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Startseite > Erinnerung und Aufarbeitung > Aufarbeitung der NS-Zeit > Die Antisemitismustheorie der Frankfurter Schule
Geschrieben von: Natascha Müller und Oliver Marusczyk
Erstellt:

Die Antisemitismustheorie der Frankfurter Schule

Die Erscheinung des vernichtungswütigen Antisemitismus, der sich im industriell organisierten Massenmord an den europäischen Juden Bahn gebrochen hat, fristet im wissenschaftlichen Faschismus-Diskurs ein eher stiefmütterliches Dasein – der Tatsache ungeachtet, dass grade der Hass auf die Juden sinnstiftendes Moment der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft war. So erschöpft sich die Faschismusdiskussion hierzulande oft in Verkürzungen, an deren Ende Hitler und die Nazis auf eine kleine Clique von Verbrechern reduziert werden, die sich durch einen staatsstreichartigen Akt an die Macht geputscht haben. Für die deutsche Bevölkerung ist dabei die Rolle der rein passiven Befehlsempfänger reserviert, die sich dem Terror des NS-Regimes beugen mussten. Selbst Hannah Arendt attestierte einem Adolf Eichmann – immerhin SS-Obersturmbannführer und Leiter des Judenreferats im Reichssicherheitshauptamt – einen bürokratischen Eifer für die ihm anvertraute Sache, der aber unabhängig von einer antisemitischen Weltanschauung, sein Handeln bestimmte.[1]

 

„Elemente des Antisemitismus“ von Horkheimer und Adorno

Max Horkheimers und Theodor W. Adornos noch vor Ende des zweiten Weltkriegs im amerikanischen Exil entwickelten „Elemente des Antisemitismus“ grenzen sich scharf von einem solchen Verständnis des Nationalsozialismus als Herrschaftsinstrument für äußere Zwecksetzungen ab, wie ihn unter anderen auch Modernisierungstheoretiker gerne zu erkennen glauben.

Sie liefern eine Erklärung des antisemitischen Wahns, der in Auschwitz, Sobibor, Majdanek, Treblinka und weiteren Orten wütete und damit ein weiterführendes Verständnis des nationalsozialistischen „Unstaats“[2] und seiner auf Entrechtung, Verfolgung und schließlich der systematischen Vernichtung der Juden abzielenden Herrschaftspraxis. Denn der judenfeindliche Terror, zunächst beschränkt auf die deutschen Juden, war kein Bestandteil einer allgemeinen gesellschaftlichen Bedrohung [3], sondern eine besondere Erscheinung des Umschlags der zivilisatorischen Aufklärung in die Barbarei, der sich im Antisemitismus verwirklicht hat. Nur mit dem Begriff des Antisemitismus als innerer Logik der bürgerlichen Gesellschaft kann die Shoa als Resultat eines allumfassenden gesellschaftlichen Wahns verstanden werden. Weder vom ökonomischen Profit, noch vom politisch-strategischem Nutzen geleitet, wird der Irrsinn der bürokratischen Massenvernichtung durch seinen selbstzweckhaften Vollzug deutlich. Vor allem die Tatsache, dass selbst in den letzten Kriegsmonaten, als alle vorhandenen militärischen und zivilen Ressourcen hätten für die Logik des Krieges direkt unterworfen werden müssen, um das Deutsche Reich gegen die anrückende Rote Armee zu verteidigen, und dennoch beträchtliche Teile des Schienenverkehrs für die Organisation der Deportation gegenüber der militärischen Nutzung priorisiert wurde, zeigt unter anderem die Zwecklosigkeit des Judenmords. [4]

 

Der Holocaust ist kein unerklärliches Phänomen

Um den Holocaust nicht als Zivilisationsbruch oder als unerklärliches Phänomen, das über die Menschen gekommen ist, einzuordnen, führen Horkheimer und Adorno seine Irrationalität auf die widersprüchliche Struktur der bürgerlichen Gesellschaft selbst zurück. Ausgangspunkt ist die Verstrickung des Menschen in den dialektischen Zusammenhang von fortwährender Naturbeherrschung, die in der Herrschaft des Menschen über den Menschen und letztlich in der Selbstbeherrschung der inneren Natur, mündet. Der Einzelne zahlt den Preis seiner Befreiung von natürlichen oder religiösen Zwängen und Mythen mit der Unterwerfung unter die sogenannte „zweite Natur“; der verschleierten Herrschaft des Kapitals. Auf individueller wie gesamtgesellschaftlicher Ebene ergibt sich so ein Bild der aufgeklärten Moderne, die allgemeines Glück, solidarisches Miteinander und Empathie unmöglich macht. An die Stelle eines versöhnten Zustands der Menschheit, tritt die rücksichtslose, auf individuelle Egoismen reduzierten Konkurrenzbeziehungen der atomisierten Individuen, die ausschließlich als ökonomische Warenbesitzer ihrer Arbeitskraft in völlig abstrakter Beziehung zueinander stehen.

