
Eine Gruppe von Juden in Chełmno, kurz ihrer Tötung in der Gaskammer. Quelle: USHMM
Nach dem deutschen Überfall auf Polen wurde ein Teil des Gebiets als „Reichsgau Posen“ im Oktober 1939 in das Deutsche Reich eingegliedert. Wenige Wochen später leitete der Gauleiter Arthur Greiser (1897-1946) die Vertreibung der dort lebenden Polen und Juden in das „Generalgouvernement“ ein, um anschließend die „Germanisierung“ des nun „Reichsgau Wartheland“ genannten Gebiets durch Ansiedlung von Volksdeutschen vor allem aus der Sowjetunion durchzuführen. Ab 1940 wurden alle noch im Warthegau lebenden Juden in Ghettos konzentriert und dort zur Arbeit gezwungen. Im Herbst 1941 erbat Greiser bei der Führung der Schutzstaffel (SS), Juden, die nicht zur Arbeit in Zwangsarbeiterlagern herangezogen werden konnten, in einer Gaswagenstation ermorden zu dürfen. Die SS hatte bereits die Ermordung der europäischen Juden beschlossen und genehmigte Greisers Vorhaben. Im November 1941 wurde daraufhin in der Gemeinde Chełmno (Kulmhof), 70 Kilometer westlich von Łódź, das erste nationalsozialistische Vernichtungslager errichtet. Mit der Einrichtung und Inbetriebnahme des Mordzentrums wurde unter anderem SS-Hauptsturmführer Herbert Lange (1909-1945) beauftragt, der im Rahmen der „Euthanasie“-Aktion ab Sommer 1940 die Ermordung Kranker und Behinderter in Gaswagen geleitet hatte.
Das Lager in Chełmno bestand aus einem Schloß, das als Unterkunft für das Lagerpersonal, Sammelplatz für die Opfer und Ort des Massenmords diente, sowie aus einem fünf Kilometer entfernten „Waldlager“, in dem die Ermordeten vergraben wurden. Anfang Dezember 1941 trafen die ersten Juden aus der näheren Umgebung in Chełmno ein. Im Schloß erklärten SS-Männer den Juden, sie würden in ein Arbeitslager umgesiedelt und müßten deshalb vorher baden. Dann wurden sie über eine mit Brettern umschlossene Rampe in einen Gaswagen getrieben. Eine spezielle Vorrichtung leitete die Motorabgase in den Kastenaufbau des Wagens, in dem die Opfer eingeschlossen waren. Anschließend wurden die Ermordeten im „Waldlager“ vergraben, nachdem ein aus Juden bestehendes Arbeitskommando die Toten nach versteckten Wertsachen durchsucht hatte. Nach einiger Zeit brachte die SS auch diese Arbeitshäftlinge um und ersetzte sie durch Juden aus neuen Transporten.
Mit Beginn des Jahrs 1942 wurden vor allem jüdische Bewohner aus dem Ghetto Litzmannstadt (Łódź) mit Giftgas in Chełmno ermordet. Dazu gehörten auch nach Łódź deportierte Juden aus Deutschland, Österreich, der Tschechoslowakei und Luxemburg. Nachdem Ende 1942 ein Großteil der Juden des Warthegaus ermordet worden war, begann die SS die verscharrten Leichen auszugraben und zu verbrennen, um die Spuren des Verbrechens zu beseitigen. Anfang 1943 löste sie das Lager auf und sprengte das Schloß.
Im Sommer 1944 kehrte das „Sonderkommando Kulmhof“ nach Chełmno zurück, um die noch lebenden Juden aus dem Ghetto Litzmannstadt zu ermorden. Innerhalb von drei Wochen tötete die SS über 10.000 Juden in Gaswagen. Etwa 70.000 weitere Ghettobewohner wurden zur Ermordung nach Auschwitz deportiert. Das „Sonderkommando Kulmhof“ blieb bis Januar 1945 zur Verbrennung der Leichen in Chełmno, um alle Beweise für den Massenmord zu vernichten. Kurz bevor die Rote Armee Chełmno erreichte, verließ die SS am 17. Januar 1945 das Lager.
Insgesamt wurden in Chełmno mindestens 152.000 Menschen, hauptsächlich Juden sowie etwa 5.000 „Zigeuner“, mit Abgasen ermordet. 1964 wurden auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers ein Denkmal sowie ein kleines Museum errichtet.
Quelle und Copyright: Mit freundlicher Genehmigung von LeMO: Lebendiges virtuelles Museum Online. Ein Projekt des Deutschen Historischen Museums (DHM) in Berlin und dem Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (HdG) in Bonn.
Literatur
Benz, Wolfgang / Hermann Graml /Hermann Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 1997.
Benz, Wigbert / Bernd Bredemeyer / Klaus Fieberg: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Beiträge, Materialien Dokumente. CD-Rom, Braunschweig 2004.
Gutman, Israel / Eberhard Jäckel / Peter Longerich (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. München 1998.
Herbert, Ulrich / Karin Orth / Christoph Dieckmann: Die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Frankfurt/M 2002.
Kammer, Hilde / Elisabet Bartsch / Manon Eppenstein-Baukhage: Lexikon Nationalsozialismus, Berlin 1999.