Jörg Fuhrmeister: Der Westwall. Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 2003.
Es ist die Leidenschaft eines typischen Regionalhistorikers, die aus dem Werk von Jörg Fuhrmeister über den Westwall spricht. Der 1959 geborene Autor engagiert sich seit seiner Jugend für den Denkmalschutz, wurde 1987 Projektleiter zur Restaurierung von Westwallbunkern der Interfest e.V. und 1989 Fachgruppenleiter Landesbefestigungen in Deutschland. Flüssig, illustrativ geschrieben eröffnet er einem breiten Leserkreis den Zugang zu einem der spannendsten und mythenumwobenen militärgeschichtlichen Themen des Zweiten Weltkrieges.
Die deutsche Propaganda rückte seit 1938 den sogenannten „Westwall“ in das Interesse der Weltöffentlichkeit. Von Basel bis Kleve sollte ein Sammelsurium von mehr als 18.000 Bunkern, Hohlgängen und Sperren aller Art das Deutsche Reich gegen die westlichen Anrainerstaaten schützen. Nicht die schiere Baustärke, sondern vor allem die Propaganda sollten die Befestigungen zum „Stärksten Wall aller Zeiten“ (Adolf Hitler) machen. Das Vorhaben gelang. Während der verwundbaren Bauzeit bis Ende 1939 von dauerhafter Materialknappheit betroffen und von ständigen Planungs- und Bauänderungen verzögert, hielt der Propagandawall. Nach der Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland am 3. September 1939 wagten die Westmächte nicht, die angeblich unüberwindbare Verteidigungslinie des Deutschen Reiches anzugreifen. Als der Westwall 1945 schließlich von den Alliierten überrannt wurde, war er mangels Waffen, Material und Soldaten kein ernstzunehmendes Hindernis mehr.
Die klare Gliederung Fuhrmeisters führt den Leser von den Anfängen des Festungsbaus über die Geschichte des Westwalls bis zu den Details der einzelnen Bauten. Hier finden sich eine Fülle von Statistiken, Grundrissen, Bauzeichnungen und weiteren Angaben. Besonders erfreulich ist dabei die reiche Bebilderung aller Themenbereiche.
Besondere Aufmerksamkeit widmet Fuhrmeister der Nachkriegsgeschichte der Befestigungen. Von 1946 bis 1950 systematisch gesprengt und von 1956 bis heute kontinuierlich beseitigt sind die Reste des Westwalles heute oft ein Fall für den Denkmalsschutz. Viele Vereine, Arbeitskreise und andere Organisationen restaurieren und bewahren die Reste der Befestigungen und machen sie der Öffentlichkeit zugänglich. Fuhrmeister geht nicht zuletzt aufgrund seiner denkmalschützerischen Tätigkeit sehr detailliert auf diesen Themenkreis ein – nicht ohne Seitenhiebe auf die „deutsche Ordentlichkeit“, mit der bis zum heutigen Tage Bunker unnötigerweise und darüber hinaus mit einem enormen Kostenaufwand beseitigt werden.
„Der Westwall. Geschichte und Gegenwart“ ist nicht die erste Gesamtdarstellung zu diesem Thema, aber die beste populärwissenschaftliche Aufbereitung. Das Standardwerk zum Thema Westwall von Dieter Bettinger und Martin Büren ist aufgrund seines Umfanges und seiner Kosten bestenfalls in Universitätsbibliotheken zu finden. Fuhrmeisters Werk ist hier eine sehr gute Alternative.
Autor: Stefan Mannes
Jörg Fuhrmeister: Der Westwall. Geschichte und Gegenwart, Motorbuch Verlag, Stuttgart 2003. ISBN: 3-613-02291-5.