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Startseite > Biographien > Walther Hewel (1904–1945)
Geschrieben von: Hubert Beckers
Erstellt:

Walther Hewel (1904–1945)

Jugend

Walther Hewel wurde am am 25. März 1904 in Köln als Sohn einer gutsituierten Familie aus Rheinhessen geboren: Vater Anton Hewel war Teilhaber einer Kakaofabrik, Mutter Elsa Hewel war eine geborene Freiin von Lindenfels. Vater Anton starb schon 1913; Mutter Elsa versuchte, nach dem Tode ihres Ehemannes die Fabrik weiterzuführen. Die materielle Situation der Familie wurde vom Tode des Vaters zunächst nicht beeinträchtigt. Walther besuchte das Realgymnasium in Köln und legte das Abitur im März 1923 ab. Nach sechsmonatiger Praktikantenzeit in einer Kölner Maschinenfabrik nahm er im Oktober 1923 das Technik- und Wirtschaftsstudium an der Technischen Hochschule in München auf, das er ohne Abschluss beendete.

Hitlerputsch 1923

Dort erfolgte am 20. Oktober 1923 seine Aufnahme in den „Stosstrupp Hitler“, ein nationalsozialistischer paramilitärischer Verband und eine persönliche SA-Schutzgarde des Parteichefs (damit eigentlich ein Vorläufer der SS); im Mai 1923 aufgestellt worden unter der Leitung des Leutnants a. D. Josef Berchtold. Hewels Motive dazu sind nicht mehr zu klären; vielleicht hat seine Bekanntschaft mit Rudolf Heß damit zu tun gehabt. Jedenfalls hat er zu Heß immer Verbindung gehalten, auch vom Ausland her.

Beim Hitlerputsch vom 9. November 1923 gehörte Hewel als Fahnenträger dem Stosstrupp Hitler an. Er nahm während des Putsches an allen Unternehmungen des Stosstrupps Hitler teil. Später bekam er auch als Putschteilnehmer und Altparteigenosse den Blutorden der NSDAP (Nr. 90) und das Goldene Parteiabzeichen 1. Als einziger Angeklagter im sogenannten „kleinen Hitler-Prozess“ gab Hewel zu, beim Marsch auf der Feldherrnhalle zurückgeschossen zu haben. Er war beim Marsch fotografiert worden und später, u. a. auf Grund dieser Bilder, identifiziert, in Hamburg (wo er kaufmännisch tätig war) angeklagt 2 und wegen Beihilfe zum Hochverrat zu 15 Monaten Festungshaft und zu einer Geldstrafe von 30 Goldmark (ersatzweise zu drei Tagen Festungshaft) verurteilt, wurde seine Strafe zunächst zur Bewährung ausgesetzt. Er versuchte, sein Studium wiederaufzunehmen und leistete während der Semesterferien 1923 weitere praktische technische Arbeit in Hamburg, bei einer Altonaer Maschinenfabrik. Im Mai 1924 wurde ihm die Bewährung entzogen und im Oktober trat er in der Festung Landsberg seine Haftstrafe an. Dort war er Mithäftling Hitlers und er lernte sein späteres Idol dort gut kennen. Nach seiner Begnadigung am 30. Dezember 1924 wurde er aus der Haftanstalt Landsberg entlassen.

Kaufmännische Laufbahn

Im Februar 1925 trat er als kaufmännischer Volontär in eine Hamburger Import-/Exportfirma ein. Durch den Verlust des väterlichen Vermögens im Januar 1926 (durch Inflation oder durch betrügerische Verwaltung 3) wäre Hewel sowieso gezwungen gewesen, das Studium aufzugeben. Anfang 1926 ging er auf Anregung und mit Hilfe eines holländischen Kaufmanns für ein Jahr nach Großbritannien, um dort seine englischen Sprachkenntnisse zu vervollkommnen. Er blieb dabei immer in lockerem Briefkontakt mit Rudolf Heß und möglicherweise auch mit Hitler. Im März 1927 ging er schließlich als Angestellter des englischen Plantagenkonzerns „Anglo-Dutch Plantations of Java Ltd“ nach Niederländisch-Ostindien und war dort auf verschiedenen Pflanzungen seiner Gesellschaft auf der Insel Java tätig, zunächst als Pflanzungsassistent, dann als leitender Assistent. Ab 1934 arbeitete er in der Zentralverwaltung des Konzerns. Nach einer viermonatigen Reise – auf eigene Rechnung – ab Ende 1935, durch Ostasien und die USA kam er auf persönlichen Wunsch Hitlers – wie er später immer stolz betonte – im April 1936 nach Deutschland zurück.

