Propaganda war für das politische Selbstverständnis und die Herrschaftstechnik der Nationalsozialisten ein zentraler Begriff. Die Massenmobilisierung durch die Propaganda und die wachsende Zustimmung durch immer größere Teile der deutschen Gesellschaft wurden zur wichtigsten Voraussetzung für Hitlers Macht. Doch beruhte die Wirkung der Propaganda nicht auf deren vermeintlicher Originalität oder Raffinesse, sondern auf deren Intensität und Konsequenz im Einsatz aller technischen und inszenatorischen Instrumente, die sich den nationalsozialistischen Propagandisten anboten. Vor allem aber verstanden sie es, mit ihren Kundgebungen, Appellen, ihren Massenaufmärschen und Feierstunden die Bedürfnisse nach Identität und sozialer Gemeinschaft zu erfüllen. Auch gelang es ihnen, die Erwartungen auf soziale Sicherheit und nationale Größe, die in weiten Teilen einer zutiefst krisengeschüttelten Gesellschaft vorhanden waren, scheinbar zu befriedigen und mit ihren Propagandaformeln die Menschen zu mobilisieren. Hinzu kam, daß die Wirkung der Propaganda und ihre Versprechungen sich methodisch kaum von der Wirkung der Gesellschaftspolitik des Regimes trennen ließen. Die Nationalsozialisten beschränkten sich nämlich nicht auf bloße Appelle und Masseninszenierungen, sondern sie verbanden diese mit den sozialpolitisch greifbaren, wenn auch in der Realität sehr bescheidenen Erfolgen und materiellen Leistungen des Regimes zu einer realisierbaren Zukunftsperspektive.
Sicherlich war der Nationalsozialismus mit seinen politischen Ritualen und Symbolen, die um die Begriffe von Nation und Volk, Größe und Macht kreisten, Teil einer gemeineuropäischen Entwicklung, die als „Nationalisierung der Massen“ (George Mosse) bezeichnet wurde. Diese bediente sich der Formen einer politischen Liturgie und romantisch-frühzeitlicher Mythen, um das Volk scheinbar an der Politik teilhaben zu lassen. Nicht in der parlamentarischen Rede und im gelehrten Gespräch, sondern in einer symbolischen Kommunikation, durch Zeichen und Rituale, teilten die nationalen Bewegungen ihre Botschaften mit. Wenn das gesprochene Wort eingesetzt wurde, dann diente es weniger der rationalen Auslegung einer Ideologie, sondern war Teil eines Zeremoniells, das sich meist pseudoreligiöser Formen bediente.
Der Nationalsozialismus war eine besonders ausgeprägte Form des politischen Massenkultes, eine Reaktion auf die extreme Zerrissenheit und mentale Krise der deutschen Gesellschaft. Bereits in seiner Bewegungsphase entfalteten sich Elemente der Selbstinszenierung, die dann auf das Regime übertragen wurden. Aufmärsche, Fackelzüge, Fahnenappelle und Werbefahrten prägten unverwechselbar das Erscheinungsbild der Partei. Ihre Kundgebungen sollten in einer Mischung von gesprochenem Wort, das mehr einer Verkündigung glich, und Inszenierungselementen wie Fahnen, Fackeln, Uniformen und Massenchören ein „sinnliches Gesamterlebnis“ (Peter Longerich) verkörpern.
Informationslenkung
Mit der Machteroberung am 30. Januar 1933 bot sich die Möglichkeit, neben dem Gewaltmonopol durch die Lenkung und Kontrolle der Massenmedien Presse, Rundfunk und Film auch das Monopol über Nachrichten und Informationen zu erobern. Damit war es der Bevölkerung nur noch schwer möglich, hinter die Scheinwelt der Propaganda und der Masseninszenierungen zu blicken und sich der Durchdringung des Alltags durch nationalsozialistische Symbole und Phrasen zu entziehen.
Den institutionellen Rahmen für die propagandistische Mobilisierung der Gesellschaft schufen Hitler und Goebbels mit der Neugründung des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda im März 1933. Mit dem Reichskulturkammergesetz vom 22. September 1933 wurden alle im Kulturbereich Tätigen Zwangsmitglieder in ihrer jeweiligen Berufskammer, von denen es unter dem Dach der Reichskulturkammer (deren Präsident ebenfalls Joseph Goebbels war) sieben gab: Presse, Schrifttum, Rundfunk, Theater, Musik, Bildende Kunst und Film. Die Lenkung der Medien erfolgte auf einer institutionellen und personellen Ebene durch die Gleichschaltung der Verbände und die verlegerische Vereinnahmung der Pressehäuser bzw. durch die Zusammenfassung der bereits verstaatlichen Rundfunkanstalten unter einem Dach. Neben den berufsständischen und ökonomisch-organisatorischen Kontrollen fungierte als dritte Säule ein System der direkten Presse- und Informationslenkung durch tägliche Pressekonferenzen und die Verbreitung von Nachrichtenmaterial des Deutschen Nachrichtenbüros, die mit einer Nachzensur verbunden waren.
