Es ist das Jahr 1945 und die Schrecken des 2. Weltkriegs haben Europa fest im Griff. Der Zuschauer im Kino wird begrüßt von jubelnden Massen, die die Hände zum Hitlergruß heben und wird unmittelbar in die Welt des Faschismus versetzt. Dieser erste Moment ist eine zeitgeschichtliche Dokumentation. Was dann folgt, reiht sich mutig und unerwartet in ein Filmgenre ein, das sich auf einer satirischen Ebene mit den Schrecken der NS-Zeit auseinandersetzt. Jojo Rabbit setzt fort, was mit Charlie Chaplin begann und das mit Das Leben ist schön für große Überraschung gesorgt hat, indem so konsequent ein Tabuthema zum Inhalt einer Satire wurde.
Die Hauptfiguren des Films sind der 10-jährige Johannes Betzler, seine Mutter Rosie und die 15-jährige Elsa. Johannes Vater ist Soldat und kämpft an der italienischen Front. Johannes Schwester Inge ist kürzlich verstorben, was die Eltern vor den Behörden jedoch verheimlichen. Johannes ist Mitglied der Hitlerjugend und erfüllt seine Aufgaben mit großer Überzeugung. Seine Begeisterung geht so weit, dass er einen imaginären Freund hat, der seine engste Bezugsperson ist. Johannes bester Freund ist kein geringerer als Adolf Hitler. Wann immer Johannes den Austausch mit jemandem benötigt, bespricht er sich mit ihm. In der Realität steht Johannes sein zweitbester Freund Yorki zur Seite. Zusammen nehmen die Freunde an einem paramilitärischen Jugendlager teil. Als Johannes zum Beweis seiner Fähigkeit zu töten, einem Hasen das Leben nehmen soll, scheitert er kläglich. Unter Spott und Hohn von Vorgesetzten und Kameraden erhält er den Spitznamen „Jojo Hasenfuß“. Unterstützt von seinem imaginären Freund will Jojo seinen Mut bei einer Übung mit Handgranaten zeigen. Leichtsinn fließt ein und Johannes kehrt verletzt und mit entstelltem Gesicht nach Hause zurück. Jojos Leben verändert sich. Durch seine sichtbaren Verletzungen wird der Junge vom Schulunterricht freigestellt. An den Vormittagen zu Hause nimmt er Geräusche auf dem Dachboden wahr. Als sich Jojo auf die Suche begibt entdeckt er die Jüdin Elsa Korr. Geprägt durch die Geschichten über Juden wallen Angst und Erschrecken in dem Jungen auf. Gleichzeitig führt Elsa ihn eine Zwickmühle. Sollte Johannes Elsa verraten, würde seine Mutter Rosie, ebenfalls mit einer Strafe rechnen müssen. Als Lösung wollen beide Stillschweigen über ihre Bekanntschaft wahren.

„Jojo Rabbit“ von Regisseur Taika Waititi
Der Zuschauer lernt nur wenige Fragmente aus Elsas Leben kennen. Sie hat einen Freund. Nathan hat sich in Paris dem Widerstand angeschlossen und schreibt regelmäßig Briefe. Rosie ist ebenfalls für den Widerstand aktiv. Es beginnt eine komplexe Beziehung zwischen Elsa und Johannes. Jojo sammelt Material für ein Buch über die „jüdische Rasse“. Täglich besucht er Elsa, um die junge Frau auszufragen. Elsa bedient alle Vorurteile und überspitzt diese mit feiner Satire. Johannes fängt im Gegenzug Nathans Briefe ab und fälscht diese. Zuerst mit der Intention Elsa zu verletzen, später um sie trösten.
Es sind ganz feine Nuancen, die zeigen, dass sich das Verhältnis zwischen Elsa und Johannes ändert. Der Zuschauer nimmt diese feine Entwicklung wahr, wird jedoch von den weiteren Ereignissen gefangen genommen. Die Gestapo entdeckt Elsa, die sich als Inge ausgibt. Yorki wird Soldat. Rosie wird gehängt. Nathan verliert sein Leben und der Vater von Johannes stirbt. Johannes hat sich in Elsa verliebt und trennt sich schließlich von seinem imaginären Freund Adolf Hitler.