Parteiarbeit auf Java

Während der Jahre in Niederländisch-Indien war seine Sympathie für den Nationalsozialismus nie erloschen und er trat bereits im Juni 1933 in die NSDAP-Auslandsorganisation (AO) ein. Er war von Januar bis Mai 1934 tätig als Dezernent und vom März bis September 1935 war er Wirtschaftsstellenleiter der NSDAP-Ortsgruppe Bandung, zuletzt als Pressereferent der Landesgruppe Niederländisch-Indien. Dort gab es in Batavia (heute Djakarta), Makassar, Surabaja, Semarang, Medan, Padang und Bandung kleine NSDAP-Ortsgruppen 4.

NSDAP-Karriere

1936 kehrte Hewel nach Deutschland zurück und war anfänglich in Berlin Gauhauptstellenleiter bei der Auslandsorganisation der NSDAP, ab Mai 1936 bis Februar 1937 war er tätig im Ostasienreferat der NSDAP-AO. Er wechselte im Februar 1937 in die „Dienststelle Ribbentrop“ der NSDAP 5 (de facto ein erweiterter Arbeitsstab Hitlers für außenpolitische Angelegenheiten) und wurde dort Hauptreferent für deutsch-englische Beziehungen in der England-Abteilung.

SS-Karriere

Bereits am 12. September 1937 erfolgte Hewels Eintritt in die SS als SS-Sturmbannführer (= Major); 1938 avancierte er nach einer Blitzkarriere zum Standartenführer (gleich Oberst der Wehrmacht), am 9. November 1940 wurde er befördert zum SS-Oberführer (kein zu vergleichender Rang) und am 9. November 1942 zum SS-Brigadeführer (= Generalmajor). Für Hewel sind es „Ehrenränge“, die ihm aber doch derart an Himmler und die SS binden, dass hierdurch sein Verhalten beeinflusst wurde.

Karriere im Auswärtigen Amt

Im Februar 1938 folgte er als Leiter des persönlichen Stabes des neuen Außenministers Ribbentrop diesem ins Auswärtige Amt. Seit Juni 1938 war Hewel Legationsrat I. Klasse im Auswärtigen Dienst. 1938 wurde Hewel von Ribbentrop gewählt als „Ständiger Beauftragter des Reichsaußenministers beim Führer“, natürlich mit Zustimmung Hitlers. Ab September 1939 verkehrte Hewel in dieser Zuständigkeit permanent im Stabe Hitlers. Ribbentrop war genötigt einen solchen Beauftragten anzustellen, weil es Hitler nicht gefiel seinen Außenminister all zu oft in seiner Nähe zu sehen, besonders nicht in Berchtesgaden. Ribbentrop bemerkte dann schnell, wie gefährlich und politisch höchst abträglich es war, mit dem täglichen Hergang in Hitlers nähester Umgebung nicht vertraut zu sein. Ribbentrops Wahl für einen persönlichen Verbindungsmann fiel dann auf Hewel wegen dessen Band mit Hitler als Teilnehmer am Putschversuch 1923 und als ehemaliger Haftgenosse Hitlers in Landsberg 1924, sowie wegen Hewels besonderem persönlichen Verhältnis zu Hitler. Seit April 1939 war Hewel Vortragender Legationsrat. Er wurde am 28. September 1940 zum Gesandten I. Klasse (entspricht einem Ministerialdirigenten in der allgemeinen Verwaltung) ernannt. Am 31. März 1943 wurde er sogar Botschafter z.b.V., im Rang eines Staatssekretärs.

