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Startseite > Biographien > Giuseppe Renzetti (1891–1953)
Geschrieben von: Hubert Beckers
Erstellt:

Giuseppe Renzetti (1891–1953)

Verbindungsmann Mussolini-Hitler

Mario Giuseppe Renzetti [0] wurde 1891 (oder 1893 oder 1896) im mittelitalienischen Ascoli Piceno geboren. Über die erste Etappe seines Lebens ist nicht viel bekannt. Im Ersten Weltkrieg bracht er es zu einem hochdekorierten Major der Gebirgstruppe. In den Jahren 1920 bis 1922 war er aktives Mitglied der Interalliierten Regierungs- und Plebiszitkommission in Gleiwitz (Oberschlesien). Dort lernte er Susanne Kochmann kennen, die Tochter eines jüdischen Justizrates aus Gleiwitz, die er 1927 auch heiratete [1]. Hitler zeigte sich später entzückt von ihrer reizenden Schönheit [2]. Nach Beendigung seiner Arbeit in Schlesien blieb Renzetti in Deutschland und wurde dort Mitglied einer italienischen Führungsgruppe, die nach dem Abschluss der Militärüberwachung unter vorgeschützten oder nur teilweise ausgeübten zivilen Tätigkeiten in Deutschland blieb.

Schon früh Mitglied der italienischen Faschistischen Partei, organisierte er ab 1923 in mehreren deutschen Großstädten Untergliederungen dieser Partei, fasci all’estero, und zwar für die dort lebenden Italiener. Diese Gruppen waren vorwiegend auf sozialem und kulturellem Gebiet aktiv[3]. Renzetti gründete zugleich in Leipzig, München, Hamburg und Berlin italienische Handelskammern. Diese zwischenstaatlichen Institutionen organisierten Studienreisen, Vortragsreihen und Austauschbeziehungen.

Im März 1922 lernte er Mussolini kennen, der sich zu dieser Zeit in Berlin aufhielt [4]. Dann riss der Kontakt nicht mehr ab, denn Renzetti machte es sich bald zur Gewohnheit, regelmäßig über seine deutschen Erfahrungen nach Rom zu berichten; er verstand sich als Sonderkorrespondent mit Insiderwissen und zugleich als Propagandist des Faschismus. Die Berichte fanden bei Mussolini einen hohen Anklang; nicht zuletzt deshalb sah er wohl in Renzetti einen „Freund“, er hielt ihn für den „besten Kenner der deutschen Politik und Ideologie, den Italien hat“ und zögerte auch nicht, ihn für seine Dienste mit einer monatlichen Aufwandsentschädigung von einigen tausend Lire zu entlohnen. Von 1922 bis 1927 gab Renzetti in Berlin die auf Italienisch erscheinende Zeitschrift „Il Gagliardetto“ heraus. Zwischen 1925 und 1927 amtierte er als Konsul in Leipzig; danach übernahm er die Leitung der italienischen Handelskammer in Berlin und 1929 der „Vereinigung der italienischen Handelskammern in Deutschland“: ein Zentrum der wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Arbeit.

Giuseppe Renzetti fühlte sich in Deutschland sehr wohl, kannte sich sehr gut in Berlin aus und mischte gerne überall mit, wo es etwas zu organisieren und einzufädeln gab. Er kurbelte den Tourismus an und vermittelte Italienreisen für deutsche Politiker und Gelehrte, er hielt Vorträge und bemühte sich um eine Intensivierung des wirtschaftlichen Austausches zwischen beiden Ländern. In deutschen und italienischen Zeitungen veröffentlichte Renzetti Artikel und hatte seine Finger wohl auch in Waffengeschäften. Er führte ein großzügiges und außerordentlich gastfreundliches Haus, das neben zahlreichen Journalisten und Künstlern vor allem den konservativen Führungsschichten und den Repräsentanten der politischen Rechten offenstand (Schleicher, Schacht, Hugenberg u.v.a.), zu denen er sich aufgrund seiner politischen Überzeugung als Faschist und Monarchist besonders hinzugezogen fühlte. Er verkehrte auch mit Nazigrößen wie Hitler, Rosenberg, Goebbels, Frick, Röhm und insbesondere mit Göring [5], der sich Renzetti durch eine „aufrichtige und tiefempfundene Freundschaft“ verbunden fühlte.

