zerstörte und bitterarme Land.
Kein Frieden am Hindukusch – die Folgen des Krieges bis heute
Zahlreiche Historiker verglichen den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan mit dem US-amerikanischen Krieg in Vietnam. Hier wie dort verfehlten die jeweiligen Supermächte ihre Pläne. Sowohl in Vietnam als auch in Afghanistan waren große Verluste bei Armee und Zivilbevölkerung die Folge. In Afghanistan gab es über eine Million Todesopfer. Fünf Millionen Menschen verloren ihre Heimat. Die sowjetische Seite bezifferte ihre gefallenen Soldaten auf bis zu 26.000. Die Rote Armee hinterließ ein Land ohne militärische Struktur und ohne feste politische Ordnung. Die Regierung hielt sich noch drei Jahre an der Macht, brach aber schließlich zusammen. Daraufhin traten in Afghanistan und der gesamten Region unzählige Konflikte und Stammesfehden zutage. Etwa ab 1994 formierte sich mit pakistanischer Unterstützung die radikalislamische Bewegung der Taliban („Religionsschüler“) mit dem Ziel, eines „Gottesstaates“. Ab 1996 regierte die Gruppierung das Land und errichtete eine Schreckensherrschaft. Im Jahr 2001 schlossen sich als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September mehrere Länder unter Führung der USA zu einem Militärbündnis zusammen. Das Ziel dieser Allianz stellte die Terrororganisation „Al-Qaida“ dar, deren Unterschlupf sie in Afghanistan vermutete. Im Zuge des Einsatzes beendete diese Koalition – vorerst – die islamistische Herrschaft im Land. Nach Abzug der Einsatzkräfte übernahmen die Taliban erneut die Macht. Für die Bevölkerung am Hindukusch zeigt sich damit bis heute kein Frieden am Horizont. Ähnlich wie der Vietnamkrieg in den USA bildete der Konflikt mit Afghanistan für die Sowjetunion einen äußerst heiklen Punkt. Das Regime achtete darauf, das Thema soweit als möglich unter Verschluss zu halten. Manche Historiker vertreten die Meinung, die Invasion und ihre Auswirkungen trugen zum Zerfall der UdSSR entscheidend bei. Erst Anfang der 1990er-Jahre traten viele der erschütternden Einzelheiten zutage. Die „Zinkjungen“, in verschweißten Zinksärgen heimgekehrte gefallene Soldaten, wurden nun nicht länger totgeschwiegen.
Autor: Michael Schmidt
Weiterführende Informationen
- https://www.spiegel.de/geschichte/sowjetische-invasion-in-afghanistan-1979-das-vietnam-der-russen-a-1301765.html
- https://www.welt.de/geschichte/article237243475/Invasionen-So-scheiterte-die-sowjetische-Armee-in-Afghanistan.html
- https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/innerstaatliche-konflikte/269400/zentralasien-historische-ursachen-und-hintergruende-der-regionalen-konflikte/