Qualitäten

Hewel verfügte über eine breit gefächerte Auslandserfahrung, wie kaum ein Nationalsozialist in dieser Zeit. Außerdem war er einer der wenigen Nationalsozialisten, die sich bequem im High Society Berlins bewegen konnten. Groß und stämmig, ein etwas behäbiger Rheinländer, auf eine robuste Art korpulent, mit einem etwas exotischen Hintergrund und versehen mit einem leicht kosmopolitischen Flair wusste er mehr in internationalen Kategorien zu denken. Er war ein „bon vivant“, dem das „dolce far niente“ keinerlei Schwierigkeiten bereitete und den Grundsatz „leben und leben lassen“ hielt er für sehr vernünftig 6. Mit seiner Heiterkeit konnte er die ganze Gesellschaft anstecken. Speer schildert ihn als umgänglichen, leutseligen Mann, der gerne lachte und ein schlagfertiger Erzähler war, klug genug, um nie Hitler die Schau zu stehlen: frühe Gefolgschaft, gemeinsame Erlebnisse und natürliche Bonhommie machten Hewel für Hitler zum idealen Stichwortgeber. Botschafter Dirksen betrachtete Hewel als vernünftigen und verhältnismäßig maßvollen Mann 7. Schließlich: Hewel war Martin Bormann und anderen Größen nie eine Gefahr und nie ein Rivale 8.

Aufgaben

Zu Hewels Aufgaben gehörte es, Hitler anhand von im Außenamt zusammengestellten Unterlagen außenpolitische Ereignisse vorzutra­gen, Entschei­dungen einzuholen, Telegramme/Berichte/Vorschläge – von Ribbentrop selber mit einem großen „F“ (für „Führer“) ausgezeichnet – Hitler vorzulegen und die dabei gefällten Entscheidungen Hitlers schriftlich festzuhalten und dem Reichsaußenminister mitzuteilen. Mit den täglichen, rein informativen Vorschlägen Hewels gingen sehr häufig Bitten um Führerentscheidungen in irgendwelchen Einzelfragen oder auch Entwürfen für Telegramme an die Missionschefs im Ausland einher.

Auch musste Hewel sich selbst und Ribbentrop über kommen­de Vorhaben auf dem laufenden halten und die Aktivitäten Hitlers und Ribbentrops – so gut es ging – vorab aufeinan­der abstimmen. Bei Unterredungen Hitlers mit ausländischen Staatsmännern und Diplomaten fungierte er dann und wann als Dolmetscher bzw. als Protokollant – der Hauptprotokollant/Dolmetscher aber blieb Paul Otto Schmidt 9. Presse-Anweisungen aus dem FHQ wurden in der Regel über Reichspressechef Otto Dietrich weitergegeben; es war aber auch eine der Aufgaben Hewels, propagandistische Tendenzen nach Berlin zu melden. Übrigens: Hewel berichtete nicht nur Ribbentrop persönlich: z. B. der AA-Staatssekretär Weizsäcker bekam seine Informationen über den Führer fast ausschließlich via Hewel 10.

Bei außenpolitischen Angelegenheiten blieb es später nicht ganz: der Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, Kaltenbrunner, stieß während der ständigen Auseinandersetzungen zwischen dem RSHA und dem Außenamt auf Hewel und er hatte ihn anscheinend dazu gebracht, Kopien von Sicherheitsdienstberichten mit persönlichen Begleitschreiben an Hitler weiterzuleiten. Hewel ließ sich durch das Argument überzeugen, dass sowohl Ribbentrop als auch Himmler sich häufig weigerten, wichtige SD-Berichte an Hitler weiterzu­leiten und dass Hewel im Interesse des Reiches diese wichtige Aufgabe erfüllen müsse 11.

Hewels für NS-Verhältnisse bemerkens­werte Auslandserfahrung, vor allem hin­sichtlich des Denkens und Verhaltens der Engländer, machte ihn eine Zeitlang für Hitler sehr wertvoll. Seine Offenheit und Charakterfestigkeit wusste auch Hitler zu schätzen, mit dem er durch die gemeinsame Haft in Landsberg, und über Heß vermutlich auch in der Zeit vor seiner Rückkehr nach Deutschland, verbunden blieb (und der ihn schließlich zur Rückkehr bewogen hatte).