Renzetti war vor allem deshalb ein gesuchter Gesprächspartner, weil er im höheren faschistischen Dienste zu stehen schien und es ihm tatsächlich ein leichtes war, politische Verbindungen zur italienischen Regierung und zur faschistischen Partei herzustellen oder eine Audienz bei Mussolini zu arrangieren, der damals bei der politischen Rechten als Ideologiestifter und ruhmbedeckter Revolutionär höchstes Ansehen genoss. Bis 1930 beschränkte Renzetti sich auf seine Rolle als Salonlöwe, Korrespondent und Propagandist, später wurde er mehr und mehr zu einer Art politischer Berater. Dies wohl weniger aus eigenem Antrieb, als vielmehr im Auftrag Mussolinis, der die Einwirkungsmöglichkeiten auf die deutsche Politik, die sich über Renzetti boten, zu schätzen wusste. Beiden stand dabei klar vor Augen, dass das wichtigste Ziel der faschistischen Deutschlandpolitik, nämlich die Etablierung einer revisionistischen Regierung der nationalen Rechten, nur zu erreichen war wenn es gelänge, ihre zersplitterten Kräfte zu vereinen; dafür musste auch die NSDAP zu gewinnen sein.

Renzetti tat sein möglichstes, dem Einheitsfrontkonzept Mussolinis zum Erfolg zu verhelfen. Zwischen 1930 und 1933 schrieb er monatlich Berichte, zuweilen sogar täglich, insgesamt 200–300; sie erfreuten sich in Rom hoher Wertschätzung. Die Berichte gingen an Mussolinis Sekretariat und an das Außenministerium in Rom. Einige Dutzend sind später in den ‚Documenti Diplomatici Italiani‘ (siebente Serie: 1922–1935) veröffentlicht worden. Die Berichte lassen den Schluss zu, dass Renzetti ständig in Aktion war; er sprach mit jedem, von dem er sich Möglichkeiten oder Informationen erhoffte und stets ging es um das gleiche Anliegen: die Beilegung der politischen Differenzen und persönlichen Querelen, die das nationale Lager innerhalb Deutschlands entzweiten. Er bearbeitete seine Gesprächspartner unter vier Augen, im kleinen vertrauten Kreis beim Frühstück oder in großer Runde, die sich zumeist in seinem Berliner Haus zusammenfand.

Die Krönung seiner Arbeit sah Renzetti in der Tagung der Nationalen Opposition in Bad Harzburg am 11. Oktober 1931, die – so glaubte er fest und so wurde es ihm von anderen bestätigt – ohne seine ständigen Bemühungen nicht zustande gekommen wäre. Neben Hitler, Hugenberg, Schacht u. a. saß er auf der Tribüne. Hitler äußerte ihm gegenüber den Wunsch nach einem Zusammentreffen mit Mussolini [6]. Während dieser Tagung erlag Renzetti mutmaßlich dem Charisma Hitlers und war nun davon überzeugt, dass nur dieser das Zeug dazu hätte, die politischen Verhältnisse in Deutschland nach italienischem Muster zu verändern. „Hitler braucht sicherlich Unterstützung und Ratschläge… (Trotz Schwäche und Defizite) halte ich ihn für den besten Führer der nationalen Opposition“, schrieb er nach Rom.

