„Jeder stirbt für sich allein“ ist die neueste filmische Adaption des 1947 von Hans Fallada veröffentlichten Romans, der in jüngster Zeit zum Bestseller im angloamerikanischen Raum wurde. Die Geschichte basiert auf dem authentischen Fall des Ehepaars Otto und Elise Hampel, das 1940 bis 1942 in Berlin Postkarten-Flugblätter gegen Hitler ausgelegt hatte und denunziert worden war. Fallada schrieb den Roman Ende 1946 in knapp vier Wochen; am 5. Februar 1947 starb er. Der Roman gilt als das erste Buch eines deutschen nicht-emigrierten Schriftstellers über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Das in Berlin lebende Ehepaar Otto (Brendan Gleeson) und Anna Quangel (Emma Thompson) verlieren ihren einzigen Sohn im Frankreich-Feldzug. Daraufhin fängt Otto an, Postkarten zu schreiben, die zum Widerstand gegen das Nazi-Regime aufrufen, und beginnt diese heimlich in der Stadt auszulegen. Gejagt werden sie von Gestapo-Mann Escherich (Daniel Brühl), der sich die Arbeit eigentlich hätte sparen können, weil die Deutschen im Glauben an den Endsieg die Karten ignorieren oder gleich bei der Polizei abgeben. Schließlich werden Otto und Anna verhaftet und 1943 mit dem Fallbeil hingerichtet.
Die Weiße Rose- und Stauffenberg-Verfilmungen haben gezeigt, dass NS-Widerstandsthemen ein gutes Potenzial beim Publikum haben. Grundsätzlich bietet der Stoff eine hervorragende Grundlage für ein Geschichtsdrama. Aber das Sujet wurde bereits mehrfach verfilmt. Beim Ansehen dieser Version wird man den Verdacht nicht los, dass die Produktionsfirma eine gute Chance witterte, auf Basis der neuen Beliebtheit des Buches, schnell einen Film zum Buch auf den internationalen Markt zu werfen.
So kommt der Film als braves Kostümdrama mit deutlichen Spannungsdefiziten daher. Daniel Brühl wirkt mit seiner braven jugendlichen Ausstrahlung vollkommen unglaubhaft als Gestapo-Mann und verdankt seine Rolle offensichtlich der Tatsache, dass er neben Christoph Waltz der einzige deutsche Schauspieler ist, der international vermarktbar ist. Oscar-Preisträgerin Emma Thompson und Brendan Gleeson kommen als Schauspieler nicht wirklich zum Zug. Man spürt allenthalben Defizite einer Regie, die keine Vision von einer neuen, modernen Interpretation der Geschichte hat. Das macht den Film traurigerweise zu einem sehr durchschnittlichen Historienkino und einer vertanen Chance, eine große Geschichte auch groß zu inszenieren.
Jeder stirbt für sich alleine
Regie: Vincent Perez
Deutschland / Frankreich / Großbritannien 2016, 103 Min
Mit: Emma Thompson, Brendan Gleeson, Daniel Brühl, Michael Persbrandt, Monique Chaumette
Berlinale 2016 – Sektion: Wettbewerb
Eine Aufzeichnung der Pressekonferenz zum Film auf der Berlinale 2016 finden Sie hier.
Links zu bisherigen Verfilmungen des Fallada-Romas (Wikipedia)
- Everyone Dies Alone (1962 West German film; Jeder stirbt für sich allein)
- Jeder stirbt für sich allein (1970 East German miniseries)
- Everyone Dies Alone (1975 West German film; Jeder stirbt für sich allein)