Seine Auslandserfahrungen befähigten ihn zu einem eigenständigen politischen Urteil. Seine Gradlinigkeit brachte ihn dazu, diese Auffassungen in aller Offenheit zu vertreten; namentlich wollte er nichts unversucht lassen, eine deutsch-britische Konfrontation zu verhindern. Er war auch kein Berufsdiplomat und sogar kein Beamter und sprach daher offener als in diesen Berufen angemessen. Hitler schätzte ihn offenbar nicht nur als charmanten Unterhalter, sondern er besprach mit ihm zeitweise nahezu alle laufenden Angelegenheiten. Er wusste sich dabei Hewels Loyalität sicher: hatte Hitler einmal entschieden, so respektierte Hewel dessen Entscheidung. In Friedenszeit bekam Hitler, nachdem er gefrühstückt hatte, vom Pressechef Dietrich die Tageszeitungen und die Presse-Informationen vorgelegt und anschließend trug Hewel außenpolitische Ereignisse vor. In den Kriegszeiten trug Hewel nach den militärischen Lagebesprechungen (denen er meistens auch selber beiwohnte 12) über außenpolitische Angelegenheiten vor.

Position

Hewel war übrigens ohne Ehrgeiz, er hätte leicht Staatssekretär werden und/oder sich auf Basis seiner Stellung als Schaltpunkt zwischen Hitler und dem Außenamt zu einem starken Faktor im Machtkampf der NS-Größen ausbauen können (so wie es Bormann gelang mit Heß). Es genügte ihm aber, in der Nähe seines Idols zu verweilen. Niemals überwand er seine persönliche Bindung zu Hitler; immer war er bereit, sein eigenes politisches Urteil der Treue zu seinem Führer unterzuordnen. Dabei verfügte er über ein erhebliches Maß an Zivilcourage: Hewel war einer der sehr sehr wenigen, die es sich erlaubten, Hitler offen zu widersprechen und ihm gegenüber mit allem Nachdruck eine eigenständige Meinung zu verfechten. Er war ein großer Plauderer und ein guter Zuhörer: ein perfekter Höfling also.

Als außenpolitischer Verbindungsmann im FHQ traf er fast täglich mit Hitler zusammen und gehörte er zu dessen innersten Kreis. Hewel führte darüber ein Tagebuch, für dessen Einträge er ein indonesisches Idiom verwendete. Ein Einzelstück ist bewahrt geblieben, es reicht vom 10. Januar bis zum 31. Dezember 1941 und es belegt die politischen und persönlichen Stimmungsschwankungen Hitlers in diesem Zeitraum. Das Tagebuch liegt jetzt in einer transkribierten Fassung als Bestandteil der „Sammlung Irving“ im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte in München und ist auch der Leeds University Library zur Verfügung gestellt.

Übrigens sind die Spuren Hewels‘ spärlich: er hielt nie eine Rede, äußerte sich nicht in der Öffentlichkeit und schrieb verhältnismäßig wenige Briefe. In den „Akten zur deutschen Auswärtigen Politik“ (ADAP) sind einige seiner Denkschriften aufgenommen worden, aber auch hier kaum oder gar kein persönliches Wort. Bedauerlich, denn Hewel wäre ohne Zweifel in der Lage gewesen, weitere Einsichten in Adolf Hitlers Person zu gewähren 13. Doch musste Hewel mit der Zeit erkennen, dass sich Hitler unangenehmen Nachrichten mehr und mehr entzog; es blieb aber seine Loyalität und Verehrung für seinen väterlichen Mentor groß genug um dessen Hasardpolitik, jedenfalls nach außen hin, bis zum Ende mitzutragen. Hewel blieb, mit einer längeren Unterbrechung von April bis November 1944 (Folge eines Flugzeugabsturzes am 21. April mit schweren Verwundungen 13) ständig in Hitlers Umgebung.