Das Ziel Renzettis war klar: es ging nur darum, dem Nationalsozialismus an die Macht zu verhelfen. Die deutsche Rechte außerhalb der NSDAP hatte versagt, ihre Ära war definitiv vorbei; sie konnte nur dazu dienen, den Aufstieg Hitlers zu erleichtern. Nichts sprach dafür, dass Mussolini diese Wendung seines Mannes in Berlin nicht gutgeheißen hatte, oder dass er gezögert hatte, Hitler zu unterstützen. Am 4. November 1931 hatte Renzetti eine Audienz beim Duce, über deren Verlauf leider nichts bekanntgeworden ist. Aber an Renzettis Position Hitler gegenüber und an seiner Politik der uneingeschränkten Unterstützung der NSDAP im Anschluss an die Audienz ließ sich nur schließen, dass Mussolini sich von der Stichhaltigkeit der Argumente Renzettis hatte überzeugen lassen: man sollte auf Hitler bauen.

Bisher hatte der Nationalsozialismus im revisionistischen Konzept Mussolinis nur eine untergeordnete Rolle gespielt; seit Anfang der zwanziger Jahre bestanden zwar lose Kontakte und Mussolini bemühte sich darum, Hitler – den er eigentlich nicht ernst nahm – nicht vor den Kopf zu stoßen. Andererseits wollte er sich auch nie dem Nationalsozialismus verpflichten und Distanz zu Hitler wahren. Erst nach 1930 intensivierte Rom die Beziehungen mit einem ersten Höhepunkt im Mai 1931, als Göring durch Vermittlung Renzettis nach Rom reiste. Er wurde von Mussolini empfangen, der ihm ein Foto mit Widmung für Hitler überreichte. Am 8. Juni 1931 dankte Hitler Mussolini schriftlich und übersandte ebenfalls ein Bild mit Widmung [7].

Renzetti berichtete am 15. Oktober 1931 an Rom, dass Hitler schon mehrmals den Wunsch geäußert habe, ebenfalls auch nach Italien zu reisen. Eine solche Reise sollte seine Sympathie für Italien sowie seine Bewunderung für Mussolini zum Ausdruck bringen, wie überhaupt den hohen Stellenwert guter deutsch-italienischer Beziehungen [8]. Renzetti regte an, Hitler zu einem Besuch nach Italien einzuladen. In seinem Bericht beschrieb er Hitler als denjenigen, auf den man am meisten zählen konnte: er sei ehrlich erfüllt vom Willen, sich mit Italien zu verständigen[9]. In der Folgezeit versuchten sowohl Göring, als auch Hitler, Reisen zu Mussolini zu organisieren, was jedoch noch an der vorsichtigen Zurückhaltung der Italiener scheiterte: Renzetti empfing im November 1931 aus Rom die Weisung, es wäre besser, wenn Hitler vorerst nicht nach Italien käme. Erst neue Wahlerfolge der NSDAP durchbrachen für kurze Zeit Mussolinis Ablehnung, so dass er vorschlug, Hitler am 11. Dezember als privaten Gast der Faschistischen Partei zu empfangen. Das Programm sah einen zweitägigen Aufenthalt in Rom vor, bei dem Hitler sich u. a. von Göring, Heß, Renzetti begleiten lassen wollte. Hitler hatte bereits ein Visum erhalten, als Renzetti ihn am 6. Dezember um eine Verschiebung seiner Reise bat „aus Gründen, die nur der Duce kenne“ [10]. Anders als Hitler hatte Reichskanzler Brüning im Sommer 1931 in Italien einen Staatsbesuch absolvieren können – wenngleich auch der politische Ertrag mager blieb [11].

