Geschichten und Bilder von 120 ehemaligen Weltkriegssoldaten, erzählt nach 60 Jahren – 2004 – Eigenverlag Übach-Palenberg
Jürgen Klosa, 54 Jahre, Heimatschriftsteller (Boscheln – Das Buch über seinen Heimatort und „Die letzte Förderung“ – Die Gewerkschaft Carolus Magnus in Bildern und Geschichten) hat sich der lebendigen Geschichte verschrieben. Das Buch „Eine Generation verabschiedet sich“, in dem er die Essenz aus 120 Gesprächen mit ehemaligen Weltkriegssoldaten vereinigt, ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel.
Es ist zwar ein Buch von Personen aus einem Ort, aber wenn man die Dimension dieses Buch betrachtet, wird man schnell feststellen, dass das mit Lokalkolorit nichts zu tun hat. Man entdeckt viele Geschichten und Bilder, die in aller Welt spielen. Und wenn man über die Realisierung dieses Buches nachdenkt, wird man schnell feststellen, dass eine Erfassung von Zeitzeugen in der Fülle und nur von einer Person durchgeführt, eigentlich nur auf örtlicher Ebene möglich ist. Würde jemand „durch Deutschland“ fahren, hätte er mit Sicherheit große Schwierigkeiten. Niemand wird z.B. an Fotos herankommen, wenn er als „Vertreter aus einer fremden Stadt“ an die Türe klopft. Insofern konnte Klosa dieses Vorhaben nur realisieren, weil er durch seine beiden sehr lebendigen Heimatbücher vor Ort schon einen Namen hatte und die Zeitzeugen den sensiblen Umfang mit ihren Informationen bzw. Bildern voraussetzen konnten. Dass dies für ihn trotz „Vorschuss-Vertrauen“ trotzdem noch sehr schwierig war, zeigt die Tatsache, dass er bei ca. 250 Personen vergeblich anklopfte. Viele Menschen aus dieser Zeit sind auf Grund ihres Alters schon sehr verschlossen. Insofern war das Buch „Eine Generation verabschiedet sich“ an so viele Voraussetzungen geknüpft, dass es unter normalen Umständen und zu dieser Zeit (60 Jahre nach Kriegsende) eigentlich gar nicht hätte entstehen können. Also eher ein 5-nach-12-Uhr-Buch. Aber für ein Buch, das „nicht existiert“, ist es sehr lebendig und spannend.
Eindrucksvoll sind die Kurzbiographien der 120 Zeitzeugen, die die Soldatenstationen beinhalten. Dazu ein aktuelles Bild (als alter Mann) und ein Soldatenbild (vor 60 Jahren). In Blöcken von jeweils 24 Biographien (auf zwei Doppelseiten), grenzen diese Biographienblöcke jeweils die einzelnen Kapitel des Buches ab. In den Kurzbiographien ist aber auch ein Verweis auf die Geschichte des betreffenden Zeitzeugen in dem Buch enthalten mit der Seitenzahl. Das ist eine überaus komfortable interaktive Komponente des Buches, und so kann der Leser von der Biographie zur Geschichte der Person und umgekehrt „springen“. Denn auch von der Geschichte geht ein Seitenverweis zur jeweiligen Biographie. Es zeigt auch die sehr detailfreudige Akribie des Autors (und Gestalters) Jürgen Klosa und dokumentiert die liebevolle Art der Arbeit.
Das Buch ist in vier Kapiteln eingeteilt. Und zwar „vor dem Einsatz“, „Kriegsgeschehen“, „Doch Mensch geblieben“ und „Gefangenschaft“. In diesen Kapiteln sind die thematisch dazu gehörenden Geschichten zusammengefasst. Aufgelockert sind sie durch zahlreiche Bilder, die das Weltkriegsmilieu bzw. die Soldaten in den verschiedensten Situationen zeigen. Das Buch will keinen geschichtlichen Abriss des Zweiten Weltkrieges liefern, sondern nur auf die Erlebnisse und Stimmungen der Soldaten eingehen. Die Fülle der unterschiedlichen Geschichten bindet darüber hinaus den Leser an das Buch, d.h. er wird neugierig und lässt sich in die Welt der damaligen Soldaten entführen.