Spätestens seit dem Scheitern der Ardennenoffensive unterstützte Hewel in rückhaltloser Offenheit verzweifelte Versuche Ribbentrops und Schellenbergs, in letzter Minute noch Friedensfühler zu den Westmächten auszustrecken. Er drängte Hitler immer wieder – vergebens –politische Initiativen zur Beendigung des Krieges zu ergreifen. Für den Verbindungsmann des Außenamtes im Führerhauptquartier gab es im März/April 1945 dann nichts nennenswertes mehr an die nach Schloss Fuschl bei Salzburg evakuierte Außenamt-Zentrale zu berichten.

Verhältnis zu Ribbentrop

Da Außenminister Ribbentrop nur selten im persönlichen Umkreis Hitlers verkehrte, wurde ihm sein Verbindungsmann Hewel zusehends unentbehrlich. Hewel war Hitler gegenüber immer überaus loyal; mit der Zeit hegte Hewel starke persönliche Animositäten Ribbentrop gegenüber und er verachtete ihn sogar. Darin fand er einigermaßen Unterstützung bei Hitler, der Vergnügen daran fand, sich von Hewel in allen Einzelheiten den Inhalt der Telefongespräche mit Ribbentrop erzählen zu lassen. Er gab ihm sogar Ratschläge, wie er seinen Chef in Unruhe versetzen oder verwirren könne. Manchmal auch stellte Hitler sich zu Hewel, der ihm bei zugehaltenem Telefon wiederholen musste, was Ribbentrop sagte. Hitler flüsterte ihm die Antworten zu, – meist handelte es sich dabei um sarkastische Bemerkungen, die die ständige Sorge des misstrauischen Außenministers verstärken sollten, unzuständige Kreise könnten in außenpolitischen Fragen Hitler beeinflussen und seine Zuständigkeit in Frage stellen 14. Wiedemann berichtet mal über die Unmöglichkeit für Ribbentrop, einen Termin bei Hitler zu erreichen. Bei seinem Vermittlungsversuch hat Hitler sogar zu Wiedemann gerufen: „Sagen Sie ihm (Ribbentrop), ich will ihn nicht sehen; ich kann hysterische Mannsbilder nicht leiden“ 15. Hewel bemerkte einmal einem Außenamtskollegen gegenüber, dass Hitler bez. Ribbentrop gesagt habe, dass dieser auch die deutsche Reichsbahn unter seiner Jurisdiktion stellen möchte, weil die ja Auslandsfahrkarten verkaufe 16. Zum 50. Geburtstag Ribbentrops am 30. April 1943 schenkten ihm einige engere Mitarbeiter eine prächtige Kassette mit Fotokopien aller von Ribbentrop abgeschlossenen Verträge. Als Hewel dazu zu Hitler bemerkte, es gäbe nur noch wenige Verträge, die Deutschland nicht unterdessen gebrochen hatte, tränten Hitlers Augen vor Lachen 17.

Pro-Britische Haltung

Dazu traten mit der Zeit erhebliche politische Differenzen Hewels sowohl mit Hitler als auch mit Ribbentrop, besonders in Beziehung zur Einschätzung der britischen Haltung und Politik 18. Hewel war immer probritisch 19 und machte daraus keinen Hehl: seine Linie war westlich, er warnte ständig vor der Unterschätzung der Briten und Amerikaner und musste dafür oft scharfe Entgegnungen von Hitler einstecken 20. So versuchte er im September 1938 eine friedliche Beilegung des britisch-deutschen Konfliktes zu erreichen, im August 1939 und im Sommer 1940 eine Verständigung Hitlers mit Großbritannien zu erreichen.

Hewel bestärkte Hitler in der Auffassung, dass die Zeit gegen das Deutsche Reich arbeitete und er drängte darauf, den Krieg zu einem Ende zu bringen, bevor die USA zu einem Eingreifen in der Lage sei. Dem Krieg der Sowjetunion gegenüber war Hewel bald skeptisch; er befürwortete jene Denkschriften, die nachdrücklich für eine Änderung der deutschen Besatzungspolitik plädierten. Hitler wies aber all diese Schriftstücke brüsk zurück und beider Verhältnis hat unter diesen Vorgängen offenbahr sehr gelitten. Weiteres Zeichen dieser Entfernung war der Umstand, dass Hitler sich seit dieser Zeit auch von anderen Personen außenpolitisch beraten ließ, beispielsweise vom Gesandten Sonnleithner. Es ist übrigens nicht auszuschließen, dass es über Hitlers Russlandpolitik allmählich zu einer vorsichtigen politischen Annäherung zwischen Hewel und Außenminister Ribbentrop kam. Im „Sommer 1944“ lässt Hitler (laut Aussage Speers im Nürnberger Prozess) über Hewel präzise Angaben ausstreuen, dass außenpolitische Gespräche mit Moskau und Washington geführt werden, zum Beispiel via Oshima und Neubacher 21.