Hitler ließ später keine Gelegenheit aus, um bei Renzetti wegen einer Reise nach Rom vorstellig zu werden. Am 12. Januar 1932 sprach er mit Renzetti über einen möglichen Besuch nach Rom. Giuseppe Renzetti machte sich zum warmen Befürworter dieses Vorschlages und schrieb noch am selben Tag Mussolini über die Wünsche Hitlers, ihn in der Zeit vom 1. bis 15. Juli zu besuchen. Die NSDAP sei nun regierungsfähig und sie werde negativ beeindruckt sein, wenn die Reise nicht zustande komme [12]. Mussolini erteilte den Auftrag, diese Reise vorzubereiten, und zwar nur auf Parteiebene mit strikter Ausschaltung aller staatlichen Stellen. Mit Rücksicht auf die innenpolitische Situation in Deutschland wurde später die Reise verschoben und verschwand einstweilen von der Bildfläche. Zum Ausgleich war Renzetti beauftragt, eine Botschaft des Duce zu übermitteln, in der er Hitler seine vollen Sympathien und seine Anerkennung für das bisher Geleistete aussprach – eine Erklärung, die Hitler voller Freude und Stolz entgegennahm [13]. Am 29. April 1932 gewährte Hitler auf Vermittlung Renzettis dem italienischen Journalisten Scorza ein Interview, in dem er erneut die Notwendigkeit einer legalen Machtergreifung betonte; anders als in Italien 1923 (Machtergreifung Mussolinis) verfügte die deutsche Staatsgewalt ja über die loyalen Machtinstrumente von Polizei und Armee; darüber hinaus machten die Wahlsiege der NSDAP einen Erfolg der legalen Taktik zu einer absoluten Gewissheit [14]. Erst im November 1932 konnte Göring wieder Rom besuchen; Hitler musste bis 1934 warten, als er schon Reichskanzler war [15].

Nachdem Mussolini während der Audienz Renzettis vom 4. November 1931 die neue Linie autorisiert hatte, legte dieser die Rolle des Politikberaters, in die er 1930 geschlüpft war, weitgehend ab. Er wurde nun selbst ein Teil der deutschen Politik, ja, zum Politiker, der seine Vorstellungen mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln durchzusetzen versuchte. Seine Kontakte zur Führungsclique der NSDAP und insbesondere zu Hitler persönlich vermehrten sich; in entscheidenden Phasen wich Renzetti ihm oft tagelang kaum von der Seite. Er betätigte sich als Propagandist der NSDAP; brachte Politiker der in sich zerstrittenen nationalen Opposition in seinem Haus zusammen und versuchte, Hitler zu lenken und auf den richtigen Weg zur Macht zu führen. Unabdingbar dabei waren Geschlossenheit der Meinung und Kampfbereitschaft der Bewegung; dissidente Stimmen sollten rücksichtslos zum Verstummen gebracht werden [16]. Die Strassers mussten seines Einsehens verschwinden, im Falle Röhms riet er schon früh zur Entfernung [17].

Die NSDAP sollte sich von der Macht fernhalten, solange sie nicht in der Lage war, sie ganz zu ergreifen, und statt dessen die Regierung attackieren und durch eine permanente Mobilisierung der Straße in Atem halten. Um das Ziel der Machtergreifung zu erreichen, solle man nicht dem Fehler verfallen, jede sich anbietende Gelegenheit sofort und schnell zu nutzen. Vielmehr solle man mit machiavellistischer Geschmeidigkeit die richtige Gelegenheit ergreifen und sich bis zu diesem Augenblick moderat geben, wenn dies Vorteil bringen konnte, sich radikal benehmen, wenn es von Nutzen wäre. Renzetti war es allerdings nicht verborgen geblieben, dass Hitlers Legalitätskurs in einer Sackgasse enden könnte und auch Mussolini ließ zuweilen spitze Bemerkungen fallen, aus denen zu erkennen war, wie wenig Gefallen er an dieser Linie Hitlers fand. Renzetti äußerte jedenfalls Hitler und Göring gegenüber seine (und sicher auch Mussolinis) Auffassung, dass es der Bewegung auf legalem Wege nicht gelingen würde, die Macht zu ergreifen, dass es nötig wäre, eine Gewaltaktion zu organisieren.

