Die Welt mit Kinderaugen – Der Film „Jojo Rabbit“ von dem Regisseur Taika Waititi erzählt die Geschichte eines kleinen Jungen im Nazi-Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Film basiert auf dem Buch „Caging Skies“ von Christine Leunens.
Die Stimme der (Un-)Vernunft

„Jojo Rabbit“ von Regisseur Taika Waititi
Viele Kinder haben imaginäre Freunde. Manche sehen Kinder, die nicht da sind. Andere sehen magische Wesen wie ein Einhorn oder einen sprechenden Elefanten. Johannes „Jojo“ Betzler (gespielt von Roman Griffin Davis) hat da schon einen etwas spezielleren Freund. Denn der 10-Jährige spricht mit niemand anderem als dem Führer (Taika Waititi). Immer, wenn Jojo unsicher oder verängstigt ist, erscheint ihm der imaginäre Adolf Hitler und gibt dem Jungen Lebenshinweise, wie sie sich nur ein Kind ausdenken könnte.
Jojos imaginärer Freund ist ein Resultat seiner Überzeugung. Immerhin ist der kleine schmächtige Junge davon überzeugt, dass Deutschland den Krieg gewinnen wird. Jojos größter Traum ist es als Mitglied der Hitlerjugend für sein großes Vorbild gegen den Feind kämpfen zu können. Sein kindlicher Fanatismus geht soweit, dass er sich ausmalt, wie er und Adolf Freunde werden.
Aber die Pläne von Jojo werden jäh über den Haufen geworfen, als er an einem Training im Jugendlager der Hitlerjugend teilnimmt. Erst bekommt er den Spitznahmen „Jojo Rabbit“ verpasst, weil er sich weigert einem harmlosen Kaninchen den Kopf umzudrehen. Anschließend wird er in der Explosion einer Granate verletzt, die er so unglücklich geworfen hat, dass sie von einem Baum abprallte und vor seinen Füßen landete. Als Resultat ist Jojo körperlich beeinträchtigt und sein Gesicht ist von Narben gezeichnet. Sein Traum von einer Karriere in der Hitlerjugend ist gestorben, bevor sie überhaupt beginnen durfte. Und als wäre das nicht genug der bösen Überraschungen, entdeckt Jojo noch einen ungeladenen Gast in Form der jungen Jüdin Elsa (Thomasin McKenzie), die sich im Haus des Jungens versteckt. Von einem Moment auf den nächsten steht die ganze Welt Kopf!
In der Zwickmühle
Jojo ist hin und hergerissen. Auf der einen Seite will er seinem Vaterland treu sein und den Rassenfeind ausliefern. Auf der anderen Seite fürchtet er, was mit seiner Familie passiert, wenn herauskommt, dass sie eine Jüdin versteckt haben. Sein Vater dient zwar an der Front und seine ältere Schwester ist verstorben, aber Jojos Mutter Rosie Betzler (gespielt von Scarlett Johansson) hält Zuhause noch die Stellung. Die lebenslustige Frau versucht standhaft zu bleiben und für ihren Sohn den Horror des Krieges zu überspielen. Wenn aber herauskommt, dass sie eine Jüdin versteckt hat, kann es ihr Leben kosten.
Damit es nicht dazu kommt, überlegt Jojo sich eine Taktik. Er versucht so viel wie irgendwie möglich über Elsa und ihr Leben als Jüdin herauszufinden. Ihre Erzählungen hält der Junge in einem Buch fest, das er zum richtigen Zeitpunkt seiner einzigen Bezugsperson im deutschen Regime, Hauptmann Klenzendorf (gespielt von Sam Rockwell) vorzeigen will.