Zunächst beseitigen die Autoren den Irrtum, dass Faschismus und Liberalismus zwei wesensfremde Erscheinungen sind und beweisen vielmehr die Kontinuität der wirtschaftlichen Struktur der bürgerlich-liberalen Gesellschaft im Nationalsozialismus. Der Antisemitismus speist seinen besonderen Gehalt aus dem liberalistischen Glücksversprechen, wonach „jeder seines Glückes Schmied“ sei, und der permanenten Enttäuschung des Einzelnen darüber, dass eben jenes Glück unter den gegenwärtigen Bedingungen unerreichbar ist. Und weil die Subjekte um die Trostlosigkeit ihrer Existenz wissen, hassen sie umso mehr diejenigen, die in der pathischen Projektion des psychisch deformierten Subjekts dieses rein Besondere, von aller Mühsal befreite Glück, verkörpern: die Juden. In ihnen glauben sie das Glück „ohne Macht, des Lohnes ohne Arbeit, der Heimat ohne Grenzstein, der Religion ohne Mythos“[5] zu erkennen. Anstatt die Differenzen von seinem inneren Bewusstsein und der äußeren Umwelt zu begreifen, überträgt der Antisemit sein wahnhaftes Innenleben nach Außen „anstatt der Stimme des Gewissens hört es Stimmen; anstatt in sich zu gehen, um das Protokoll der eigenen Machtgier aufzunehmen, schreibt es die Protokolle der Weisen von Zion den andern zu.[6]

 

Die Juden scheinen sich der kollektiven Unterordnung zu entziehen und ziehen deshalb den Hass auf sich

Schon im Gleichheitsgrundsatz der französischen Revolution, der die Menschen auf abstrakte Größen reduziert und somit vergleichbar macht, ist die Ungleichheit in der kapitalistischen Wirklichkeit angelegt, deren Opfer die Juden sind. Denn durch die abstrakte „Gleichmacherei“[7] der Individuen wird ein Identitätszwang formuliert, der alles, was sich nicht unter das Allgemeine der Gesellschaft subsumieren lässt, auslöschen will. Aus der Jahrhunderte währenden Verfolgungsgeschichte der Juden, waren sie schon immer eine mit dem Stigma der Verfolgung gebrandmarkte Minderheit, die grade deswegen verfolgt werden, weil sie schon immer verfolgt wurden. Diaspora und Pogrom ließ sie im Gegensatz zum gleichgemachten bürgerlichen Individuum einen Rest an Sichtbarkeit bewahren, das nun ihr Schicksal wieder bestimmt. Durch die Erfordernisse der rücksichtslosen Anpassung des Individuums an die Bedürfnisse an wirtschaftliche Interessen, die den Einzelnen als Eigentümer, Käufer und Verkäufer von abstrakten Tauschwerten innerhalb einer warenproduzierenden Klassengesellschaft zurichtet, muss das Individuum seine eigene innere Natur zwanghaft unterdrücken, um sich vollständig unterwerfen zu können. Im Antisemiten ruft der schmerzhafte Prozess der Unterdrückung der inneren Natur den Hass auf diejenigen gesellschaftlichen Gruppen hervor, die sich scheinbar der kollektiven Unterordnung entzogen und einen Rest an Besonderheit bewahrt haben. Er erkennt in dem Anderen nur noch den Konkurrenten oder Feind, aber nicht mehr die zu schützende Besonderheit des gegenübertretenden Individuums. Ist doch grade der empathische Bezug auf seine Mitmenschen Grundbedingung von Solidarität, ja von Freiheit überhaupt. Ohne diese Erstarrung des Individuums vor seinem Anderen, der Gleichgültigkeit der Menschen in den ökonomisch-versachlichten Beziehungen, wäre Auschwitz nicht möglich gewesen.