Es ist mehr als wahrscheinlich, dass Mussolini eine Machtergreifung Hitlers herbeiwünschte, falls nötig oder wünschenswert, mit harter Faust [18]. Es gab also mutmaßlich einen bekümmerten Mussolini, der Hitlers Weg zur Macht mit gemischten – wenn nicht negativen – Gefühlen verfolgte. So ein staatsmännisches Verantwortungsgefühl hatte er nicht. Er fühlte sich Hitler überlegen und unterschätzte ihn, wie das Gros der europäischen Staatsmänner [19]. Das war die Ursache seines eigenen Unterganges 1945. Am 10. Januar 1933 empfing Renzetti in seinem Haus Vertreter der Rechtsparteien zu einem Gespräch, in dem Renzetti zwischen den Parteien zu vermitteln versuchte [20]. Am 23. Januar 1933 unterhielt Hitler sich mit Renzetti und bezeichnete die politische Situation als sehr günstig [21]. Renzetti berichtete Mussolini über die politische Lage und konnte schon recht genau die Zusammensetzung des neuen Kabinetts Hitler vom 30. Januar beschreiben [22]. Niemand vermag zu sagen, inwieweit Renzettis und Mussolinis Ratschläge fruchteten und ob sie von der NS-Führung beherzigt oder überhört wurden. Eines ist sicher: Renzetti erfreute sich nach Hitlers Machtübernahme im Lager der neuen Regierung höchster Wertschätzung. Hitler wollte ihn am Abend des 30. Januar 1933 neben sich haben, als er vom Fenster der Reichskanzlei aus die Vorbeimarschierenden grüßte [23] und er rief ihn am 31. Januar als einen der ersten zu sich, um ihn eine Botschaft an Mussolini zu übermitteln und ihm zu versichern, dass er an seiner Politik der Freundschaft zu Italien festzuhalten gedenke. Er dankte Mussolini für dessen Gratulationen vom Vortage und wünsche eine baldige Unterredung mit dem Duce [24].

Nach 1933, als die Beziehungen zwischen Hitler und Mussolini mehr und mehr über die offiziellen diplomatischen Drähte laufen konnten, verlor Renzetti schnell an Bedeutung. Der italienische Botschafter Cerruti versuchte sogar Anfang 1933, den ihm unbequemen Informanten aus Berlin zu entfernen [25]; zu der Zeit noch vergeblich. Renzetti begleitete Göring bei dessen Besuch nach Italien im November 1933 [26]; am 28. März 1934 erfolgte ein Briefwechsel Renzetti-Hitler bezüglich Presse-Artikel über den Unterschied zwischen der deutschen und der italienischen Arbeitsgesetzgebung und über das latente Misstrauen bestimmter deutscher Parteikreise dem italienischen Faschismus gegenüber [27].

Am 21. Juni 1935 bediente sich Hitler nicht der offiziellen Kanäle [28], sondern Renzetti, um seinen Wunsch zur Ablösung des italienischen Botschafters Cerruti zu erreichen, der nicht immer exakt nach Rom berichte was Hitler zu ihm gesagt hatte (damit indirekt zugebend, daß zumindest einige der Berichte des Botschafters vom deutschen Außenamt mitgelesen worden waren). Auch äußerte Hitler den Wunsch nach Verbesserung der deutsch-italienischen Beziehungen und verneinte wieder jede Verantwortung am österreichischen Coup vom Juli 1934 [29]. Kurz davor hatte Cerruti nach mehreren vergeblichen Versuchen den Umzug Renzettis arrangiert: Renzetti wurde als italienischer Generalkonsul nach San Francisco versetzt [30]; sein erster Bericht von dort stammte vom 16. August 1935. Renzetti kehrte 1936 im Auftrag Mussolinis, der seinen Einfluss in Berlin stärken wollte, wieder als Generalkonsul nach Berlin zurück um das deutsch-italienische Verhältnis zu stützen und zu fördern [31]. Göring versprach Renzetti Ende April 1940, dass der Duce wenigstens zwei Wochen vor dem Beginn einer Westoffensive gewarnt werden sollte [32]. Später im Jahre 1940 leitete Renzetti den Wunsch Görings an Rom weiter, Italien am Krieg zu beteiligen; Mussolini bekäme dafür freie Hand in Griechenland. Weiter ist von Renzettis Aktivitäten in der Literatur wenig zu finden.