Die Gefahren einer ermüdenden und abstumpfenden Propagandaroutine waren Goebbels durchaus bewußt. Deshalb genehmigte er in der reglementierten und zunehmend öder werdenden Presselandschaft aus Gründen der scheinpluralistischen Auswirkung noch einige „Farbtupfer“, wie die bürgerlich-liberale „Frankfurter Zeitung“ oder als Eigenkreation die Zeitung „Das Reich“, die anspruchsvollen Journalismus präsentieren sollten. Zudem verband der Großdeutsche Rundfunk mit seinem Einheitsprogramm in einer geschickten Mischung Nachrichten und Kommentare mit populärer musikalischer Unterhaltung („Wunschkonzerte“).
Propaganda durch den Film
Im Film wurde eine allzu plumpe Politisierung vermieden, obwohl auch in diesem Medium die Gleichschaltung bzw. Selbstgleichschaltung, erleichtert durch die ökonomischen Probleme der Filmwirtschaft, rasch erfolgte. Nach der Säuberung von jüdischen, sozialkritischen bzw. linken Regisseuren und Schauspielern betrieb Goebbels, der eine besondere Vorliebe für den Film (und seine Stars) entwickelte eine gezielte und wirkungsvolle Filmpolitik. Dies geschah mit Hilfe der gleichgeschalteten Berufsverbände und der Reichsfilmkammer sowie einer gezielten finanziellen Förderung der Filmwirtschaft und der Einstellung eines linientreuen „Reichsfilmdramaturgen“. Goebbels Filmpolitik wurde noch durch eine Monopolisierung der Filmproduktion unter seiner Leitung verstärkt. Die Popularität und Wirkungskraft der Filme lag darin, daß Unterhaltungsfilme und Filme mit etablierten nationalpolitischen Themen, die etwa den Mythos Preußens pflegten, den Vorrang vor politischen Filmen einnahmen. Hatten in der Anfangsphase noch Filme mit Themen aus der nationalsozialistischen Kampfzeit („Hitlerjunge Quex“, „SA-Mann Brand“ und „Hans Westmar“) die Leinwände zu beherrschen versucht, so verschwanden dezidierte Darstellungen von NS-Größen und NS-Symbolen aus der politischen und vor allem der unpolitischen Unterhaltungsfilmproduktion. Während des Krieges traten rassenpolitische Themen in den Vordergrund (so der antisemitische Spielfilm „Jud Süss“ und die „Rothschilds“ oder der Propagandafilm „Der ewige Jude“).
Große Wirkung erzielten neben den Wochenschauen, die eine sorgfältige Kontrolle durch das Propagandaministerium erfuhren, vor allem Dokumentar- und Kulturfilme, die zum Repertoire aller Kinos gehörten. Herausragend in diesem Genre waren wegen ihres inszenatorischen und finanziellen Aufwandes, aber auch wegen ihrer unbestreitbaren Wirkung der Dokumentar- und Propagandafilm von Leni Riefenstahl über den Nürnberger Reichsparteitag 1934 („Triumph des Willens“) und die zweiteilige Olympiaproduktion von 1936 („Fest der Völker“ und „Fest der Schönheit“), die mit der Monumentalität der Bilder und der Heroisierung des filmischen Gegenstandes Ansätze einer eigenen nationalsozialistischen Filmästhetik entwickelten.
Mit der Lenkung und Instrumentalisierung von Rundfunk und Film knüpften die Nationalsozialisten an die Entwicklungstendenzen der modernen Massenkultur an und perfektionierten sie für ihre Zwecke. Sie waren damit ganz Teilhaber und Nutznießer der Moderne, so wenig sie zugleich darauf verzichten wollten, den traditionellen Kulturbetrieb, das heißt Literatur, Musik, Bildende Kunst und Theater zu durchdringen und ihren ambivalenten Herrschaftstechniken von Verlockung und Zwang unterzuordnen. Gleichwohl war die Autonomie der Kunst etwa im Bereich von Theater und Musik trotz aller personellen Säuberungen und Selbstanpassungen bzw. kulturpolitischen Eingriffe noch eher gewahrt als in den modernen Massenmedien.
Dem nationalsozialistischen Politikverständnis und Politikstil sehr viel eigentümlicher und immanent waren der Feierstil und der nationalsozialistische Festkalender, in denen sich Elemente einer eigenen, pseudo-religiösen Liturgie und einer „Sakralisierung der Führerherrschaft“ (Hans Günther Hockerts) fanden. In den Ritualen und Symbolen des politischen Massenkultes, den der Nationalsozialismus in seiner Regimephase schrittweise ausbaute und perfektionierte, zeigte sich auch sein eklektischer Charakter.
