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Startseite > Rezensionen > Buchrezensionen > Die Geschichte des Schlachters – von Helmut Walser Smith
Geschrieben von: Jochen Böhmer
Erstellt:

Die Geschichte des Schlachters – von Helmut Walser Smith

Helmut Walser Smith, Die Geschichte des Schlachters: Mord und Antisemitismus in einer deutschen Kleinstadt. Frankfurt/M. 2004.

Im März des Jahres 1900 wird in der westpreußischen Kleinstadt Konitz (heute: Chojnice) ein Mord an einem 18-jährigen Gymnasiasten verübt. Die Tat zeichnet sich durch eine besondere Grausamkeit auf, da der Leichnam des Opfers zerstückelt wurde. Dieser Vorfall im deutschen Kaiserreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich zum „größten Ausbruch antisemitischer Gewalt im wilhelminischen Deutschland“ (Zitat aus dem Klappentext des Buches). Der Vorfall wurde immerhin Gegenstand einer Debatte im Reichstag.

Helmut Walser Smith, ein amerikanischer Historiker, zeichnet in seinem Buch Die Geschichte des Schlachters. Mord und Antisemitismus in einer deutschen Kleinstadt. diese Tragödie nach und vermittelt nicht nur einen plastischen Einblick in den deutschen Antisemitismus vor der Nazizeit, sondern er lässt den Leser bzw. die Leserin auch vor dem Gedanken erschaudern, wie leicht Menschen zu manipulieren sind.

Zunächst zeichnet der Autor den Vorfall noch einmal nach. Der Gymnasiast Ernst Winter verschwindet zunächst spurlos. Zwei Tage später werden Körperteile des Opfers an unterschiedlichen Orten der Stadt gefunden. Der durch die Aufklärung und den offiziellen Geschichtsoptimismus in die Latenz verbannte, religiös verbrämte Vorwurf des Ritualmordes gegenüber den Juden, kommt sofort zum Vorschein. Die fachgerechte Art der Zerstückelung des Leichnams lässt zunächst einen Verdacht gegen den christlichen Fleischer Gustav Hoffmann, aber auch gegen den jüdischen Schächter Lewy aufkommen. Aber der Zeitpunkt der Tat (die Phase um Ostern) ließ viele Konitzer nicht daran zweifeln, dass es sich um einen Ritualmord handelte. Danach töten die Juden immer vor dem Pessachfest einen christlichen Jungen, um das Blut für das ungesäuerte Brot, Mazzen, zu verwenden. Dabei gilt es zu bedenken, dass Deutschland im Jahr 1900 zu den „Völkern mit der besten Schulbildung der Welt“ (S. 11) gerechnet wurde und man es hier keineswegs mit einer „mittelalterlichen“  oder „unterentwickelten“ Gesellschaft zu tun hatte. Dem unterschwelligen Antisemitismus konnte das jedoch keinen Einhalt gebieten.

Smith zeichnet akribisch die Aussagen der Denunzianten und der Verdächtigen nach. Der jüdische Metzger Lewy geriet dabei jedoch immer mehr in das Zentrum der Verdächtigungen. Dabei setzte sich vor allem der christliche Fleischer Hoffmann in Szene. Dieser veröffentlichte in der mittlerweile berichtenden „Staatsbürgerzeitung“ ein Dokument, in dem er darlegte, warum er nicht der Mörder sein konnte, währenddessen nur Lewy der Mörder sein konnte. In diesem Dokument („vermutlich das in Westpreußen am meisten verbreitete Druckerzeugnis“, S. 70), welches nach Smith vermutlich „von einem der antisemitischen Journalisten“ (ebda.) verfasst wurde, werden die Elemente der Verschwörungstheorie erkennbar, welche ganz klar von Antisemitismus geprägt ist. Die Theorie, wonach die Juden mit der Polizei unter einer Decke stecken würden, da auch Hoffmann verdächtigt wurde. Oder auch die Bestechung von Zeugen durch ein Komitee reicher Juden.