 

Wenn universelles Glück nicht zu erreichen ist, sollen alle unglücklich sein

Da sich das universale Glück als Utopie erweist, sehnt sich der antisemitische Mob wenigstens nach einer Verallgemeinerung des Unglücks auch für jene, die scheinbar mühelos von krampfhafter Naturbeherrschung befreit sind. „Der eigentliche Gewinn, auf den der Volksgenosse rechnet, ist die Sanktionierung seiner Wut durchs Kollektiv“[8], was sich im entfesselten Gewaltakt des Pogroms manifestiert. Auch hiermit wird deutlich, dass der virulente Antisemitismus unabhängig von jeder vermittelten ökonomischen Rationalität der bürgerlichen Gesellschaft existiert und das Pogrom eher auf den eigentlichen Kern verweist: die Gewalt.

Der Antisemit ist nicht imstande die abstrakten ökonomischen Strukturen zu verstehen, die für das Elend, die Armut und ein unbestimmtes Gefühl einer allgemeinen Ungerechtigkeit verantwortlich sind. Trotzdem identifiziert er die Sphäre abstrakter Zirkulation mit einer konkreten Personengruppe. Juden und Geld fallen im widersprüchlichen Weltbild des Antisemiten in eins. Das hindert ihn allerdings nicht daran, auch hinter dem gottlosen Bolschewismus oder imperialistischen Kriegen, jüdische Hintermänner zu vermuten. In der antisemitischen Weltanschauung wird auch noch die absurdeste Verschwörungstheorie widerspruchsfrei vereint. Im Zustand der eigenen gesellschaftlichen Ohnmacht, projiziert der Judenfeind einzig seine autoritäre Sehnsucht nach Macht und Herrschaft.

 

Christen gegen „Ungläubige“

Dass die Juden kein zufällig konstruiertes Feindbild darstellen, wird durch das Erbe, das der moderne Antisemitismus als legitimer Nachfolger des christlichen Antijudaismus angetreten hat, verdeutlicht. Auch im finstersten Mittelalter hat der Schlachtruf der jüdischen Christusmörder die Massen mobilisiert. Schon die beispiellose Verfolgung jüdischer Konvertiten in der spanischen Inquisition, die sich dem antisemitischen Gesetzeswerk der „limpieza del sangre“ (Reinheit des Blutes) beugen mussten, zeigt erste organisierte Formen des Rassismus. Die Einheit der Christen gegenüber den Ungläubigen ist ein Vorläufer der späteren Einheit der deutschen Volksgemeinschaft gegenüber errichteten Feindbilder.

Das Verdienst der kritischen Theorie ist es, theoretisch äußerst ergiebige Fragmente über den Antisemitismus hinterlassen zu haben, die ein Verständnis des Nationalsozialistischen Menschheitsverbrechens liefern, an deren Ende Auschwitz als Synonym der maschinellen Massenvernichtung nicht seine besondere Qualität gegenüber anderen Genoziden der Geschichte verliert. Hier erscheint der NS nicht als historischer Betriebsunfall oder Wiedergänger anderer diktatorischer Systeme, sondern als Kind der bürgerlich-liberalen Gesellschaft, aus der er geboren wurde.

Autoren: Natascha Müller und Oliver Marusczyk

 

Literatur

Arendt, Hannah: Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen, München 2006

Claussen, Detlev: Grenzen der Aufklärung. Die gesellschaftliche Genese des modernen Antisemitismus, Frankfurt 2005

Diner, Dan: Aporie der Vernunft. Horkheimers Überlegungen zu Antisemitismus und Massenvernichtung. In: Ders., Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, Frankfurt am Main 1988, S. 30-53

Horkheimer, Max, Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung, Philosophische Fragmente, Frankfurt am Main 1969

Neumann, Franz: Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933-1944, Frankfurt am Main 2004

Anmerkungen

[1] Vgl. Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen, München 2006

[2] Franz Neumann, Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933-1944, Frankfurt am Main 2004, S. 531

[3] Vgl. Dan Diner, Aporie der Vernunft. Horkheimers Überlegungen zu Antisemitismus und Massenvernichtung. In: Ders., Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, Frankfurt am Main 1988, S. 30-53, hier S. 30

[4] Vgl. Detlev Claussen, Grenzen der Aufklärung. Die gesellschaftliche Genese des modernen Antisemitismus, Frankfurt 2005, S. 178

[5] Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, Philosophische Fragmente, Frankfurt am Main 1969, S. 179

[6] Ebd., S. 208-209

[7] Ebd., S. 179

[8] Horkheimer/Adorno, DdA, S. 179

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