Endlösung

Was Hewel von der Endlösung gewusst hat, ist unsicher. Wohl findet man in seinem Tagebuch dann und wann zustimmend abfällige Bemerkungen Hitlers über die Juden. Es ist aber nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob hier bei Hewel Lippendienst oder Überzeu­gung spricht. Aber: er war anwesend bei Hitlers ausführlicher Darlegung seiner Gedanken zur Judenfrage im Februar 1941 22. Auch wusste er amtshalber von Deportationen dänischer und französischer Juden und er war anwesend (protokollierte sogar) bei staatsmännischen Besuchen aus dem Ausland, wo Hitler aus seinen antijüdischen Absichten keinen Hehl machte: so gegenüber Chvalkovsky am 21. Januar 1941 („Die Juden werden bei uns vernichtet“ 23) und gegenüber Kvaternik am 21. Juli 1941 („Die Juden sind die Geissel …(und) ein Pestherd für die Menschheit“ 24). Auch bei Tischmonologen fiel, besonders in der zweiten Hälfte des Jahres 1941, manch ausgesprochen antisemitisches Hitlerwort: „Wenn wir diese Pest ausrotten, so vollbringen wir eine Tat für die Menschheit …“ (21/10 25,) u.v.a. 26. Überhaupt ist es schwierig zu bestimmen, was Hewels Einstellung zur nationalsozialistischen Rassenideologie war.

Das Ende

Nach dem Tode Hitlers beteiligte Hewel sich um den 1. oder 2. Mai 1945, zusammen mit Martin Bormann, an einem Ausbruch aus dem Hitlerbunker der Reichskanzlei. Als am 2. Mai das Versteck seiner Gruppe von Soldaten der Roten Armee umstellt war, schoss er sich – wie Hitler – mit einer Pistole in die Schläfe und zerbiss gleichzeitig eine Zyankali-Phiole. Kurz vor seinem Selbstmord hat er erklärt, er habe dem Führer versprochen ihn in den Tod zu begleiten; er wolle nicht gezwungen sein, schädliche Aussagen zu machen 27.

Autor: Hubert Beckers

Literatur

Benz, Wolfgang / Hermann Graml /Hermann Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 1997

Benz, Wigbert / Bernd Bredemeyer / Klaus Fieberg: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Beiträge, Materialien Dokumente. CD-Rom, Braunschweig 2004

ADAP: ‚Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik‘. Serie C (1933-1937); Serie D (1937-1941); Serie E (1941-1945) Göttingen 1969/79

Uwe Bahnsen & James P. O’Donnel: Die Katakombe. Das Ende in der Reichskanzlei. Stuttgart 1975

Peter Black: Ernst Kaltenbrunner; Vasall Himmlers. Eine SS-Karriere. Paderborn 1991

H. von Dirksen: Moskau, Tokio, London. Erinnerungen und Betrachtungen zu 20 Jahren deutscher Aussenpolitik. Stuttgart o.J. (1949)

Hans-Jürgen Döscher: SS und Auswärtiges Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der Endlösung. Frankfurt/M. 1991

Saul Friedländer: Das Dritte Reich und die Juden. Erster Band: Die Jahre der Verfolgung 1933-1939. München 1998

Helmut Heiber (Hrsg): Hitlers Lagebesprechungen; die Protokollfragmente seiner militärischen Konferenzen 1942­-1945. Stuttgart 1962

Fritz Hesse: Das Spiel um Deutschland. München 1953

Leonard Hill (Hrsg., Einleitung und Notenapparat): Die Weizsäcker Papiere 1933­-1950. Frankfurt/Main 1974