Der eigentliche Krieg findet in Kapitel 2 statt, und die hier enthaltenen Geschichten setzen sich mit der brutalen Kriegsrealität auseinander. Die übrigen Kapitel haben (gottseidank) sehr menschliche, aber auch emotionale Züge. Das kommt auch in dem Kapitel über Kriegsgefangenschaft zur Geltung. Hier gibt es die unterschiedlichsten Erfahrungen von „Hui“ bis „Pfui“, z.B. gute und schlechte Begegnungen mit den Amerikanern und gute und schlechte Ebensolche mit den Russen. Das liegt anscheinend an den subjektiven Erinnerungen der Zeitzeugen, deren Erinnerungen halt sind wie sie sind. Es gibt also keine Vorurteile bzw. Wertung des Autors. Er benutzt höchstens verschiedene Stilmittel, die das Erzählte besser zur Geltung bringen sollen. Das ist ihm bei einem „fiktiven Brief“, in dem der Autor eine Geschichte verpackt hat, besonders gelungen. Dieser „Brief“ birgt z.B. ein besonders tragisches Schicksal in sich und soll zeigen: Krieg ist vor allem die Summe an menschlichem Leid und nicht nur eine Aneinanderreihung von Strategien, Bombenmengen und „Siegen“.
Was die Qualität des Buches noch unterstreicht bzw. eine besondere Dimension verleiht, sind die Texte von Christiane, die z.B. den Kapiteln vorangestellt sind. Dass der Autor mit „Christiane“ verheiratet ist, dürfte für dieses Buch ein seltener Glücksfall sein. Die Texte stehen für sich und werten den Inhalt in keiner Weise. Sie sind dazu geeignet, den „Krieg“ auf einer seelischen Ebene zu verstehen, dort wo sich die Menschen begegnen. Das Lesen dieser Texte ist für den Leser auch dazu geeignet, innerlich zu verschnaufen, weil es trotz allem im gesamten Buch um menschenunwürdige Umstände geht. Das Vorwort von Christiane ist darüber hinaus eine Art von „Kriegs-Erklärung“, d.h. die Worte erklären, warum ein solches Buch noch nach 60 Jahren seine Berechtigung hat.
Eindrucksvoll auch am Schluss des Buches die Entstehungsgeschichte. Sie verdeutlicht, wie umfangreich und teilweise hart für den Autor die Umsetzung seines Zieles war und was ihn an Unwägbarkeiten unterwegs begegneten. Diese Beschreibung könnte auch für Nachahmer eine Art „Gebrauchsanleitung“ sein, wobei zu bezweifeln ist, ob der Autor hier viele Nachahmer finden wird.
Das Buch dürfte in der Lage sein, sehr viele Menschen anzusprechen oder u.a. auch zu kurz kommende „Nischen“ im Geschichtsunterricht bereichern, denn die großen Zusammenhänge und Geschehnisse sind zwar allen bekannt, aber der „kleine Mann ab Rommel abwärts“ spielt in der wie in diesem Buch vorkommenden Fülle eher selten eine Rolle. Vor dem Hintergrund eine unbezahlbare Arbeit des Autors und – je mehr die Zeit vergeht – ein immer wertvoller werdendes Zeitdokument.
Autorin: Gudrun Zipperer
Jürgen Klosa: Eine Generation verabschiedet sich, Übach-Palenberg, 2004. 224 Seiten, Großformat, über 400 Bilder plus 240 Personenportraits, Bilderdruck, Fadenbindung, Preis incl. Versandkosten: 21,– Euro. ISBN: 3-00-014237-1. Bestellung über den Autor: juergen.klosa@t-online.de, Tel.: 02404-23750