Feierstil und Festkalender
Was immer eine emotionale Wirkung versprach, wurde von den verschiedenen Kult- und Feierformen aufgenommen und integriert: vom christlichen Kultus über die vaterländische Feier bis zu den rituellen Formen der Jugendbewegung, daneben aber auch Elemente des politischen Kultes des italienischen Faschismus. Beschränkte sich jedoch der italienische Faschismus auf die pathetische Selbstdarstellung des Staates, so suchte der NS-Kult bis in den Alltag der Menschen hinein zu wirken. Denn die Feiern fanden nicht nur auf nationaler Ebene bei Massenveranstaltungen in Nürnberg, München oder Berlin statt, sondern wurden auf regionaler und lokaler Ebene wiederholt und imitiert. Ein besonderer Rhythmus des nationalsozialistischen Feierjahres wurde verordnet. Nichts demonstriert den totalitären Anspruch des Regimes deutlicher als dieser Versuch, über Alltag und Feste der Bevölkerung zu verfügen und damit den traditionellen Festkalender, wie er vor allem von den Kirchen bestimmt war, zu unterlaufen und letztlich zu ersetzen.
Der nationalsozialistische Jahreslauf begann mit dem 30. Januar, an dem mit Aufmärschen an den „Tag der Machtergreifung“ erinnert wurde. Es folgte Ende Februar der Parteifeiertag, mit dem an die Verkündigung des 25-Punkte-Programms der NSDAP erinnert werden sollte. Der „Heldengedenktag“ im März übernahm Formen der Erinnerung an die Gefallenen der Kriege und deutete den Kriegstod – ähnlich wie im Denkmalskult – zum Heldentod um. In Anlehnung an die Tradition der Kaisergeburtstage wurde am 20. April „Führers-Geburtstag“ mit Aufmärschen und Paraden sowie mit der Aufnahme der 14jährigen in die Hitlerjugend begangen. Der Maifeiertag, seit dem 1. Mai 1933 ein arbeitsfreier Tag, war ein Traditionselement der Arbeiterbewegung, das als Fest der Volksgemeinschaft umgedeutet und regelmäßig begangen wurde. Höhepunkt des Festjahres waren die mehrtägigen Reichsparteitage der NSDAP im September in Nürnberg, die mit der Monumentalität der Parteitagsarchitektur, der Magie der Fahnen und Fackeln, den Massenzeremonien, Todesverklärungen und Erlösungsritualen ein politisch-ideologisches Gesamtkunstwerk boten, in dessen Mittelpunkt immer der „Führer“ stand. Der Parteitag war nicht Diskussionsforum, sondern grandiose Selbstdarstellung eines politischen Kultes, die Emotionen wecken und alle Sinne betäuben sollte.
Auf die monumentale Machtentfaltung von Partei, SA und SS, von Arbeitsdienst sowie HJ in Nürnberg, die durch eine Parade der Wehrmacht einen martialischen Charakter erhielt, folgte Anfang Oktober das Erntedankfest vom Bückeberg, mit dem der nationalsozialistische „Blut und Boden“-Kult gefeiert wurde. Den Jahreslauf schloß die Feier des 9. November in München ab, wo durch Ritus und Dekoration die Niederlage von 1923 (Hitlerputsch in München) in einem Akt symbolischer Revision in einen Triumph verwandelt werden sollte.
Über die Wirkung dieser Masseninszenierung haben wir widersprüchliche Berichte. Zwar konnte das im Führerkult gipfelnde Massenspektakel in Nürnberg bei den Beteiligten allemal eine Art Hochstimmung hervorrufen, die jedoch bald wieder durch Alltagsprobleme verdrängt wurde. Sie äußerten sich etwa in der Kritik an Versorgungsengpässen sowie vor allem in der Empörung über das protzige und herrische Auftreten sowie das korrupte Verhalten nicht weniger Politischer Leiter der NSDAP. Es stand im allzu krassen Gegensatz zu dem Anspruch einer neuen politischen Elite.
Während die Partei mit ihren Untergliederungen ihr Image gerade während der Kriegszeit durch die Ausweitung ihres Betreuungsanspruchs zu beheben versuchte, zeigten die Kampagnen gegen die „Miesmacher und Kritikaster“, die seit 1934 immer wieder gestartet wurden, daß die NS-Propaganda hinter der schönen Fassade nicht ohne Überrumpelung und Zwang auskam. Da wurde die Bevölkerung zum Ankauf von Hakenkreuzabzeichen, zur Teilnahme an Kundgebungen oder zu Spenden für das Winterhilfswerk und zum Eintopfessen genötigt. Die Propaganda, und die als ihre Erfüllungsgehilfen fungierenden vielen kleinen Unterführer übten einen gewissen Zwang aus, unaufhörlich „öffentliche Bekenntnisse“ zum nationalsozialistischen Staat abzulegen. Sie enthüllte damit ihren eigentlichen Zweck, die soziale Kontrolle zu festigen. Dennoch war die Propaganda in der Regel nur dann wirkungsvoll, wenn sie nicht durch Alltagserfahrungen widerlegt wurde, sondern diese verstärkte oder von diesen unberührt blieb, wie das für den Führermythos galt, der sich über das Alltägliche erhob und darum eine größere Stabilität besaß.
Autor: Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamers. Auszug aus „Nationalsozialismus II“ der Schriftenreihe „Informationen zur politischen Bildung“. Mit freundlicher Unterstützung des Autors und der Bundeszentrale für politische Bildung.
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