Er blieb in Berlin bis Anfang 1941, wenngleich er mit dem Außenminister Ciano immer noch Schwierigkeiten hatte. Im März 1941 beschrieb Goebbels in seinem Tagebuch seine Verabschiedung von Renzetti, der nach erneuten Differenzen mit Ciano [33] seinen Posten verlassen musste. Giuseppe Renzetti beklagte sich bitter darüber und über die ganze Clique um den Duce, sowie über die seiner Ansicht verfehlte italienische Politik und Kriegführung [34]. Schließlich ging er durch Hilfe seines alten Freundes Göring als Botschafter nach Stockholm [35], wo er 1943, nach dem Sturz Mussolinis, auf die Seite der königlichen italienischen Regierung trat (sic). Er starb im Jahre 1953.

Autor: Hubert Beckers

Literatur

Collier, Richard: Duce! The Rise and Fall of Benito Mussolini. London 1971.

Corvaja, Santi: Hitler and Mussolini. The Secret Meetings. New York 2001.

Kube, Alfred: Pour le mérite und Hakenkreuz., Hermann Göring im Dritten Reich. München 1986.

Petersen, Jens: Hitler – Mussolini. Die Entstehung der Achse Berlin-Rom 1933-1936. Tübingen 1973.

Weinberg, Gerhard L.: The foreign policy of Hitler’s Germany. Diplomatic Revolution in Europe, 1933-1936. Chicago 1970.

Woller, Hans: Machtpolitisches Kalkül oder ideologische Affinität? Zur Frage des Verhältnisses zwischen Mussolini und Hitler vor 1933. In: Benz/Buchheim/Mommsen: Der Nationalsozialismus (Frankfurt/M. 1994), S. 42-63.

Anmerkungen

[0] Die Personalangaben bez. Renzettis sind vornehmlich dem Artikel von Hans Woller „Machtpolitisches Kalkül oder ideologische Affinität? Zur Frage des Verhältnisses zwischen Mussolini und Hitler vor 1933“ (in Wolfgang Benz u.a. ‚Der Nationalsozialismus; Studien zur Ideologie und Herrschaft‘, S. 42-63), dem Buch von Jens Petersen „Hitler-Mussolini. Die Entstehung der Achse Berlin-Rom 1933-1936“ und Philip V. Cannostraros „Historical Dictionary of Fascist Italy“, S. 452, entnommen worden.

[1]. Goebbels bemerkt im März 1941 über Renzettis Ehefrau „schrecklich nichtarisch, aber klug, energisch und ein richtiger Faschist“ (Goebbels-TB Teil I, Bd. 9, S. 214).

[2]. Fromm Blood and banquets; a Berlin social diary S. 91/2.

[3]. Petersen Hitler-Mussolini S. 16/7.

[4]. Mussolini unternahm 1922 eine Reihe von Auslandsreisen, um sich mit den innen- und außenpolitischen Problemen der einzelnen europäischen Staaten vertraut zu machen; im März befand er sich dazu in Berlin. Rosen Muss. und Deutschland S. 18.

[5]. Petersen Hitler/Muss. S. 42f und Kube Göring S. 13, über besonders intensive Kontakte Görings mit Renzetti.

[6]. Woller Kalkül/Aff. S. 54; Petersen Hitler-Mussolini S. 44.

[7]. Petersen Hitler-Mussolini S. 42/3; Kube Göring S. 17/8; Hartmann Hitler RSA Bd. IV-2 S. 4 in Nt. 15; Hitlerbrief in Goschler Hitler RSA Bd. IV-1, Dok. 135, S. 405/06.

[8]. Collier Duce S. 383; Hartmann Hitler RSA Bd. IV-2 S. 43 in Nt. 15.

[9]. Corvaja Meetings S. 9/0; Weinberg For.pol.33/36 S. 17; Woller Kalkül/Aff. S. 54.