Taika Waititi hat die Leinwandadaption zum Roman „Caging Skies“ geschrieben und Regie geführt. Zusätzlich verkörpert der Drehbuchautor die imaginäre Figur von Adolf Hitler. Waititi ist eine überzeugende Anti-Kriegs-Satire gelungen. Es stellt sich die Frage, ob Kinobesucher über Hitler lachen dürfen? Es ist ohne Frage ein Tabubruch und genau damit spielt der Film. Die Protagonisten werden als absurde Karikaturen dargestellt. Der vielschichtige Film vermischt die Ebenen von Fantasie und Realität. Der Regisseur spielt mit Übertreibungen und Slapstick Elementen, die ins Groteske gehen. Es ist der klugen Dramaturgie zu verdanken, dass die Enttabuisierung mit einer gewissen Leichtigkeit funktioniert. Klingen in unzähligen Filmen zuerst die zarten Töne, so startet Jojo Rabbit mit einem Feuerwerk an Satire. Nach und nach hebt Taika Waititi die Handlung auf eine ernste Ebene. Rosie ist nicht nur eine alleinerziehende Mutter, sie ist eine starke und mutige Frau. Ein Glücksgriff ist die Besetzung mit Scarlett Johansson, die Jojos Mutter glänzend interpretiert.
Roman Griffin Davis spielt die Titelrolle des Films. Roman verkörpert Jojo, der dem blinden Nationalismus verfallen ist. Jojos Männerbild ist ebenso von Klischees und Vorurteilen durchzogen, wie seine Vorstellung, die sich über Juden entwickelt hat. Der Regisseur führt Johannes nicht vor. Er lässt Jojo das Sehen lernen. Nach und nach knüpfen Elsa und Johannes zarte Bande. Die beiden freunden sich an und Johannes versteht, wie absurd sein Weltbild ist. Der Film verwehrt Jojo die moralische und emotionale Rehabilitation, dennoch wirkt seine Entwicklung absolut glaubhaft.
Adolf Hitler durchzieht den Film als aufgeblasener Popanz mit einer absurden Figur. Er präsentiert die Welt der Erwachsenen, postuliert hirnrissige Parolen und erzählt rassistische Scherze. Ob der imaginäre Freund eine Vaterfigur für den jungen Protagonisten ist, liegt im Interpretationsfreiraum des Zuschauers.
Jojo Rabbit ist ein ungewöhnlicher Film, über ein Thema, bei dem viele beschämt die Augen niederschlagen. Die jubelnden Massen zu Beginn des Films werden mit dem Beatle-Song „I Want to hold your Hand“ unterlegt. Der Film endet mit einem Lied von David Bowie. „Heroes“ schließt tanzend den Film, und soll dem Zuschauer eine Tür öffnen, um das Kino beschwingt zu entlassen. Die Frage nach der Intention kommt auf. Was treibt einen Regisseur an, eine Satire über einen Abschnitt dunkelster Geschichte zu machen? Vor Drehbeginn sagte Waititi:“ Ich bin ganz heiß, mit dem Dreh meiner Anti-Kriegs-Satire zu beginnen. Wir haben einen unglaublichen Cast versammelt und ich könnte aufgeregter nicht sein, die Nazis und ihre Überzeugungen zu veralbern. Dieser Film wird eine Menge Rassisten anpissen und das macht mich sehr glücklich.“
Waititi trifft mit seiner Ironie punktgenau und schafft warmherzige Momente, ohne die Schrecken des Krieges zu verniedlichen. Der Zuschauer kann und darf ausgelassen lachen, ohne schlechtes Gewissen und ohne schalen Nachgeschmack. Der Regisseur hat sich mit Jojo Rabbit einen würdigen Platz in der Reihe zwischen Mel Brooks, Ernst Lubitsch und Charlie Chaplin gesichert. Es ist ein Film gelungen, der Akzente in einem Thema setzt, das stetig an Aktualität gewinnt und nicht genug Diskussionsgrundlage sein kann.