Der Prozess gegen die Hauptverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg, vom 14. November 1945 – 1. Oktober 1946. 21 Doppelbände, reprint. München 1976

Hans-Adolf Jacobsen: Nationalsozialistische Aussenpolitik 1933-1938. München 1968

Anton Joachimsthaler: Hitlers Ende. Legenden und Dokumente. München 1995

Werner Jochmann (Hrsg): Adolf Hitler; Monologe im Führerhauptquartier. Die Aufzeichnungen Heinrich Heims. Hamburg 1980

Ian Kershaw: Hitler 1889-1936. Stuttgart 1998

Ian Kershaw: Hitler 1936-1945 . Stuttgart 2000

Erich Kordt: Nicht aus den Akten. Stuttgart 1950

Hildegard von Kotze (Hrsg): Heeresadjutant bei Hitler 1938­1943. Aufzeichnungen des Major Engel. Stuttgart 1974

Donald McKale: The Nazi Party in the Far East, in ‚Journal of Contemporary History‘ 1977

Mathias Rösch: Die Münchner NSDAP 1925-1933. Eine Untersuchung zur inneren Struktur der NSDAP in der Weimarer Republik. München 2002

Paul Schmidt: Statist auf diplomatischer Bühne 1923­-1945. Erlebnisse des Chefdolmetschers im Auswärtigen Amt mit den Staatsmännern Europas. Bonn 1954

Christa Schroeder: Er war mein Chef. Aus den Nachlaß der Sekretärin von Adolf Hitler. Hrsgg. von A. Joachimsthaler. München 1985

Franz von Sonnleithner: Als Diplomat im Führerhauptquartier. München 1989

Albert Speer: Erinnerungen. Berlin 1969

R. Spitzy: So haben wir das Reich verspielt. Bekenntnisse eines Illegalen. München 1987 2

Ronald Smelser/Enrico Syring/Rainer Zitelmann (Hrsg): Die braune Elite II; 21 weitere Skizzen. Darmstadt 1993

Hermann Weiss (Hrsg): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Frankfurt/Main 1998

Ernst von Weizsäcker: Erinnerungen (hrsgg. von R. von Weizsäcker). München 1950

Fritz Wiedemann: Der Mann der Feldherr werden wollte. Erlebnisse und Erfahrungen des Vorgesetzten Hitlers im 1. Weltkrieg und seines späteren Persönlichen Adjutanten. Velbert/Ketwig 1964

Anmerkungen

.1) Biographische Angaben (kurz) in:

– Döscher SS und AA im Dr. Reich, S. 153/54, Nt. 40;

– Heiber Lagebesprechungen, S. 46;

– Weiß Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, S. 201/02;

– Joachimsthaler Hitlers Ende , S. 473, Nt. 24;

– Schroeder Er war mein Chef , S. 370 in Nt. 322.

Ausführlicher in Smelser u.a.: Braune Elite Bd. II, S. 150/65.

2) Siehe in H.A. Jacobsen NS Aussenpolitik 1933/38 , S. 281.

3) Siehe Kordt Nicht aus den Akten , S. 217.

4) Siehe Syring ‚ Hewel ‚ in Smelser/Syring Braune Elite Bd. II, S. 151.

5) Siehe McKale Nazi Party in the Far East (JCH 1977), S. 298, sehe auch S. 309 in Nt. 16.

6) Zur Dienststelle Ribbentrops siehe H.-A. Jacobsen ‚ NS Aussenpolitik ‚, hier S. 252ff, sowie Jacobsens Artikel ‚Zur Struktur der NS-Aussenpolitik‘ in Manfred Funke (rsg.) ‚ Hitler, Deutschland und die Mächte‘, Materialien zur Aussenpolitik des Dritten Reiches‘ , hier S. 162/64.

7) Bahnsen/O’Donnel ‚ Die Katakombe. Das Ende in die Reichskanzlei ‚, S. 298-300.

8) Siehe Dirksen ‚ Moskau. Tokio. London ‚, S. 240.

9) Siehe Bahnsen/O/Donnel ‚ Die Katakombe ‚, S. 300-302.