Immer mehr gediehen in Konitz Hass und Antisemitismus. Selbst als die Geschichte eines stadtbekannten Gewalttäters und Trinkers (Bernhard Masloff), dem selbst die Antisemiten vor Ort nicht viel Glauben schenkten, als Meineid abgeurteilt wurde, galt dies den Einwohnern wiederum als Beweis für die jüdische Macht, da in dieser erfundenen Geschichte angeblich die Juden der Stadt den Mord an Ernst Winter gestanden hätten. Das antisemitische Vorurteil erweist sich einmal mehr als aufklärungsresistent bzw. faktenresistent.

Staatlicherseits wurde Ende März des Jahres 1900 ein erfahrener Kriminalbeamter nach Konitz geschickt um die Ermittlungen fortzuführen. Doch auch dieses Vorgehen galt den Antisemiten als Beweis dafür, dass etwas vertuscht werden solle. Aufgehetzt durch antisemitische Artikel und immer neue Gerüchte gingen die Konitzer nun auch zur direkten Gewalt über. Die ersten Ausschreitungen richteten sich gegen das Haus der Lewys. Aber letztlich galt es allen Juden und so handelten die Konitzer auch. Die Synagoge in Konitz brannte nach mehreren Tagen der Ausschreitungen und die antisemitische „Staatsbürgerzeitung“ schrieb davon, dass das Feuer von den Juden selbst gelegt wurde, um „Beweise“ zu vernichten. Selbst preußisches Militär, welches Ruhe und Ordnung herstellen sollte, konnte dies nicht verhindern und wurde teilweise sogar angegriffen. Hier wird das Bild des autoritäts- und staatsgläubigen preußischen „Untertans“ revidiert.

Im Buch wird darüber hinaus das gesamtgesellschaftliche Klima im damaligen Deutschland bzw. Europa dargestellt. In Zeiten politischer Umbrüche und gesellschaftlicher bzw. wirtschaftlicher Krisen greifen die verunsicherten Massen immer wieder zur antisemitischen Gewalt. Smith verweist z. B. auf die hohe Zahl der Pogrome in Russland in der Zeit von 1879 bis 1881: 259 „selbständige Pogrome“ wurden gezählt. In Deutschland ereignete sich in Xanten 1891 ein ähnlicher Fall wie in Konitz. Mit ähnlichen Resultaten übrigens: Die Existenz der Familie Lewy war zerstört, die Pogrome von Konitz bildeten den unheimlichen Vorschein auf das, was 40 Jahre später in ganz Deutschland passierte.

Das überaus lesenswerte Buch endet mit der von Smith vertretenen These, dass der – nie wirklich gefasste – Mörder nur einer der christlichen Beschuldiger gewesen sein kann. Die Hinweise auf Masloff bzw. auf den christlichen Metzger Hoffmann sowie deren mögliche Motive werden von Smith noch einmal detailliert nachgezeichnet.

Erschütternd ist dieses Buch, weil es einen Blick darauf wirft, wie schnell latente Vorurteile in der Masse durch Presse und Politik mobilisiert werden können. Galt die mittelalterliche Ritualmordlegende als überholt, wurde sie in Konitz des Jahres 1900 wieder aufbereitet und diente als Legitimation für offenen Antisemitismus und ein gewalttätiges Pogrom. Innerhalb kürzester Zeit waren die zivilisatorischen Formen des zwischenmenschlichen Umgangs weggewischt. Gerade hinsichtlich der Genozidforschung ist dieser Umschlag vom „normalen Nachbarn“ zum Mörder aktueller denn je.

Aber auch in einer weiteren Hinsicht ist dieses Buch lesenswert. Es zeigt, dass Antisemitismus in Deutschland schon lange vor den Nationalsozialisten in der Bevölkerung vorhanden war. Und es lässt den Leser mit einer beunruhigenden Frage allein: Wenn sich die mittelalterliche Ritualmordlegende über einen so langen Zeitraum in Latenz halten konnte um dann im Jahre 1900 als Vorwand für antisemitische Gewalt zu dienen, warum sollte die Möglichkeit eines solchen Wiederauflebens des Antisemitismus in der Gegenwart verschwunden sein?

Autorin: Jochen Böhmer

 

Helmut Walser Smith, Die Geschichte des Schlachters: Mord und Antisemitismus in einer deutschen Kleinstadt. Frankfurt/M. 2004.

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