Aber je mehr Zeit Jojo mit Elsa verbringt, desto mehr gerät er in einen Gewissenskonflikt. Seine fanatisch-nazideutsche Stimme in der Form des imaginären Adolfs rät ihm die Jüdin zu beseitigen. Aber Jojo entwickelt auch Gefühle für Elsa und beginnt daran zu zweifeln, dass sie der Feind ist. Es kommt der Zeitpunkt an dem er sich entscheiden muss. Steht er zu seiner Überzeugung? Oder folgt er seinem kleinen Herzen?
Vertauschte Rollen
Als Zuschauer bekommt man in „Jojo Rabbit“ immer wieder das Gefühl, dass die Erwachsenen mit den Kindern die Rollen getauscht haben. Jojos Mutter Rosie bewahrt eine fröhliche Miene und lächelt oder macht ihre Späße, auch wenn ihr Sohn ihr nicht immer Grund zum Lachen bietet. Hauptmann Klenzendorf (der von den Kindern nur „Hauptmann K“ genannt werden will), malt sich Bilder mit lustigen Superheldenkostümen und sieht das Training mehr als Spiel und Zeitvertreib, bis die Deutschen die Flinte ins Korn werfen. Und seine Vorzimmerdame Fräulein Rahm (Rebel Wilson) möchte lieber ans Stricken und Kochen als an die Front denken.
Der größte Kindskopf ist aber Jojos ausgedachter Freund Adolf. Im Körper des Führers und mit dem Verstand eines Kindes redet der Mann von der arischen Pflicht und von einer Party mit einem Einhorn im gleichen Atemzug. Der ausgedachte Führer ist so kindlich naiv, dass selbst die dunkelste Situation für ihn noch einen Lichtschein präsentiert.
Die Kinder zeigen sich dagegen deutlich erwachsener. Jojo selbst wäre nichts lieber als ein Soldat an der Front. Sein Traum platzt nach dem Unfall mit der Granate. Dafür wird Jojos bester Freund Yorki (Archie Yates) als 10-Jähriger eingezogen, um die Stadt vor dem Sturm der Alliierten zu schützen. Selbst Elsa gibt sich nicht als eingeschüchtertes Mädchen. Sie wartet auf die Rückkehr ihres Verlobten und plant eine gemeinsame Zukunft nach dem Krieg. Dabei lebt sie aber in ständiger Angst. Selbst als Jojo sich bemüht die junge Frau durch erfundene Briefe zu beruhigen, ist sich Elsa bewusst, dass jeder Tag in ihrem Versteck der letzte ihres Lebens sein könnte. Darum nutzt sie jede Gelegenheit, um aus ihrem Unterschlupf zu kommen und die Stunden zu genießen, wie sie sich ergeben.
Satire trifft auf Drama
„Jojo Rabbit“ ist ein Film, der sich ungerne in ein Genre quetschen lässt. Er zeigt viele satirische Ansätze, hat aber auch ernste und dunkle Einfärbungen. Damit erinnert der Film in seiner Mischung an Werke wie „Das Leben ist schön“ von Roberto Benigni.
Die Dynamik zwischen Roman Griffin Davis und Thomasin McKenzie ist unvergleichlich. Scarlett Johansson als Rosie Betzler ist einfach herzerwärmend. Eine der größten Pluspunkte des Films ist aber sicherlich die Darstellung von Taiki Waititi als imaginärer Hitler. Gerade am Anfang ist seine Rolle verrückt und aufgedreht, wie man es sich bei einem imaginären Freund vorstellt. Im Verlauf des Films entwickelt sich sein Charakter weiter und zeichnet ein anderes Bild, das auch Jojo nicht immer geheuer ist. Diese Veränderung spiegelt den Kampf des Jungen gegen seine Überzeugungen wider. Es ist spaßig und mitreißend, wie Jojo seinen Platz in den chaotischen Zeiten sucht. Steht er zu dem, woran er glaubt? Oder folgt doch seinen Gefühlen? Die Antwort können Zuschauer in dem absolut empfehlenswerten Film „Jojo Rabbit“ herausfinden.
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