10) Siehe dessen Buch ‚ Statist auf diplomatischer Bühne 1923-45. Erlebnisse des Chefdolmetschers im Auswärtigen Amt mit den Staatsmännern Europas ‚. Bonn 1949 mit vielen Nachdrucken.

11) Obwohl Weizsäcker in seinen ‚ Erinnerungen ‚ Hewel nur vorübergehend und selten (S. 202, 213, 267 und 306) nennt, meldet er S. 213 doch kurz, dass ‚einer der Wege, um an Hitler heranzukommen, der über Hewel war‘, ohne ihn weiter als Hauptinformanten zu würdigen. Sehe auch Hill (Hrsg.): ‚ Die Weizsäcker Papiere ‚ Band 2, S. 54.

12) Siehe Back ‚ Ernst Kaltenbrunner. Vasall Himmlers; eine Karriere ‚, S 230/31. Während Hewels Ausfall wegen eines Flugunfalls 1944 verfüllte Fegelein diese Aufgabe.

13) Siehe Heiber ‚ Hitlers Lagebesprechungen. Die Protokollfragmente seiner militärischen Konferenzen 1942-45 ‚, S. 46; siehe auch im Register.

14) Siehe Bahnsen/O’Donnel ‚ Die Katakombe ‚, S. 298.

15) Hewel fühlt sich nach seinem Unfall schon lange gesund, ohne aber seinen Dienst wieder aufnehmen zu können. Hitler wünscht nur ganz gesunde Menschen um sich und er bezweifelt, ob Hewel den Strapazen des FHQ-Lebens wirklich wieder ganz besehen kann: ‚er soll noch einige Monate warten‘. Siehe Sontheimer ‚ Als Diplomat im Führerhauptquartier ‚, S. 83/4.

16) Siehe Speer ‚ Erinnerungen ‚, S. 111.

17) Siehe Wiedemann Der Mann der Feldherr werden wollte , S. 149.

18) Siehe Seabury ‚ The Wilhelmstrasse. A study of German diplomats under the Nazi regime ‚, mit Verweisung nach Nürnberger Dokument NG 3622.

19) Siehe Speer ‚ Erinnerungen ‚, S. 195.

20) Während seiner langjährigen Tätigkeit bei einem britischen Unternehmen in Niederländisch-Indien hat er die Bedeutung des englischen Weltreiches erfahren und war voller Bewunderung für das Empire. Siehe Spitzy ‚ Verspielt‘ S. 327 und 391. Übrigens: er arbeitete zwar bei einer britischen Firma, lebte aber in Niederländisch-Indien: nicht im britischen Empire!

21) Siehe dazu u.a. Hesse ‚ Spiel um Deutschland ‚ S. 327, 391 und a.a.O.. So eine Äußerung Speers in Schlie ‚ Albert Speer; „Alles, was ich weiss ‚, S. 192.

22) Siehe IMG, Band XVI, S. 533/34. Undeutlich ist, wann dies geschehen sein soll, denn gerade in dieser Zeit ist Hewel wegen Krankheit beurlaubt.

23) Siehe Kotze (Hrsg): ‚ Heeresadjutant bei Hitler 1938-1945. Aufzeichnungen des Majors Engel ‚. Engels Datierungen sind nicht präzise und mit Vorsicht anzusehen; sehe dazu S. 14.

24) Siehe ADAP Serie D, Band IV in Dok. 158, S. 170.

25) Siehe ADAP Serie D, Band XIII-2, Dok. III im Anhang, S. 835/38, sowie Hillgruber ‚ Staatsmänner ‚ Band 2 im Anhang, Dok. 84, S. 551/57.

26) Siehe Jochmann (Hrsg.): ‚ Adolf Hitler, Monologe im Führerhauptquartier 1941-1944. Die Aufzeichnungen Heinrich Heims ‚, S. 99.

27) Zu Hitlers Antisemitismus siehe Herbst ‚ NS Deutschland ‚ S. 54/7, Kershaw ‚ Hitler‘ Bd. 1, S. 302/04 und S. 321/22. Allgemein zum NS-Antisemitismus siehe Friedländer ‚ Dritte Reich/Juden ‚ passim und Rösch ‚ Münchener NSDAP ‚ S. 415/20 und viele, viele andere.

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