[10]. Petersen Hitler-Mussolini S. 44/5; Hartmann Hitler RSA Bd. IV-2, S. 261 in Nt. 7 und S. 263 Nt. 15; Weinberg For.pol.33/36 S. 17; Corvaja Meetings S. 10.

[11]. Petersen Hitler-Mussolini S. 46.

[12]. Collier Duce! S. 383; Petersen Hitler-Mussolini S. 104; Corvaja Meetings S. 11/2.

[13]. Petersen Hitler-Mussolini S. 104/05.

[14]. Petersen Hitler-Mussolini S. 45/6; Interviewtext in Hitler RSA Bd. V/1, Dokument 66, S. 99/08.

[15]. Kube Göring S. 18/9.

[16]. Siehe zum Beispiel den Rat Renzettis an Hitler, Kompromisse nicht in Frage kommen zu lassen; revolutionäre Bewegungen sollten keine Abweichler in ihren Reihen dulden. Lankheit Hitler RSA Bd. V/2, S. 253 in Note 3 (sich beziehend auf De Felice S. 248f.). Siehe auch Petersen Hitler-Mussolini S. 109/10.

[17]. Petersen Hitler-Mussolini S. 112. Goebbels (Tagebücher Bd. 2/II, S. 49) hörte schon Juni 1931 von Renzetti, dass Röhmskandale in Italien ’sehr ernst‘ genommen wurden.

[18]. U.a. Woller Kalkül/Aff. S. 57/8; Steinert Hitler S. 257.

[19]. Woller Kalkül/Aff. S. 61.

[20]. Petersen Hitler-Mussolini S. 112.

[21]. Hartmann Hitler RSA V/2 S. 393 in Nt. 3.

[22]. Collier Duce! S. 386; Petersen Hitler-Mussolini S. 111.

[23]. Woller Kalkül/Aff. S. 60; Petersen Hitler-Mussolini S. 112.

[24]. Collier Duce! S. 389; Petersen Hitler/Muss. S. 113/14, S. 121 und S. 124; Woller Kalkül/Aff. S. 60; Weinberg For.pol.33/36 S. 33 und 48/9; Corvaja Meetings S. 13/4.

[25]. Petersen Hitler-Mussolini S. 418.

[26]. Petersen Hitler-Mussolini S. 262/66.

[27]. Petersen Hitler-Mussolini S. 340 und Nt. 47.

[28]. Über Faktum und Inhalt dieser Unterredung scheint die italienische Diplomatie nichts erfahren zu haben: Petersen Hitler-Mussolini, S. 417 in Nt. 111.

[29]. Weinberg For.pol.33/36 S. 234/35; Martens Göring S. 90; Petersen Hitler/Muss. S. 417/20.

[30]. Petersen Hitler-Mussolini S. 416/17; Cannistraro Hist. Dict. Fascist Italy S. 452.

[31]. Goebbels bemerkt im Oktober 1936 (Bd. 3/II, S. 203 und S. 294): „Renzetti kommt wieder als Generalkonsul nach Berlin; Gottlob!“.

[32]. Botschafter Mackensen hatte am Abend des 9. Mai 1940 Ciano zu Gast; als dieser sich nach Mitternacht verabschiedete, hatte er noch immer nichts vom Anfang der Westoffensive einige Stunden später sagen dürfen: keine angenehme Position, als er um 4 Uhr morgens Ciano anrufen musste mit der Bitte, um 5 Uhr von Mussolini empfangen zu werden. Wiskemann Rom-Berlin Axis S. 210/11.

[33]. Ciano hatte übrigens vom 26. Januar bis in April 1941 das Kommando einer Bomberstaffel in Bari übernommen und beteiligte sich an Einsätzen über der griechisch-albanischen Grenze; Mussolini führte zwischenzeitlich das Außenministerium. Mosely Ciano S. 147.

[34]. Goebbels-TB Teil I, Bd. 9, S. 197 und S. 214.

[35]. Die Hassel-Tagebücher S. 395.

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